BFH Beschluss v. - II B 94/07

Abgrenzung eines Pkw von einem Kraftomnibus als anderes Fahrzeug

Gesetze: KraftStG § 8 Nr. 2, KraftStG § 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Auf den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist seit dem ein Toyota Land Cruiser HZJ75 mit dem amtlichen Kennzeichen . (Fahrzeug-Ident-Nr. .) zugelassen. Laut dem letzten vorliegenden Fahrzeugschein vom , in welchem das Fahrzeug als „PKW geschlossen” qualifiziert wird, weist das Fahrzeug u.a. die folgenden Merkmale auf: Dieselantrieb, Leergewicht 2 310 kg, zulässiges Gesamtgewicht 3 035 kg, Erstzulassung in Deutschland am . In der Rubrik „Bemerkungen” wird zur Sitzplatzzahl angemerkt: „auch 2 od. 4, hinten nur 1 Sitzbank seitl. rechts/links zu besetzen”. In den Bemerkungen wird ferner darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug technisch ein Kombinationskraftwagen sei. Laut Beiblatt zum Fahrzeugbrief/Fahrzeugschein ist es der Klasse AF im Sinne der EG-Richtlinie 70/156 des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt (70/156/EWG) i.d.F. der EG-2001/116 vom (2001/116/EG) zuzurechnen. Ausweislich eines Schreibens der Toyota Deutschland GmbH vom hat das streitgegenständliche Fahrzeug nach der Angabe des Herstellers eine Sitzplatzzahl von „6, je nach Ausf.”. Aus dem Schreiben geht hervor, dass Fahrzeuge des Typs Toyota Land Cruiser, Feintyp HZJ75LV-MR nicht in die Bundesrepublik Deutschland importiert wurden. Demzufolge seien auch keine Gutachten, welche als Grundlage für die Zulassung zum öffentlichen Straßenverkehr dienten, für diese Fahrzeugversion erstellt worden. Im TÜV-Gutachten zur Erlangung der Betriebserlaubnis vom wird das Fahrzeug als „PKW geschlossen” beschrieben und die Zahl der Sitzplätze einschließlich Führerplatz und Notsitz mit 6 angegeben. Entsprechend wird auch in den beiden älteren Fahrzeugscheinen vom und vom die Zahl der Sitzplätze jeweils mit 6 angegeben.

Mit Bescheid vom setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Kraftfahrzeugsteuer mit Wirkung vom gemäß § 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) nach dem Hubraum auf jährlich 1 398 € gegenüber bislang jährlich 185 € fest. Der Antragsteller legte gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid mit Schreiben vom Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Am stellte er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV), den das FA mit Bescheid vom zurückwies.

Mit seinem am beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Antrag auf AdV macht der Antragsteller geltend, dass das streitgegenständliche Fahrzeug auch über den hinaus kraftfahrzeugsteuerrechtlich als anderes Fahrzeug i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG nach dem Gewicht zu besteuern sei. Die Anzahl der objektiv vorhandenen und auch nach dem Herstellerkonzept vorgesehenen Sitzplätze betrage 12. Insbesondere sei das Fahrzeug des Antragstellers kein Fahrzeug der Klasse M1 im Sinne des Anhangs II der EG-Richtlinie 70/156/EWG. Auch nach dem vom Bundesfinanzhof (BFH) für maßgeblich erachteten § 4 Abs. 4 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ergebe sich, dass ein Fahrzeug mit objektiv mehr als 9 Sitzplätzen kein Personenkraftwagen (PKW) sei. Schon deshalb scheide eine Hubraumbesteuerung nach § 8 Nr. 1 KraftStG aus.

Das FG hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Bescheids vom über Kraftfahrzeugsteuer zur Kraftfahrzeugsteuernummer . insoweit auszusetzen, als dem Bescheid für die Zeit ab dem eine höhere Jahressteuer als 185 € zugrunde gelegt und für die danach folgenden Zeiträume festgesetzt wird.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom zur Kraftfahrzeugsteuernummer . ist nicht auszusetzen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder —was vorliegend nicht in Betracht kommt— seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 148/05, BFH/NV 2006, 1627, m.w.N.; vom IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351).

2. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom , insbesondere der Behandlung des Fahrzeugs des Antragstellers als PKW.

a) Bei dem Fahrzeug handelt es sich nicht um einen Lastkraftwagen (LKW). Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gilt auch für Kraftfahrzeuge mit —wie im Streitfall— einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kraftfahrzeugs zu beurteilen ist, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt (vgl. , BFH/NV 2007, 1352, m.w.N.).

Hierzu ist unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale die objektive Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs zu bewerten. Als für die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen sind z.B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers. Kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Kraftfahrzeugs kann dabei als von vornherein alleinentscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen Merkmalen ein besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als PKW oder LKW nahelegen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 1351; vom IX B 221/06, BFH/NV 2007, 1714; vom VII B 209/06, nicht veröffentlicht —n.v.—; vom VII B 96/06, BFH/NV 2007, 783; vom VII B 263/06, BFH/NV 2007, 766; vom VII B 136/06, BFH/NV 2007, 773; vom VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721; nunmehr mit Wirkung ab dem klargestellt —vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1352— durch § 2 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Sätze 2, 3 KraftStG i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom , BGBl I 2006, 3344; s. dazu auch BTDrucks 16/3314, S. 7).

Der Senat folgt der Einschätzung des FG, dass im Streitfall vor allem das Verhältnis der Gesamtnutzfläche des Fahrzeugs zur Ladefläche (weniger als 50 v.H.) sowie die geringe Zuladungsmöglichkeit von nur 23,89 v.H. gegen das Vorliegen eines LKW spricht.

b) Bei dem Fahrzeug des Antragstellers handelt es sich auch nicht um ein anderes Fahrzeug i.S. des § 8 Nr. 1 bzw. 3 KraftStG, sondern um einen PKW.

Das KraftStG enthält keine eigenständigen Definitionen der Kraftfahrzeugarten. Ob ein Fahrzeug als der Hubraumbesteuerung unterliegender PKW anzusehen ist (§ 8 Nr. 1 KraftStG), richtet sich nach dem Verkehrsrecht. Denn die Bedeutung der im KraftStG verwendeten verkehrsrechtlichen Begriffe bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG grundsätzlich nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften. Zu diesen gehörte bis zu seiner Aufhebung mit Wirkung ab auch § 23 Abs. 6a StVZO, der Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen und Gütern geeignet und bestimmt sind (sog. Kombinationskraftwagen), bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t den PKW zuordnete. Der Begriff des PKW ist jedoch dem deutschen Recht über diese Vorschrift hinaus geläufig und hat eben die Bedeutung, die ihm die ständige Rechtsprechung des BFH im Anschluss an jene Vorschrift beigelegt hat. Eine Bestätigung dieser Rechtsprechung findet sich in den Bestimmungen des PBefG (, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72). Nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG sind PKW solche Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind. Diese Definition ist maßgebend für die Einordnung eines Kraftfahrzeugs als PKW (BFH-Beschluss in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721).

c) Ob ein Kraftfahrzeug i.S. von § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt ist, richtet sich nach der Zahl der Sitzplätze, die für die Beförderung nach Bauart und Ausstattung zur Verfügung stehen (, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom VII R 115/97, BFH/NV 1998, 1264; vom VII R 118/91, BFHE 169, 468, BStBl II 1993, 250; arg. § 3 Nr. 6 KraftStG; § 30d Abs. 1 StVZO; § 9 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr; § 6 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr; in diesem Sinne —Fahrgastplätze— schon , BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747, und Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom , BTDrucks 8/1679, 19). Es muss sich hierbei um Sitzplätze handeln, die den Voraussetzungen für die Zulassung des Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen (§ 16 StVZO) genügen.

Die danach für die Besteuerung maßgebliche Zahl der Sitzplätze zur Abgrenzung eines PKW von einem Kraftomnibus als anderem Fahrzeug i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG ist von der Zulassungsstelle zu ermitteln und festzustellen. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG, wonach für die Beurteilung anderer Besteuerungsgrundlagen technischer Art die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich sind. Um solche Feststellungen handelt es sich bei der Ermittlung der Zahl der Fahrgastplätze; denn die Finanzbehörden selbst sind regelmäßig nicht in der Lage zu beurteilen, ob ein Fahrzeug den jeweils maßgebenden technischen und verkehrsrechtlichen Anforderungen entspricht. Für Sitzplätze ist dies nach Maßgabe des § 35a StVZO in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen verkehrsrechtlichen Vorschriften zu ermitteln und wird in den von der Zulassungsstelle ausgestellten Kraftfahrzeugpapieren eingetragen und damit verbindlich festgelegt. Denn die Kraftfahrzeugpapiere (Kraftfahrzeugschein und -brief) enthalten die Daten, auf deren Grundlage die Allgemeine Betriebserlaubnis für das Kraftfahrzeug (§ 20 StVZO) erteilt ist, auf die sich die Zulassung des Fahrzeuges gründet. Die verkehrsrechtlich zulässige Zahl der Sitzplätze ist folglich im Allgemeinen für die Abgrenzung eines PKW von einem Kraftomnibus als anderem Fahrzeug i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG der Kraftfahrzeugbesteuerung so zugrunde zu legen, wie sie sich aus den Kraftfahrzeugpapieren ergibt. Die tatsächliche Zahl der Sitzplätze ist steuerrechtlich ohne Belang, solange sie nicht von der Zulassungsstelle festgestellt ist (vgl. ebenso und zum zulässigen Gesamtgewicht , BFHE 185, 511, BStBl II 1998, 487, m.w.N.).

d) Bei der Bestimmung, wie viele Sitzplätze im oben genannten Sinne vorliegen, kann nicht auf die Begriffsbestimmung nach Anhang II Abschn. C Nr. 1 der Richtlinie 70/156/EWG i.d.F. der Richtlinie 2005/66/EG zurückgegriffen werden. Denn den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sind keine für die Mitgliedstaaten als verbindlich anzusehenden Festlegungen hinsichtlich der Einteilung von Kraftfahrzeugen für die Zwecke der Erhebung von Kraftfahrzeug- und Zulassungssteuern zu entnehmen. Maßgebend ist vielmehr das nationale Recht der einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. , BFHE 215, 568, BStBl II 2007, 338, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 1351; in BFH/NV 2007, 783; in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721; vom VII B 69/06, n.v.).

Soweit das KraftStG in § 2 Abs. 2a KraftStG nunmehr auf die Richtlinie 70/156/EWG i.d.F. der Richtlinie 2005/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 309, 37) verweist, kommt es zwar auf den gemeinschaftsrechtlichen Begriff des Sitzplatzes gemäß Anhang II Abschn. C Nr. 1 der Richtlinie 70/156/EWG i.d.F. der Richtlinie 2005/66/EG zunächst nur mit Blick auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG an. Selbst wenn man davon ausginge, dass das streitgegenständliche Kraftfahrzeug über zwölf Sitzplätze im vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Sinne verfügte, ist dessen Tatbestand im Streitfall aber nicht erfüllt. Weder ist die Voraussetzung des Buchst. a des Abschn. C Nr. 1 noch die Lastenklausel gemäß Buchst. b des Abschnitts erfüllt. Da somit für das Kraftfahrzeug der letzte Satz von Abschn. C Nr. 1 nicht greift, wonach ein Fahrzeug, das die Voraussetzungen der Buchst. a) und b) erfüllt, nicht als Fahrzeug der Klasse M1 gilt, ist kein Fall des § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG gegeben. Danach wäre wiederum nach den oben genannten allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob das Kraftfahrzeug ein PKW ist und auf den dort maßgeblichen Begriff eines Sitzplatzes.

e) Danach bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass es sich bei dem Fahrzeug des Antragstellers um einen PKW handelt. Nach den Feststellungen der Zulassungsstelle verfügt das Fahrzeug nur über sechs Sitzplätze. Es ist unerheblich, dass auf den beiden Sitzbänken tatsächlich möglicherweise mehr als sechs Personen Platz finden; auf die tatsächliche Verwendung kommt es nämlich nicht an (, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489).

Soweit der Antragsteller sich auf § 21 der Straßenverkehrsordnung beruft, übersieht er, dass die Regelung über die Gurtpflicht an zulassungsrechtlichen Vorschriften entsprechende Sitzplätze anknüpft und nicht an die Zahl der Personen, die tatsächlich Platz finden.

Auch der Behauptung des Antragstellers, nach dem Herstellerkonzept seien mehr Sitzplätze vorgesehen, kommt insoweit keine Bedeutung zu. Sie sind jedenfalls von der Zulassungsstelle nicht festgestellt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1204 Nr. 7
ZAAAC-79278