BGH Urteil v. - VIII ZR 42/07

Leitsatz

[1] Der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung vom (Milchabgabenverordnung) für die Übernahme der Anlieferungs-Referenzmenge vom ehemaligen Pächter an den ehemaligen Verpächter zu zahlende Betrag in Höhe von 67 % des maßgeblichen Gleichgewichtspreises ist ein Bruttopreis, der die Umsatzsteuer bereits enthält.

Gesetze: MilchAbgV (2000) § 12 Abs. 3 Satz 3

Instanzenzug: LG Verden, 5 O 488/05 vom OLG Celle, 7 U 119/06 vom

Tatbestand

Die Beklagte führt einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem Milch erzeugt wird. Sie hatte im Jahr 1999 vom Kläger eine Anlieferungs-Referenzmenge ("Milchquote") von 148.815 kg gepachtet. Nach Auslaufen des Pachtvertrages zum machte die Beklagte von ihrem Übernahmerecht gemäß § 12 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung (Milchabgabenverordnung) vom (BGBl. I S. 27; damaliger Titel: Zusatzabgabenverordnung) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 2143; im Folgenden: MilchAbgV 2000) Gebrauch. Sie zahlte dafür an den Kläger 67 % des von der zuständigen Milchverkaufsstelle ermittelten Gleichgewichtspreises von 0,39 €/kg, insgesamt 38.885,36 €.

Mit der Klage verlangt der Kläger zusätzlich die Zahlung von 16 % Umsatzsteuer (6.221,66 €) nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Erteilung einer den Umsatzsteuerbetrag ausweisenden Rechnung; außerdem begehrt der Kläger die Zahlung vorgerichtlicher Kosten nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils anstrebt.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht (OLG Celle, AUR 2007, 131) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Zwar handele es sich bei der Übernahme der Anlieferungs-Referenzmenge durch den ehemaligen Pächter um ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft für den Verpächter, soweit dieser Unternehmer sei. Die Ausübung des Übernahmerechts gemäß § 12 Abs. 3 MilchAbgV 2000 gegen Entgelt sei nicht anders zu behandeln als der Verkauf der Milchquote, der seit jeher umsatzsteuerpflichtig sei. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterlägen Lieferungen und sonstige Leistungen eines Unternehmers auch dann der Umsatzsteuer, wenn sie aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung erbracht würden.

Dennoch könne der Kläger über das gezahlte Entgelt keinen weiteren Betrag als Mehrwertsteuer beanspruchen, denn bei den geleisteten 38.885,36 € handele es sich um einen Bruttopreis einschließlich Mehrwertsteuer.

Allgemein gelte der Grundsatz, dass bei Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen die Mehrwertsteuer ein unselbständiger Bestandteil des vereinbarten Entgelts sei, der vereinbarte Preis sich mithin als Bruttopreis (Endpreis) darstelle und die Mehrwertsteuer nicht gesondert beansprucht werden könne. Vorliegend habe sich der Ankaufspreis nach dem Gleichgewichtspreis im Sinne des § 10 MilchAbgV 2000 bestimmt, bei dem es sich ebenfalls um einen Endpreis (Bruttopreis) handele. Der Gleichgewichtspreis werde unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer aus den Angeboten der die Referenzmengen anbietenden Landwirte ermittelt. Da die Andienung der Referenzmenge an die Verkaufsstelle der Umsatzsteuer unterliege, hätten die Landwirte in ihren Angeboten gegenüber der Verkaufsstelle das verlangte Entgelt als Bruttobetrag anzugeben. Der so ermittelte Gleichgewichtspreis werde nach der derzeitigen Praxis der Finanzverwaltung nicht mit einer zusätzlichen Umsatzsteuer belegt.

Soweit die Ergebnisse der "Milchquotenbörsen" mit dem Hinweis "Preise ohne Mehrwertsteuer" veröffentlicht würden, sei dies nur dahin zu verstehen, dass von der Verkaufsstelle keine Mehrwertsteuer erhoben werde oder gesondert ausgewiesen werden könne; für die Preisgestaltung sei dieser Hinweis unbedeutend.

II.

Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf zusätzliche Zahlung des Umsatzsteuerbetrages verneint. Deshalb steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Geltendmachung dieser Forderung nicht zu.

1. Der Streitfall ist noch nach der Milchabgabenverordnung vom (aaO) zu beurteilen. Diese Verordnung ist zwar gemäß § 57 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung (Milchabgabenverordnung) vom (BGBl. I S. 295; im Folgenden: MilchAbgV 2007) am außer Kraft getreten. Im vorliegenden Fall ist das Übernahmerecht von der Beklagten aber bereits im Jahr 2005 geltend gemacht worden, sodass gemäß § 56 Abs. 1 MilchAbgV 2007 noch die Milchabgabenverordnung aus dem Jahr 2000 zur Anwendung kommt.

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Übernahme der Anlieferungs-Referenzmenge gemäß § 12 Abs. 3 MilchAbgV 2000 um einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang handelt.

a) Referenzmengen stellen öffentlich-rechtliche Abgabevergünstigungen dar, weil sie das Recht beinhalten, im Rahmen der zugeteilten Menge Milch abgabenfrei anzuliefern (BGHZ 114, 277, 280 f.; BVerwGE 92, 322, 326). Durch den Übergang der Referenzmenge wird die Inhaberschaft an dieser öffentlich-rechtlichen Befugnis übertragen. Das stellt eine sonstige Leistung im Sinne der § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG dar (Busse, AUR 2006, 229). Aufgrund der Zahlungspflicht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 handelt es sich um eine entgeltliche Leistung. Der Kläger ist als Landwirt auch Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG (Bunjes/Geist/Heidner, UStG, 8. Aufl., § 2 Rdnr. 5).

Eine umsatzsteuerpflichtige Leistung ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Übernahme der Referenzmenge nicht auf einer freiwilligen Entscheidung des ehemaligen Verpächters beruht, sondern auf der einseitigen Ausübung des Übernahmerechts durch die Beklagte. Denn die Steuerbarkeit entfällt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird.

b) Die Annahme eines steuerbaren Umsatzes steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Finanzgerichte und dem Schrifttum. Ungeklärt und umstritten ist lediglich die Frage, ob die von den Bundesländern nach § 8 Abs. 2 MilchAbgV 2000 eingerichteten Verkaufsstellen ("Milchquotenbörsen"), die - von Ausnahmefällen wie unter anderem dem hier zu beurteilenden Fall des § 12 Abs. 3 MilchAbgV 2000 abgesehen - für die Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen (regulierte entgeltliche Übertragung nach §§ 8 bis 11 MilchAbgV 2000) zuständig sind, dabei unternehmerisch tätig werden und eine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringen, sodass sie gemäß § 14 UStG eine die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung ausstellen müssten (so das FG München, AUR 2005, 208; nachfolgend Beschluss des BFH zur Vorlage an den EuGH, BFHE 213, 436, und - Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz, juris). Die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Übertragung für den Anbieter der Referenzmenge wird durch diese Entscheidungen nicht infrage gestellt. Soweit in der Literatur zur Milchabgabenverordnung 2000 eine Umsatzsteuerpflicht für die Tätigkeit der Verkaufsstellen verneint wird (Stephany, AUR 2004, 240, 244 f.; Busse, aaO, S. 237), bezieht sich das nicht auf den Anbieter der Referenzmenge. Vielmehr heißt es dort eindeutig, dass die Veräußerung einer Milchreferenzmenge einen steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustausch darstelle (Stephany, aaO, S. 240; Busse, aaO, S. 229).

Dies gilt erst recht für den Übergang der Referenzmenge gemäß § 12 Abs. 3 MilchAbgV 2000, der ohne Einschaltung einer Verkaufsstelle durch unmittelbaren Leistungsaustausch zwischen ehemaligem Verpächter und ehemaligem Pächter erfolgt. Ob der Kläger dafür als Landwirt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Jahr 2005 geltenden Fassung nur 9 % Umsatzsteuer abzuführen hat, wie das Berufungsgericht meint, oder ob er insoweit der Regelbesteuerung (seinerzeit 16 %, jetzt 19 %) unterliegt, wie die Revision geltend macht (vgl. BFHE 208, 73), bedarf keiner Entscheidung.

3. Denn das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 für die Übernahme der Referenzmenge zu zahlende Betrag in Höhe von 67 % des maßgeblichen Gleichgewichtspreises ein Bruttopreis ist, der die Umsatzsteuer bereits enthält.

a) Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang allerdings die Rechtsprechung, nach der die anfallende Umsatzsteuer beim Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen grundsätzlich ein unselbständiger Bestandteil des vereinbarten bürgerlich-rechtlichen Entgelts ist, weshalb die wider Erwarten des Leistenden anfallende Umsatzsteuer nicht später vom Leistungsempfänger nachgefordert werden kann (BGHZ 103, 284, 287; , WM 2000, 915, unter II 1, jeweils m.w.N.). Denn im vorliegenden Fall geht es nicht um einen von den Parteien vereinbarten Preis. Der von der Beklagten zu zahlende Betrag wird ausschließlich durch § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 bestimmt. Eine nach § 12 Abs. 3 Satz 4 MilchAbgV 2000 grundsätzlich mögliche Einigung auf einen niedrigeren Preis ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den Parteien nicht getroffen worden.

b) Die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Frage ist somit ausschließlich anhand der Milchabgabenverordnung 2000 und der dieser zugrunde liegenden Vorschriften zu beantworten. Danach ist der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 zu zahlende Betrag ein die Umsatzsteuer enthaltender Bruttopreis.

aa) Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 MilchAbgV 2000 ist der Pächter verpflichtet, dem Verpächter innerhalb von 14 Tagen nach Ausübung des Übernahmerechts einen Betrag in Höhe von 67 % des Gleichgewichtspreises, der an dem dem Zeitpunkt der Rückgewähr vorangegangenen Übertragungstermin ermittelt worden ist, zu zahlen. Der Satz von 67 % korrespondiert damit, dass bei Beendigung eines Pachtvertrages ohne Ausübung des Übernahmerechts durch den Pächter nach § 12 Abs. 2 Satz 1 MilchAbgV 2000 ein Anteil von 33 % der an den Verpächter zurückgewährten Anlieferungs-Referenzmenge zugunsten der Reserve des Landes, in dem der Betriebssitz des Pächters liegt, eingezogen wird (vgl. BR-Drs. 577/99, S. 32). § 12 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 MilchAbgV 2000 bestimmt, dass bei Pachtverträgen, die zum 31. März enden, der Gleichgewichtspreis des darauf folgenden Übertragungstermins maßgeblich ist. Da der Pachtvertrag im vorliegenden Fall am endete, ist der von der Beklagten zu zahlende Preis zutreffend nach dem für den Übertragungsbereich N. und B. zum ermittelten Gleichgewichtspreis von 0,39 €/kg gebildet worden (0,39 € x 148.815 kg x 67 % = 38.885,36 €).

Der Gleichgewichtspreis wird gemäß § 10 MilchAbgV 2000 von der Verkaufsstelle nach § 8 Abs. 2 MilchAbgV 2000 aus den für den jeweiligen Übertragungstermin (1. April, 1. Juli und 30. Oktober eines jeden Kalenderjahres, § 8 Abs. 1 Satz 1 MilchAbgV 2000) bei ihr eingegangenen Angeboten der Anbieter von Anlieferungs-Referenzmengen und den Nachfragegeboten der Nachfrager von Anlieferungs-Referenzmengen gebildet. Die Angebote und Nachfragegebote müssen unter anderem den auf einen Standardfettgehalt von vier vom Hundert bezogenen Preis je Kilogramm Anlieferungs-Referenzmenge, den der Anbieter mindestens erzielen will bzw. den der Nachfrager höchstens zu zahlen bereit ist, enthalten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 MilchAbgV 2000).

bb) Die Milchabgabenverordnung 2000 regelt nicht ausdrücklich, ob die Angebote die anfallende Umsatzsteuer zu umfassen haben. Auch aus der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. EG Nr. L 160 S. 73) ergibt sich insoweit nichts. Durch diese Verordnung wurde - im Wege der Änderung von Art. 8 und der Einführung von Art. 8a der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 - die rechtliche Grundlage für die Neuordnung der Übertragung von Referenzmengen geschaffen, die in Deutschland durch die Milchabgabenverordnung 2000 umgesetzt wurde. Dazu heißt es in dem der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 vorangestellten sechsten Erwägungsgrund, die Erfahrung mit der Zusatzabgaberegelung habe gezeigt, dass die Übertragung durch Rechtsgeschäfte wie Verpachtungen, die nicht unbedingt zu einer dauerhaften Zuteilung der Referenzmengen an den Empfänger führten, einen zusätzlichen Kostenfaktor für die Milcherzeugung darstellen könnten. Deshalb sollten die Mitgliedsstaaten unter anderem das Recht haben, für die Übertragung von Referenzmengen andere Möglichkeiten als individuelle Transaktionen zwischen Erzeugern vorzusehen. Steuerliche Fragen werden in der Verordnung und in den Erwägungsgründen nicht ausdrücklich angesprochen.

cc) Auch die amtliche Begründung zur Milchabgabenverordnung 2000 (BR-Drs. 577/99) enthält keine Ausführungen zu steuerlichen Fragen. Zu den Zielen der Verordnung heißt es in der Begründung, dass die Zahl der Inhaber von Milchquoten, die nicht mehr selbst produzieren, sondern ihre Milchquoten verpachtet haben, immer größer geworden sei. Die aktiven Milcherzeuger würden mit den Kosten für den Erwerb und insbesondere die Zupacht von Milchquoten zunehmend belastet. Deshalb sei es unter anderem Ziel der Verordnung, die Wettbewerbsfähigkeit der (aktiven) Milcherzeuger durch eine Kostenentlastung zu stärken. Um die Ziele zu erreichen, werde die Flächenbindung von Milchquoten für die Zeit ab dem aufgehoben. Von diesem Zeitpunkt sei kein flächengebundener Verkauf und keine flächengebundene Verpachtung von Milchquoten mehr zulässig, sondern nur noch ein flächenungebundener Verkauf, der im Interesse einer nachhaltigen Kostensenkung nur noch über sogenannte Verkaufsstellen möglich sei (BR-Drs. 577/99, S. 24 f.).

Der Bundesrat hat bei seiner Zustimmung zur Milchabgabenverordnung 2000 eine Entschließung gefasst (BR-Drs. 577/99 (Beschluss), S. 1), in der es heißt, bei dem künftig geplanten System der Milchquoten-Übertragung stehe zu befürchten, dass durch umsatzsteuerliche Folgewirkungen das wesentliche Ziel der Kostendämpfung für die aktiven Milcherzeuger nicht erreicht werde. Die Bundesregierung werde deshalb gebeten, Lösungsmöglichkeiten dahingehend zu erarbeiten, dass die Milcherzeuger beim Quotenerwerb über die Verkaufsstellen gegenüber dem bisherigen Zustand nicht schlechter gestellt werden.

dd) Das Bundesministerium der Finanzen hat unter Bezugnahme auf diese Entschließung und andere parlamentarische Vorgänge mit Schreiben vom (IV B 7-S 7410-23/00) zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Übertragung von Milchquoten durch Verkaufsstellen mitgeteilt:

"Ausgehend davon, dass kein Eigenhandel bei der Qualifizierung der Tätigkeit der Verkaufsstellen vorliegt, treten die Verkaufsstellen nicht als Käufer und Verkäufer auf. Ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen dem Anbieter und Nachfrager der Milchquote im Sinne der ZAbgV wird bejaht.

Soweit die Verkaufsstellen öffentlich-rechtlich organisiert sind, ist die Tätigkeit dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. (...)

Eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis über das Geschäft der Übertragung der Milchquote kann nicht ausgestellt werden, da die anonymisierte Übertragung der Quote den Anbieter sowie den Nachfrager im Sinne der ZAbgV nicht erkennen lässt. Käufer und Verkäufer kennen sich nicht. Ein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG für den Nachfrager ist nicht möglich, so dass ein wirtschaftlicher Nachteil für den regelversteuernden Land- und Forstwirt offensichtlich unvermeidbar ist."

Aus diesen Ausführungen ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, dass die Angebote zur Übertragung von Referenzmengen und damit auch der aus diesen Angeboten gebildete Gleichgewichtspreis die Umsatzsteuer enthalten. Allerdings wird dies in der Praxis angenommen und so gehandhabt (vgl. Stephany, aaO, S. 244 f.; Busse, aaO, S. 235; , juris).

ee) Die Neuregelung des Übertragungsstellenverfahrens durch die §§ 11 bis 20 MilchAbgV 2007 enthält keine ausdrückliche Bestimmung zu der Frage, ob der Gleichgewichtspreis (§ 17 MilchAbgV 2007) die Umsatzsteuer enthält. Nach der amtlichen Begründung entsprechen die §§ 11 bis 20 MilchAbgV 2007 im Wesentlichen den §§ 8 bis 11 MilchAbgV 2000. In der Begründung heißt es unter anderem (BR-Drs. 935/06, S. 50):

"Insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen gerichtlichen Verfahren um die Umsatzsteuerpflichtigkeit des Übertragungsstellenverfahrens wird die hoheitliche Funktion des Verfahrens deutlicher herausgestellt, um in Zusammenschau mit der fehlenden Wettbewerbssituation zwischen den einzelnen Übertragungsstellen keine Umsatzsteuerpflichtigkeit entstehen zu lassen (vgl. hierzu und zum Folgenden Busse, Milchquotenbörse und Umsatzsteuer, AUR 2006, 229 ff.). Dem dient auch die sprachliche Änderung von Verkaufsstellen in Übertragungsstellen."

Daraus lässt sich entnehmen, dass der Verordnungsgeber der Milchabgabenverordnung 2007 nicht nur den Ausführungen des gefolgt ist, sondern auch die von Busse (aaO) dargestellte Praxis für zutreffend hielt - einschließlich der Annahme, dass die Angebote die Umsatzsteuer enthalten müssen und es sich bei den Gleichgewichtspreisen um Bruttopreise handelt.

ff) Aus der Entstehungsgeschichte der Milchabgabenverordnung 2000 und der vor diesem Hintergrund geübten Praxis ergibt sich, dass der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 zu zahlende Betrag ein die Umsatzsteuer enthaltender Bruttopreis ist. Maßgeblich ist, wie der Gleichgewichtspreis (und diesem folgend der Betrag nach § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000) nach dem System der Milchabgabenverordnung 2000 gebildet wird. Dabei handelt es sich um einen Marktpreis, der im Rahmen eines regulierten Verfahrens gemäß §§ 8 bis 11 MilchAbgV 2000 durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Deshalb kommt es letztlich - wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt - darauf an, wie die Angebote und Nachfragegebote der Marktteilnehmer zu verstehen sind. Das führt zu dem Schluss, dass jedenfalls der für den Streitfall maßgebliche, zum Übertragungstermin ermittelte Gleichgewichtspreis die Umsatzsteuer enthält.

Denn nach der seit dem ständig geübten Praxis erhalten die Anbieter von Referenzmengen bei Übertragung über die Verkaufsstellen den Gleichgewichtspreis als Bruttopreis und führen aus diesem die von ihnen geschuldete Umsatzsteuer ab. Aufgrund dieser gefestigten Übung werden die Angebote der Anbieter von Referenzmengen seit Jahren so kalkuliert, dass die abzuführende Umsatzsteuer in den geforderten Preisen bereits enthalten ist. Diese Übung bestand auch schon zur Zeit der Übernahme der Referenzmenge durch die Beklagte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob (auch) die Tätigkeit der Verkaufsstellen umsatzsteuerpflichtig ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, muss das entgegen der Ansicht der Revision nicht dazu führen, dass die Umsatzsteuer bei der Übertragung auf die Nachfrager zusätzlich zum Gleichgewichtspreis anfällt oder sich der Gleichgewichtspreis entsprechend erhöht (vgl. FG München, aaO, 211). Das folgt, anders als die Revision meint, auch nicht daraus, dass die Ergebnisse der Milchquotenbörsen, das heißt, die Gleichgewichtspreise, von den Verkaufsstellen im Jahr 2005 als Preise ohne Mehrwertsteuer ausgewiesen worden sind. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, geschah dies vor dem Hintergrund des vorgenannten Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen, nach dem die Verkaufsstellen keine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis über das Geschäft der Übertragung der Milchquote ausstellen.

Die der dargestellten Praxis zugrunde liegende umsatzsteuerrechtliche Problematik besteht zwar bei der Übernahme gemäß § 12 Abs. 3 MilchAbgV 2000 nicht, weil ein unmittelbarer Leistungsaustausch stattfindet und deshalb ein Ausweis der Umsatzsteuer ohne weiteres möglich ist. Mit dem Ziel der Kostensenkung für die aktiven Milcherzeuger und dem Gleichbehandlungsgrundsatz wäre es aber nicht vereinbar, den gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 vom übernehmenden Pächter für die Referenzmenge zu zahlenden Betrag als Nettosumme anzusehen, auf die noch zusätzlich die Umsatzsteuer anfällt. Denn der ehemalige Verpächter erhält - wie ausgeführt - aufgrund der Regelung in § 12 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV 2000 für den Teil der verpachteten Referenzmenge, der ohne Ausübung des Übernahmerechts nach Ablauf des Pachtvertrages an den Verpächter zurückgewährt worden wäre (67 %), den aktuellen Gleichgewichtspreis. Das ist - unter Berücksichtigung des Anteils von 33 %, der bei der Rückgewähr zugunsten der Reserve des Landes eingezogen würde - der Preis, den er auch bei einem Angebot der verbleibenden Referenzmenge an die Verkaufsstelle erhalten würde. Ein Grund dafür, warum der Verpächter den Gleichgewichtspreis bei einer Übernahme gemäß § 12 Abs. 3 MilchAbgV 2000 anders als bei einer Übertragung der Referenzmenge über die Verkaufsstelle nicht als Brutto-, sondern als Nettobetrag erhalten und zusätzlich daraus berechnete Umsatzsteuer sollte verlangen können, ist nicht ersichtlich.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 319 Nr. 4
DNotZ 2008 S. 760 Nr. 10
HFR 2008 S. 1188 Nr. 11
MAAAC-78776

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja