Fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind dem materiellen Recht zuzuordnen; Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht wegen Übergehens von Beweisanträgen; Umfang der Mitwirkungspflichten
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) erhobenen Rügen sind teils unbegründet, teils entsprechen sie nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Die Rüge der Kläger, das Finanzgericht (FG) habe gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen, weil es in mehrerer Hinsicht bei der „Bildung der richterlichen Überzeugung…nicht berücksichtigt (habe), dass dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Bescheids davon abhängt, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt, der Grundsatz in dubio pro reo gilt”, ist nicht schlüssig erhoben worden.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der strafverfahrensrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo” auch im finanzgerichtlichen Verfahren in der Weise zu beachten, dass die Finanzbehörde die objektive Beweislast für die steuerbegründenden Tatsachen trägt (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 127, 140, 146, BStBl II 1979, 570, 573; , BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364).
Die (vermeintliche) Nichtbeachtung der Feststellungslast oder eine fehlerhafte Sachverhalts- oder Beweiswürdigung ist indessen revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (vgl. z.B. Beschluss vom VIII B 33/05, BFH/NV 2006, 1338).
2. Ebenso wenig schlüssig und substantiiert begründet haben die Kläger ihre Rüge, das FG habe die von ihnen mehrfach gestellten Anträge auf Vernehmung der das „Negativtestat” ausstellenden leitenden Mitarbeiter der X-Bank Luxemburg als Zeugen übergangen.
a) Bei der Rüge eines solchen Mangels sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. die Nachweise bei Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 69) u.a. substantiierte Angaben darüber erforderlich
- inwiefern das Urteil des FG —ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts— auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre sowie
- da es sich bei der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes um einen „verzichtbaren Mangel” handelt, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt worden sei oder —wenn das nicht geschehen sein sollte— weshalb die Rüge dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei.
b) An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. Dies gilt insbesondere auch für die unterlassene Rüge des Übergehens der begehrten Zeugenvernehmung. Zwar ergibt sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Vernehmung von zwei Mitarbeiterinnen der X-Bank Luxemburg beantragt hat. Jedoch hat es der Klägervertreter auf den anschließenden Hinweis durch das Gericht, „dass bei Zeugen im Ausland diese als präsente Zeugen gestellt werden (müssten)”, unterlassen, diese Ablehnung des Beweisantrages zu rügen. Die nächste mündliche Verhandlung, in der eine solche Rüge erfolgen muss, kann auch die sich unmittelbar an den (vorgeblichen) Verfahrensfehler anschließende Verhandlung sein (vgl. z.B. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103).
3. Entgegen der Ansicht der Kläger kommt den von ihnen formulierten Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
a) Die Kläger halten die Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam, „wie in Fällen der Eruierung eines ausländischen Kontos die hiesigen Willenserklärungen von ausländischen Banken (hier in Gestalt von Negativtestaten) zu qualifizieren (seien)”, „ob und in welchem Umfang Negativtestate von ausländischen Banken (...) als wahr angesehen werden (können) oder ob ihnen (wie der Beklagte und Beschwerdegegner, das Finanzamt —FA— meine) per se der Makel einer Gefälligkeit (zukomme)”, sowie „inwieweit die Finanzverwaltung berechtigt (sei), hinsichtlich der Inhaberschaft der Auslandskonten eine Schätzung vorzunehmen und welche Bedeutung hierbei Negativtestaten (zukomme)”.
Diese Rechtsfragen haben keine grundsätzliche, d.h. über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Zu Recht hat das FA in seiner Beschwerdeerwiderungsschrift bemerkt, dass es sich bei der „Bewertung von Bankbestätigungen…nicht um eine allgemein zu beantwortende Rechtsfrage, sondern um eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall” handelt.
b) Ein weiteres „grundsätzliches Problem” liegt nach Ansicht der Kläger darin, „ob die Beschwerdeführer überhaupt nach § 90 Abs. 2 Satz 3 AO im Rahmen der Beweismittelbeschaffungspflicht dafür verantwortlich zu machen (seien), erweiterte Negativtestate auch aus dem familiären Umkreis…zu beschaffen, obwohl diesbezüglich überhaupt…kein zivilrechtlicher Anspruch gegen eine ausländische Bank (bestehe)…Auch hierbei (handele) es sich um eine grundsätzliche (Anschluss-)Problematik, die bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung —soweit ersichtlich— nicht entschieden worden (sei)”.
Auch dieser Rechtsfrage kommt eine grundsätzliche Bedeutung deswegen nicht zu, weil sie sich —wie generell die Frage nach dem Umfang der Mitwirkungspflichten der Beteiligten— nicht abstrakt und allgemeingültig, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung —AO—) beantworten lässt. So stellt auch § 90 Abs. 2 Satz 3 AO darauf ab, ob sich der Beteiligte „nach Lage des Falls” die Möglichkeit zur Sachaufklärung oder zur Präsentation von Beweismitteln hätte verschaffen oder einräumen lassen können.
4. Aus den unter 3. genannten Gründen kommt eine Zulassung der Revision auch nicht wegen der „Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts” (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in Betracht (zur Einordnung dieses Zulassungsgrunds als Spezialfall der „Grundsatzrevision” vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38).
5. Die von den Klägern erhobene Rüge, das FG sei mit dem angefochtenen Urteil von dem (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 86) abgewichen, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.
a) Rügt der Beschwerdeführer —wie hier— eine Abweichung des angegriffenen FG-Urteils von der Entscheidung eines anderen Gerichts oder Spruchkörpers, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42).
b) Daran fehlt es im Streitfall. Die Kläger haben es versäumt, einen bestimmten und abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil zu benennen, der von dem von ihnen der Divergenzentscheidung entnommenen Rechtssatz, wonach „das bloße Beiführen eines Wertpapierdepotauszugs (z.B. im PKW an der Grenze Deutschland/Luxemburg) noch nicht die einzige Version (zulasse), dass der Betreffende auch Inhaber des Kontos (sei), wenn auch andere Darstellungen in Betracht (kämen)”. Allein mit dem Hinweis, das FG sei „auf dieses Judikat nicht eingegangen”, haben die Kläger eine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht substantiiert dargelegt.
Abgesehen davon hätten die Kläger —was nicht geschehen ist— darlegen müssen, dass der vorliegende Streitfall mit dem der mutmaßlichen Divergenzentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt in Bezug auf die entscheidungserheblichen Rechtsfragen gleich oder vergleichbar sei, wobei eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen nicht genügt (vgl. hierzu z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
6. Ferner kommt eine Zulassung der Revision auch nicht wegen einer möglichen Abweichung des angefochtenen Urteils von dem erst nach dessen Verkündung erlassenen BFH-Urteil in BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364 in Betracht.
Die dahingehende Divergenzrüge entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die Kläger keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil herausgearbeitet haben, der von den von ihnen formulierten Rechtssätzen aus der zitierten Divergenzentscheidung des BFH abweichen soll.
7. Die Kläger vermochten schließlich auch keinen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler schlüssig darzulegen, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gebietet.
Für einen derartigen Mangel kommen nur offensichtliche materielle oder formelle Fehler im Sinne einer objektiv willkürlichen Entscheidung des FG in Betracht. Solche gravierenden Mängel der Vorentscheidung haben die Kläger weder substantiiert dargetan, noch sind hierfür sonstige Anhaltspunkte ersichtlich. Die von den Klägern beanstandete fehlerhafte Anwendung der in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Einzelfall reichen hierfür nicht aus (vgl. z.B. , BFH/NV 2006, 799).
8. Der wesentliche Teil der Angriffe der Kläger gegen die angefochtene Entscheidung besteht —nach Art einer Revisionsbegründung— in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht falsch gewürdigt habe. Die Rüge solcher Fehler rechtfertigt indessen grundsätzlich die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, 45, 53, 55, 76 und 81 f.).
Fundstelle(n):
XAAAC-79954