Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 265 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 23 Abs. 2; StGB § 24 Abs. 1; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 64; StGB § 67 Abs. 2; StGB § 177 Abs. 1 Nr. 3; StGB § 177 Abs. 2 Nr. 1; StGB § 177 Abs. 4 Nr. 1; StGB § 223; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 239; StGB § 239 a Abs. 4 Satz 1; StGB § 239 b Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.; StGB § 239 b Abs. 2; StGB § 306 a Abs. 2
Instanzenzug: LG Trier, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme, Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen, Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie Körperverletzung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom ausgeführten Gründen unbegründet.
1. Nach den Feststellungen zu Fall II. 3 der Urteilsgründe hat der Angeklagte mit einem Hocker in Richtung des Kopfes der am Boden kauernden Nebenklägerin geschlagen, die den Schlag aber mit Händen und Armen abwehren konnte, ohne Verletzungen davonzutragen. Das Landgericht hat die Tat als versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet, ohne zu prüfen, ob der Angeklagte von dem Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, indem er die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben hat. Zudem hat das Landgericht eine mögliche Strafmilderung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht erörtert. Das Urteil war deshalb im Schuld- und Strafausspruch aufzuheben. Die neu entscheidende Strafkammer wird zu prüfen haben, ob die Nebenklägerin bei der Abwehr des Schlages Schmerzen erlitten hat, so dass auch eine körperliche Misshandlung in Form einer üblen, unangemessenen Behandlung in Betracht kommt und der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB deshalb sogar vollendet ist.
2. Nach den zu Fall II. 7 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte mit der Nebenklägerin, die er zuvor gewaltsam in sein Fahrzeug gezerrt hatte, nachts mit überhöhter Geschwindigkeit eine kurvenreiche ländliche Strecke mit besonders steilen Böschungen rechts der Straße. Der Angeklagte drohte damit, sie umzubringen, vollführte Vollbremsungen und berührte mit der rechten Fahrzeugseite Leitplanken und Begrenzungspfähle. Unter der Drohung, sie werde die Fahrt sonst nicht überleben, forderte er die völlig verängstigte Nebenklägerin auf, ihm den wahren Vater des Kindes, das sie - tatsächlich von dem Angeklagten selbst - erwartete, zu nennen. Die Beteuerungen der Nebenklägerin, er selbst sei der Vater, ignorierte er. Nach etwa zwei Stunden beendete der Angeklagte die wilde Fahrt und hielt unvermittelt an. Er stieß die Nebenklägerin mit einem Fußtritt aus dem Wagen. Sodann fuhr er allein in die gemeinsame Wohnung zurück. Die Nebenklägerin ging zu Fuß zu ihrem Wagen zurück und fuhr ebenfalls nach Hause.
Das Landgericht hat hierin - insoweit rechtlich nicht zu beanstanden - eine Geiselnahme gemäß § 239 b Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. StGB gesehen. Es hat es jedoch versäumt, eine Strafmilderung nach § 239 b Abs. 2 i.V.m. § 239 a Abs. 4 Satz 1 StGB zu erörtern, deren Voraussetzungen nach den getroffenen Feststellungen nicht fern liegen, da der Angeklagte die Nebenklägerin durch ihre Freilassung unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in ihren Lebenskreis hat zurückgelangen lassen. Die für diese Tat verhängte Einsatzstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe war deshalb aufzuheben.
3. Die Aufhebung der Einsatzstrafe im Fall II. 7 der Urteilsgründe sowie der zu Fall II. 3 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe von sechs Monaten zieht die Aufhebung des Gesamtstrafe nach sich. Die Aufhebung der Einsatzstrafe nötigt nicht zur Aufhebung der übrigen sehr milde bemessenen Einzelstrafen. Der Senat schließt ein Beruhen aus, zumal das Landgericht im Fall II. 9 der Urteilsgründe eine besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB rechtsfehlerhaft nicht geprüft hat. Es lag hier zumindest nicht fern, dass es sich bei der vom Angeklagten bei der Tat als Werkzeug verwendeten Salami aufgrund ihrer konkreten Beschaffenheit und Verwendung um ein gefährliches Werkzeug handelte (vgl. BGHSt 46, 225, 228; NStZ-RR 2003, 202). Der Angeklagte ist zudem nicht dadurch beschwert, dass das Landgericht ihn in Fall II. 11 der Urteilsgründe lediglich nach § 223 StGB verurteilt und keine Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen hat. Das Landgericht hat bei der Verneinung der schutzlosen Lage übersehen, dass die Nebenklägerin, die wegen der vorangegangenen Gewalthandlungen eine Gegenwehr für aussichtslos hielt und nur noch darauf bedacht war, ihr ungeborenes Kind vor Schaden zu bewahren, in der konkreten Situation, in der sie sich mit dem Angeklagten allein in dessen Wohnung befand und auf keine Hilfe von Dritten hoffen konnte, den drohenden Gewalthandlungen des Angeklagten schutzlos ausgeliefert war (vgl. Fischer, StGB 55. Auflage § 177 Rdn. 27 ff.). Schließlich beschwert es den Angeklagten auch nicht, dass das Landgericht in Fall II. 10 der Urteilsgründe nur § 223 StGB und § 239 StGB ausgeurteilt und nicht erörtert hat, ob die Voraussetzungen einer versuchten schweren Brandstiftung nach § 306 a Abs. 2 StGB vorlagen. Dies lag unter dem Gesichtspunkt, dass das von dem Angeklagten gelegte Feuer von der Gardine auf das Gebäude hätte übergreifen können, nicht fern.
4. Auch der Maßregelausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie die Revision zu Recht rügt, hätte der Angeklagte in der Hauptverhandlung gemäß § 265 Abs. 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in Betracht kommt, da weder die Anklageschrift noch der Eröffnungsbeschluss einen Hinweis auf die Möglichkeit einer solchen Anordnung enthielt (vgl. BGHSt 18, 288, 289; StV 1988, 329). Der Hinweis wurde auch nicht dadurch entbehrlich, dass der zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige die Anordnung der Maßregel ausdrücklich empfohlen hat; die Einführung allein durch eine Beweisperson reicht nicht aus (BGH, NStZ-RR 2002, 271; 2004, 297 f.). Ebenso wenig kann die Pflicht des Gerichts zu einem rechtlichen Hinweis durch den Schlussantrag des Staatsanwalts oder durch die Erörterung der bloßen Möglichkeit einer Maßregelanordnung erfüllt werden (BGH, StV 1988, 329; NStZ 1998, 529, 530). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte bei prozessordnungsmäßigem Verfahrensablauf anders verteidigt hätte.
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf daher insgesamt der Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dieser wird dabei die nunmehr nach dem Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom (BGBl. I S. 1327) geltende Rechtslage, insbesondere im Hinblick auf die Anordnung eines - gegebenenfalls teilweisen - Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor der Maßregel nach § 67 Abs. 2 StGB, zu berücksichtigen haben.
5. Damit ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung gegenstandslos.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAC-79750
1Nachschlagewerk: nein