Leitsatz
1. Eine Kurabgabe wird für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der örtlichen Fremdenverkehrseinrichtungen erhoben. Dem Ortsfremden, der sich zu Erholungszwecken in einem Kur- oder Erholungsort aufhält, muss dementsprechend ein Vorteil vermittelt werden, der die Beitragserhebung auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit rechtfertigt (im Anschluss BVerwG 11 CN 1.00 - Buchholz 401.63 Kur- und Fremdenverkehrsabgabe Nr. 8 S. 6).
2. Ob sich im Erhebungsgebiet Baugebiete befinden, denen ein Erholungswert abzusprechen ist (z.B. Industriegebiete), ist insofern ohne Belang. Ebenso wenig steht eine Belegenheit der von Ortsfremden genutzten Unterkünfte in der Nachbarschaft zu einem derartigen Gebiet der Entscheidung des kommunalen Satzungsgebers entgegen, auch diesen Ortsteil insgesamt in das Erhebungsgebiet einzubeziehen.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; VwGO § 132 Abs. 2; VwGO § 133 Abs. 3 Satz 3; KAG SH § 10 Abs. 1; KAG SH § 10 Abs. 2
Instanzenzug: VG Schleswig, VG 6 A 372/04 vom OVG Schleswig, OVG 2 LB 16/07 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr von der Beschwerde beigemessen wird (1.). Eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die zur Zulassung der Revision führen könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen ebenso wenig (2.). Fehl geht es schließlich auch, falls die Beschwerde einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rügen möchte (3.).
1. Nicht gefolgt werden kann der Beschwerde, wenn sie als grundsätzlich bedeutsam die Frage bezeichnet,
"ob ein gesamtes Stadtgebiet zu einem einheitlichen Erhebungsgebiet für eine Kurabgabe zusammengefasst werden kann, auch wenn die verschiedenen Ortsteile über qualitativ sehr unterschiedliche Kureinrichtungen verfügen."
Die Beschwerde macht in diesem Zusammenhang geltend, es gebe innerhalb der beklagten Stadt den Fall eines vornehmlich gewerblich-industriell geprägten Bereichs sowie eines "klassischen" Kur- und Feriengebiets, wobei beide Bereiche zudem über mehrere Kilometer voneinander getrennt seien. Die Beschwerde knüpft damit an den Vortrag des Klägers an, wonach sich der Dauerliegeplatz seines Bootes am Westufer der Neustädter Bucht im dortigen Yachthafen befinde, der an ein Baugebiet angrenze, das nahezu keine Wohnbebauung aufweise, dafür aber produzierendes Gewerbe und ein Müllheizwerk. In der Umgebung befänden sich ferner landwirtschaftlich genutzte Flächen sowie Liegenschaften der Bundesmarine, des Bundesgrenzschutzes und der Küstenwache. Das eigentliche Kurgebiet beginne am Ostufer der Neustädter Bucht erst dort, wo sich die Badestrände der Stadtteile Pelzerhaken und Rettin erstreckten. Die Vorinstanz hat zu den - vom Kläger behaupteten - Unterschieden im Gebietscharakter der beklagten Stadt keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sondern darauf verwiesen, dass die streitige Kurabgabe, sofern und solange die Anerkennung als Seebad für das gesamte Stadtgebiet wirksam sei, gemäß § 10 Abs. 1 KAG SH daran auch anzuknüpfen habe. Es sei Sache des zuständigen Ministeriums gemäß § 1 LVO SH a.F. bzw. § 1 Abs. 3 LVO n.F. die Anerkennung auf Teile des Gemeindegebiets zu beschränken, falls eine weiträumige Gemeinde in verschiedenen Teilen ihres Gebietes unterschiedlich strukturiert sei und nur einzelne Teile die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllten, nicht dagegen andere Teile, die etwa als Industriegebiete ausgewiesen seien (UA S. 8).
Die Beschwerde kritisiert diese Argumentation der Vorinstanz als einen unzulässigen "Zirkelschluss", ohne darzulegen, welche Frage des revisiblen Rechts damit verknüpft sein soll (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Selbst wenn man aber davon ausgeht, die Beschwerde habe sich, wenn sie nachfolgend unter Hinweis auf das Senatsurteil vom - BVerwG 11 CN 1.00 - (Buchholz 401.63 Kur- und Fremdenverkehrsabgabe Nr. 8) den Gleichheitsgrundsatz als Kontrollmaßstab für die Erhebung von Kurbeiträgen anführt, letztlich auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen, ist damit den Darlegungsanforderungen der § 132 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn gerügt wird, die kritisierte Auslegung und Anwendung des Landesrechts führe zu einer Grundrechtsverletzung. Auch dann ist näher darzulegen, inwiefern die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführte bundes(verfassungs)rechtliche Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das ist der Beschwerde hier nicht gelungen.
2. Eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Beschwerde verweist auf Rechtssätze, die der Senat in seinem Urteil vom (a.a.O.) zu den Schranken entwickelt hat, die kommunale Satzungsgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beim Erlass von Kurbeitragssatzungen zu beachten haben, und meint dem angefochtenen Urteil Aussagen entnehmen zu können, die dazu im Widerspruch stehen. Dies überzeugt jedoch nicht, weil die Beschwerde in Wirklichkeit lediglich die (angeblich) fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung dieser Rechtssätze rügt. Dies genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (vgl. z.B. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).
a) Die Beschwerde zitiert zunächst die Aussage des Senats, der Gleichheitsgrundsatz lasse es nicht zu, Ortsteile, die über die Anerkennung als Kurort verfügen, für die Erhebung des Kurbeitrags völlig beliebig zusammenzufassen (Urteil vom a.a.O. S. 5). Sie ist der Meinung, die Vorinstanz habe insofern nicht darauf abstellen dürfen, dass im vorliegenden Fall das gesamte Stadtgebiet über eine Anerkennung als Seebad verfüge. Die Vorinstanz habe in Anwendung des zitierten Rechtssatzes vielmehr prüfen müssen, ob hier tatsächlich unterschiedliche Stadtgebiete mit abweichendem Erholungswert vorlägen. Anderenfalls werde eine beliebige und damit willkürliche Zusammenfassung verschiedener Ortsteile in Kauf genommen, die für die Beitragsschuldner zu Rechtsschutzlücken führe, weil diese die Anerkennung als Seebad nicht anfechten könnten. Mit diesem Vorbringen wird eine Divergenz nicht aufgezeigt.
Es ist ein Missverständnis, wenn die Beschwerde der von ihr zitierten Rechtsprechung des Senats entnehmen möchte, der kommunale Satzungsgeber sei bei Bestimmung des Erhebungsgebiets im Hinblick auf Verschiedenheiten im bauplanungsrechtlichen Gebietscharakter einzelner Ortsteile des Kurorts in seiner Gestaltungsfreiheit eingeschränkt. Der Senat hat seinerzeit lediglich klargestellt, dass sich für die Zusammenfassung zu einem Erhebungsgebiet unter dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit ein sachlich einleuchtender Grund finden lassen muss, wenn verschiedene Ortsteile "über qualitativ sehr unterschiedliche Kureinrichtungen verfügen". Rechtlicher Anknüpfungspunkt war, dass der Kurbeitrag für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der örtlichen Fremdenverkehrseinrichtungen erhoben wird und dem Ortsfremden, der sich zu Erholungszwecken in einem Kurort aufhält, dementsprechend ein Vorteil vermittelt werden muss, der die Beitragserhebung auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit rechtfertigt (a.a.O. S. 6). Hierfür ist es aber ohne Belang, ob sich im Erhebungsgebiet Baugebiete befinden, denen ein Erholungswert abzusprechen ist (z.B. Industriegebiete i.S.v § 9 BauNVO). Ebenso wenig steht eine Belegenheit der von Ortsfremden genutzten Unterkünfte in der Nachbarschaft zu einem derartigen Gebiet der Entscheidung des kommunalen Satzungsgebers entgegen, auch diesen Ortsteil insgesamt in das Erhebungsgebiet einzubeziehen. Bei typisierender Betrachtung darf in der Beitragssatzung nämlich auch bei dieser Fallgestaltung unwiderleglich vermutet werden, dass diese Gäste aufgrund ihres Aufenthalts von den Fremdenverkehrseinrichtungen im beitragsrechtlichen Sinne einen Vorteil haben. In Bezug auf den das Landesrecht korrigierenden Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG wird ein weitergehender Klärungsbedarf von der Beschwerde nicht aufgezeigt. Die Divergenzrüge kann somit eine Zulassung der Revision auch unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung nicht rechtfertigen (oben 1.).
b) Die Beschwerde entnimmt dem angefochtenen Urteil die Aussage, es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte das gesamte anerkannte Stadtgebiet hinsichtlich des Kurbeitrags zusammengefasst hat, auch wenn die verschiedenen Ortsteile über qualitativ sehr unterschiedliche Kureinrichtungen verfügen. Darin sei ebenfalls eine Abweichung von der Aussage des Senats zu sehen, der Gleichheitsgrundsatz lasse es nicht zu, Ortsteile, die über die Anerkennung als Kurort verfügen, für die Erhebung des Kurbeitrags völlig beliebig zusammenzufassen (a.a.O. S. 5). Unter Beachtung dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätte die Vorinstanz detailliert prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für ein Kurgebiet und damit für eine Kurabgabe erfüllt seien. Dies sei jedoch unterblieben. Auch dieses Beschwerdevorbringen belegt eine Divergenz nicht.
Deutliche Qualitätsunterschiede der in verschiedenen Ortsteilen gelegenen Fremdenverkehrseinrichtungen schränken den kommunalen Satzungsgeber in seiner Gestaltungsfreiheit bei Bestimmung des Erhebungsgebiets nur ausnahmsweise dann ein, wenn sich für die Zusammenfassung zu einem Erhebungsgebiet unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit ein sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt (a.a.O. S. 5). Die Geltung dieses bundesrechtlichen Maßstabs hat die Vorinstanz aber nicht in Abrede gestellt (UA S. 8). Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang kritisiert, die Vorinstanz habe eine willkürliche oder beliebige Zusammenfassung verschiedener Ortsteile hier schon deswegen nicht angenommen, weil eine einheitliche Anerkennung des Stadtgebiets als Seebad vorliege, kann sie daraus eine Divergenz nicht herleiten. In seinem Urteil vom (a.a.O.) hat sich der Senat hierzu nämlich nicht geäußert, weil im dortigen Fall im Gemeindegebiet Ortsteile entsprechend ihrer jeweiligen Lage mit unterschiedlichen Anerkennungen (Seebad und Erholungsort) ausgestattet worden waren. Diese Frage wäre im Falle einer Revisionszulassung auch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich; denn die Vorinstanz hat zumindest hilfsweise darauf abgestellt, dass - selbst wenn nur eine unzureichende Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen sollte - die Nutzung der Fremdenverkehrseinrichtungen in anderen, auch entfernt liegenden Stadtteilen alternativ unter Verwendung von Kraftfahrzeugen oder Fahrrädern möglich ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz besteht insbesondere für diejenigen Gäste, die in der Ancora-Marina Aufenthalt genommen haben, eine zumutbare Erreichbarkeit auch der in den Stadtteilen Pelzerhaken und Rettin vorhandenen Fremdenverkehrseinrichtungen (UA S. 8 f.). Hinsichtlich dieser selbständig tragenden Begründung hätte die Beschwerde einen Zulassungsgrund darlegen müssen (vgl. etwa BVerwG 7 B 261.97 - a.a.O S. 15). Das ist unterblieben.
c) Entsprechendes gilt, wenn die Beschwerde es mit ihrer Divergenzrüge beanstandet, die Vorinstanz habe die - hier fehlende - Einteilung des Stadtgebiets in verschiedene Kur- und Beitragszonen als nicht zulässig angesehen (UA S. 9). Denn die Vorinstanz hat diese Frage nicht abschließend entschieden, sondern ihr Urteil insoweit auf die selbständig tragende Begründung gestützt, es liege zumindest im Rahmen des weiten satzungsmäßigen Ermessens, ob nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausnahmsweise eine derartige Zonenbildung in Betracht kommen könne, wenn Gäste eines Stadtteils die Einrichtungen anderer Stadtteile "insgesamt merklich weniger frequentieren" und dies dazu führe, dass der mit dem Kurbeitrag abzugeltende Vorteil abnehme (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 7). Auf jeden Fall - so führt die Vorinstanz ihre Argumentation fort (UA S. 10) - dürfte eine Staffelung nach Zonen nicht als Instrument der Wirtschaftlenkung eingesetzt werden, um etwa Standortnachteile einzelner Beherbergungsbetriebe auszugleichen. Stelle sich die gemeindliche Vorteilsgewährung - wie hier - unabhängig vom Unterkunftsort für alle Gäste im Erhebungsgebiet als gleichwertig dar, dürfe vielmehr auch die dafür zu erbringende Abgabe nicht differieren. Die Beschwerde nimmt hierzu nicht Stellung.
3. Die Beschwerde rügt, es liege "unter Umständen" ein Verfahrensmangel vor, weil die Vorinstanz nicht den Beweisantritten des Klägers zum Charakter des Gebiets nachgegangen sei, in dessen Nachbarschaft die Ancora-Marina liege. Dies rechtfertigt eine Revisionszulassung schon deswegen nicht, weil sich die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz beurteilt, selbst wenn dieser Standpunkt Bedenken unterliegen sollte (vgl. z.B. BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrstVG Nr. 1 S. 1). Wie zuvor erörtert wurde (oben 2. a), war der Gebietscharakter nach dem Rechtsverständnis der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Fundstelle(n):
PAAAC-79815