BFH Beschluss v. - XI S 30/07 (PKH)

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Nichtgewährung einer in der mündlichen Verhandlung beantragten Schriftsatzfrist

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Prozessvertreters ist abzulehnen.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde hängt vom Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO ab. Wird PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, muss daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist oder das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf einem Verfahrensmangel beruht (z.B. BFH-Beschlüsse vom III S 6/06 (PKH), BFH/NV 2006, 1486; vom XI S 28/07 (PKH), nicht veröffentlicht —n.v.—).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Weder die Ausführungen des Klägers und Antragstellers (Antragsteller) noch das FG-Urteil lassen einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO erkennen.

a) Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu. Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, muss er zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausarbeiten, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Darüber hinaus muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , n.v.).

Der Antragsteller stützt die grundsätzliche Bedeutung darauf, dass „dem Organträger die Berichtigung gemäß § 14 Abs. 2 UStG 2001 und dem daraus entstehenden Vorsteueranspruch nicht verwehrt werden” kann, wenn „der Beschwerdegegner entgegen der geltenden Rechtslage (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) auf Grund von tatsächlich vorliegendem fehlerhaften Steuerausweis in den Rechnungen der Organgesellschaft Umsatzsteuer gegenüber der Organgesellschaft” festsetzt. Den Ausführungen des Antragstellers kommt insoweit nur einzelfallbezogener Charakter zu, mit denen er geltend macht, dass das FG den Streitfall unzutreffend beurteilt hat. Dies genügt zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage jedoch nicht. Selbst wenn man die Ausführungen des Antragstellers dahin gehend interpretieren würde, dass er es für klärungsbedürftig hält, ob ein Berichtigungsanspruch nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bereits vor der Versteuerung des zu berichtigenden Umsatzes durch den Inhaber des Berichtigungsanpruchs geltend gemacht werden kann, wäre die Beschwerde unzulässig, da sich der Antragsteller nicht mit den hierzu im Schrifttum (z.B. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz 43) vertretenen Auffassungen auseinandersetzt.

b) Es liegt auch kein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor.

aa) Das FG hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht durch die Ablehnung der Gewährung einer Schriftsatzfrist verletzt. Die Nichtgewährung einer in der mündlichen Verhandlung beantragten Schriftsatzfrist verletzt nur dann den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Nur für diesen Fall sehen § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO das Nachbringen schriftsätzlicher Erklärungen vor (, BFH/NV 2007, 1163).

Der Streitpunkt, zu dem sich der Antragsteller noch schriftsätzlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung äußern wollte, betraf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 UStG vorlagen. Dies hatte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) bereits vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom bestritten. Im Streitfall lagen somit die Voraussetzungen für das Nachreichen eines Schriftsatzes gemäß § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO nicht vor. Im Übrigen wäre die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs auch unzulässig, da nicht ersichtlich ist, was der Antragsteller bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. , n.v.).

bb) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung. Eine solche liegt vor, wenn das FG seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. , n.v.). Im Hinblick auf das durch das FA mit Schriftsatz vom verneinte Vorliegen der Berichtigungsvoraussetzungen nach § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 UStG musste der Antragsteller jedoch auch ohne gesonderten Hinweis des FG damit rechnen, dass das FG diesen neu in das Verfahren eingeführten Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung berücksichtigen würde und infolgedessen von der zuvor erfolgten summarischen Beurteilung im Beschluss über die Gewährung von PKH vom abweichen könnte.

Fundstelle(n):
KAAAC-79967