Leitsatz
[1] Ein Insolvenzverwalter kann auch dann zur Einziehung einer sicherungshalber abgetretenen Forderung ermächtigt werden, wenn er das Einziehungsrecht zuvor aufgegeben hat.
Gesetze: ZPO § 51 Abs. 1; InsO § 166 Abs. 2
Instanzenzug: LG Berlin, 103 O 9/98 vom KG Berlin, 23 U 5259/99 vom
Tatbestand
Die B. KG (fortan: Schuldnerin) hatte ihre Forderung gegen den Beklagten aus der Zeichnung einer Beteiligung in Höhe von 400.000 DM an die Volksbank e.G. abgetreten. Mit Ermächtigung der Volksbank hat die Schuldnerin den Beklagten auf Zahlung von 280.000 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Während des Berufungsverfahrens hat die Volksbank die Forderung an die BA. abgetreten. Die Schuldnerin hat daraufhin der Zessionarin den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Schuldnerin beigetreten.
Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Dieser hat nach Aufnahme des Rechtsstreits Zahlung an die Streithelferin begehrt und die Klage im Wege der Anschlussberufung um einen Betrag von 81.806,70 € (160.000 DM) nebst Zinsen erweitert, welcher eine von der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin im Jahre 1996 beschlossene Nachschusspflicht betrifft. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen. Mit der von der Streithelferin eingelegten Revision begehrt der Kläger weiterhin die Verurteilung des Beklagten zu Zahlungen von insgesamt 440.000 DM (224.968,43 €) nebst Zinsen.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für unzulässig gehalten. Der Kläger sei zwar gemäß § 166 Abs. 2 InsO zur Einziehung der abgetretenen Ansprüche berechtigt gewesen. Auf dieses Recht habe er jedoch verzichtet. Die der Schuldnerin von der Volksbank erteilte Ermächtigung zur Einziehung der Forderung gehöre nicht zur Insolvenzmasse und sei daher nicht auf den Kläger übergegangen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Der Kläger hat seine Prozessführungsbefugnis auf die ihm von der Streithelferin nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am erteilte Ermächtigung vom gestützt. Mit der Einzugsermächtigung vom , welche die Volksbank der Schuldnerin erteilt hatte, hat diese Ermächtigung nichts zu tun.
2. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehen gegen die Wirksamkeit der Ermächtigung vom keine Bedenken.
a) Voraussetzung einer gewillkürten Prozessstandschaft sind eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung, das auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden kann (BGHZ 119, 237, 242; , WM 2003, 969, 970). Dieser Grundsatz gilt auch für einen Insolvenzverwalter. Dieser kann in seiner Eigenschaft als Verwalter ermächtigt werden, eine an einen Dritten abgetretene Forderung im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (, WM 2003, 1367, 1368).
b) Gemäß § 166 Abs. 2 InsO darf der Verwalter eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, einziehen oder in anderer Weise verwerten. Diese Bestimmung schließt eine Ermächtigung zur Einziehung von Forderungen in anderen als den in dieser Vorschrift geregelten Fällen nicht aus. Eine solche Ermächtigung kann gerade dann erteilt werden, wenn unklar ist, ob die einzuziehende Forderung zur Sicherheit abgetreten oder aber verpfändet ist, oder wenn aus anderen Gründen nicht sicher entschieden werden kann, ob das Verwertungsrecht an der Forderung dem Zessionar oder dem Verwalter zusteht (vgl. aaO). So liegt der Fall hier. Ob dem Kläger das aus § 166 Abs. 2 InsO folgende Einziehungsrecht zusteht, ist streitig geworden, nachdem der Beklagte einen handschriftlichen Vermerk des Klägers vom vorgelegt hat, in dem es heißt, "der Verzicht auf das Einziehungsrecht an den globalzedierten Forderungen" sei "im Juli, auch gegenüber der BA. , erklärt" worden.
c) Das rechtliche Interesse eines Insolvenzverwalters an der Durchsetzung einer sicherungshalber abgetretenen Forderung folgt bereits daraus, dass die Sicherungsabtretung die abgetretene Forderung nicht ihrem Bestand nach der Masse entzieht (vgl. BGHZ 147, 233, 239; , WM 2005, 1790, 1791). Im vorliegenden Fall hat der Kläger überdies unwidersprochen vorgetragen, mit der BA. eine Vereinbarung über eine Beteiligung der Masse am Ergebnis der Einziehung getroffen zu haben.
d) Die nach dem Senatsurteil vom (IX ZR 77/06, WM 2007, 1795, 1796) für die Anfechtung von Rechtshandlungen durch den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren geltenden Einschränkungen beruhen ausschließlich auf der Sonderregelung des § 313 Abs. 2 InsO, der einen Beschluss der Gläubigerversammlung verlangt.
3. Auf die rechtliche Einordnung, die Wirksamkeit und die Reichweite des im Juli 2004 erklärten "Verzichts" auf das Einziehungsrecht kommt es nach alledem nicht an.
III.
Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird zu klären haben, ob die geltend gemachten Ansprüche bestehen.
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1069 Nr. 21
WM 2008 S. 992 Nr. 21
ZIP 2008 S. 929 Nr. 20
QAAAC-79845
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja