BGH Beschluss v. - II ZR 298/05

Leitsatz

[1] Die Forderung der Hausbank, ein bestimmtes Vorstandsmitglied abzuberufen, andernfalls eine für die Aktiengesellschaft lebenswichtige Kreditlinie nicht verlängert werde, ist jedenfalls bei bestehender Insolvenzreife der Gesellschaft ein wichtiger Grund für eine Abberufung i.S. des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG.

Gesetze: AktG § 84 Abs. 3 Satz 1

Instanzenzug: LG München II 1 HKO 4535/04 vom 26.01.2005OLG München 23 U 1949/05 vom

Gründe

1. Die Rechtsfrage, wegen der das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch sind sonstige Revisionszulassungsgründe erfüllt.

Ein wichtiger Grund, aus dem der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG abberufen kann, liegt nach ganz herrschender Meinung dann vor, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist (vgl. etwa Hüffer, AktG 7. Aufl. § 84 Rdn. 26). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen (Sen.Urt. v. - II ZR 131/61, WM 1962, 811, 812). Ob die Forderung einer finanzierenden Bank, ein bestimmtes Vorstandsmitglied abzuberufen, andernfalls eine für die Gesellschaft lebenswichtige Kreditlinie nicht verlängert werde, einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, ist danach keine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, sondern kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden.

2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Dabei kann offen bleiben, ob durch den Beschluss des Aufsichtsrats vom die Prozessführung genehmigt und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine wirksame Prozessvollmacht erteilt worden ist. Denn etwaige Mängel sind jedenfalls durch den nachfolgenden Aufsichtsratsbeschluss vom 29./ rückwirkend geheilt worden. Dieser Beschluss ist von drei Aufsichtsratsmitgliedern gefasst worden, und keine dieser Personen unterlag einem Stimmverbot.

b) Auch in der Sache ist dem Berufungsgericht zu folgen. Anders als in der von der Revision herangezogenen Entscheidung des Senats BGHZ 34, 392 geht es hier nicht um die Kündigung des Anstellungsvertrags des Vorstandsmitglieds, sondern um den Widerruf seiner Bestellung zum Organmitglied. Die Annahme des Berufungsgerichts, angesichts der Insolvenzreife der Beklagten am 20./ habe die Weigerung der D. Bank, ohne vorherige Abberufung des Klägers die Kreditlinie zu verlängern, einen wichtigen Grund i.S. des § 84 AktG dargestellt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt der Abberufung war bereits Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. In dieser Situation hatte der Aufsichtsrat keine andere Möglichkeit, als auf das Verlangen der Bank einzugehen, wollte er nicht den Untergang der Gesellschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens riskieren.

Ob die D. Bank ihre Drohung ernst gemeint hat, ist entgegen der Auffassung der Revision im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Bei der Überprüfung der Abberufung kommt es allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Aufsichtsrats zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung an. Dazu hat das Berufungsgericht festgestellt, dass dem Aufsichtsrat zu jenem Zeitpunkt ein möglicher abweichender Wille der Bank nicht bekannt oder erkennbar war. Die Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf. Der bloße Umstand, dass die Kredite der D. Bank ungesichert waren, lässt noch nicht zwingend auf einen entsprechenden Willen der Bank schließen, die Kreditlinien auch bei einem Verbleib des Klägers im Vorstand zu verlängern.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
AG 2007 S. 125 Nr. 4
DB 2007 S. 158 Nr. 3
HFR 2007 S. 597 Nr. 6
NJW-RR 2007 S. 389 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2007 S. 332
WM 2007 S. 164 Nr. 4
ZIP 2007 S. 119 Nr. 3
UAAAC-79245

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja