BFH Beschluss v. - II S 24/07 (PKH)

Prozesskostenhilfe: Verstoß gegen das Gebot wirksamen Rechtsschutzes wegen überlanger Verfahrensdauer

Gesetze: FGO § 142, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, GG Art. 19 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision (§ 116 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) gegen das durch das seine Klage gegen die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer (Bescheide vom und ) teilweise als unzulässig, gegen die Ablehnung eines Erlasses aus Billigkeitsgründen (Bescheid vom ) sowie gegen die Ablehnung der Stundung (Bescheid vom ) durch den Beklagten (Finanzamt —FA—) als unbegründet abgewiesen worden ist.

II. Der Antrag auf PKH ist unbegründet.

1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. z.B. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 142 Rz 39, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—).

Wird PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird —wie hier— nicht zugleich innerhalb der Rechtsmittelfrist durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person oder Gesellschaft (vgl. § 62a FGO) Revision oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, dass dem Antragsteller wegen unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (zur Wiedereinsetzung trotz Verstreichens der Jahresfrist gemäß § 56 Abs. 3 FGO vgl.  (PKH), BFH/NV 2005, 1350). Das ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist (vgl. hierzu  (PKH), BFHE 208, 26, BStBl II 2005, 139) alle erforderlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag schafft. Insbesondere muss er das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel —in zumindest laienhafter Weise— darstellen (vgl. § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO; ständige Rechtsprechung, vgl. m.w.N. z.B. BFH-Beschlüsse vom X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949; vom III S 15/00, BFH/NV 2001, 1270).

Nach diesen Maßstäben kann dem Antragsteller PKH nicht bewilligt werden, weil die von ihm angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Den —umfangreichen— Ausführungen des Antragstellers lässt sich nichts entnehmen, was die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtsreich erscheinen lassen könnte. Denn dieses Vorbringen lässt Gründe, die nach § 115 Abs. 2 FGO zur Zulassung der Revision gegen das vorgenannte Urteil des FG führen könnten, nicht erkennen.

2. Die Rüge, der Ablehnungsantrag des Antragstellers sei vom FG zu Unrecht zurückgewiesen worden, so dass das Urteil an einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) leide, greift nicht durch. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 128 Abs. 2 FGO). Damit unterliegen sie grundsätzlich auch nicht der Beurteilung in einem Revisionsverfahren (§ 124 Abs. 2 FGO); Gleiches gilt für das Beschwerdeverfahren.

Dies schließt es jedoch nicht aus, im Zusammenhang mit der unzutreffenden Behandlung eines Ablehnungsantrags die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter zu rügen. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) greift indes nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Erfolg, wenn der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 79/05, BFH/NV 2006, 1622, und vom III B 51/02, BFH/NV 2003, 640). Dafür ist in dieser Sache nichts erkennbar.

3. Auch die Rüge überlanger Verfahrensdauer kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die Ausführungen des Antragstellers lassen keinen Verstoß gegen das Gebot wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erkennen. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn die Verfahrensdauer auf Umständen beruht, die der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden können und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 178/06, BFH/NV 2007, 1073; vom II B 141/05, BFH/NV 2006, 2296). Im Übrigen sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass bei einer kürzeren Verfahrensdauer das FG zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom XI B 85/99, BFH/NV 2000, 1364).

Der Antragsteller kann sich bei der Rüge einer überlangen Verfahrensdauer auch nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) berufen. Die Artikel der MRK kommen wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Besteuerung nicht zur Anwendung (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2007, 474).

4. Soweit der Antragsteller meint, die Auslegung der §§ 222 und 227 der Abgabenordnung durch das FG sei fehlerhaft, stellt dies allein keinen Zulassungsgrund dar. Auch ein ggf. materiell rechtsfehlerhaftes Urteil —wofür vorliegend im Übrigen bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte bestehen— kann nur unter den engen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO, nämlich bei grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), zur Zulassung der Revision führen. Es liegt im Streitfall erkennbar keine grundsätzliche Bedeutung vor. Die Rechtsfragen, unter welchen Voraussetzungen Billigkeitserlass bzw. Stundung zu gewähren sind (vgl. etwa m.w.N. , BFH/NV 2001, 1362) und in welchem Umfang Ermessensentscheidungen der gerichtlichen Überprüfung unterliegen (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 102 Rz 2, m.w.N.), sind durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt und nicht mehr klärungsbedürftig; das FG hat seiner Entscheidung die Grundsätze dieser Rechtsprechung zu Grunde gelegt. Es sind keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die zu einer erneuten Prüfung der Rechtsfragen Anlass geben könnten. Die Bedeutung der Sache erschöpft sich in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Der erfolglose Antrag auf PKH löst keine Gerichtsgebühren aus.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1176 Nr. 7
GAAAC-79280