BGH Urteil v. - 4 StR 651/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 27 Abs. 2 Satz 2; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 242 Abs. 1; StPO § 265 Abs. 1; StPO § 354 Abs. 1; BtMG § 29 a Abs. 1; BtMG § 29 a Abs. 2

Instanzenzug: LG Bielefeld, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten Revision eingelegt, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Sie wendet sich mit der Sachrüge dagegen, dass der Angeklagte nicht auch wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; außerdem beanstandet sie den Strafausspruch. Das Rechtsmittel hat lediglich zum Schuldspruch Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der gesondert verfolgte Bruder des Angeklagten betrieb einen Handel mit Betäubungsmitteln. Diese ließ er sich aus den Niederlanden nach Bielefeld liefern und verbrachte sie nach Franken, um sie dort gewinnbringend zu verkaufen. Der Angeklagte, der arbeitslos war und Kenntnis von der illegalen Tätigkeit seines Bruders hatte, erklärte sich auf dessen Bitten bereit, für diesen eine Haschischlieferung entgegenzunehmen und nach Hause zu bringen, wo sie sein Bruder zwecks Weiterverkaufs übernehmen wollte. Am traf er sich auf dem Kundenparkplatz eines Möbelhauses in Bielefeld mit dem gesondert verfolgten Rauschgiftkurier. Er stieg in dessen Fahrzeug und erhielt dort 4,88 kg Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10,3 % ausgehändigt. Nachdem er sich durch einen Blick in die Tüte über deren Inhalt vergewissert hatte, trug er diese zu seinem Fahrzeug, verstaute sie hinter dem Fahrersitz und fuhr vom Parkplatz. Unmittelbar danach wurden der Angeklagte und der Rauschgiftkurier festgenommen, da die Übergabe, von der die Ermittlungsbehörden auf Grund von TÜ-Maßnahmen Kenntnis hatten, observiert worden war.

2. Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB) verurteilt, nicht dagegen auch wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Dies beanstandet die Revision zu Recht.

Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; vgl. BGHSt 27, 380 f.; BGH NStZ-RR 1998, 148 f.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2, 4; vgl. auch Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 1378). Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht einer Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht entgegen, dass die Übergabe der Drogen von dem Kurier an den Angeklagten durch Ermittlungsbeamte observiert wurde. Wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach - allerdings ohne die Frage ausdrücklich zu thematisieren - entschieden hat, kann der Täter auch bei einem überwachten Geschäft die tatsächliche Sachherrschaft über die von ihm entgegengenommenen Betäubungsmittel erlangen (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 148 f.; ). Hier hatte der Angeklagte trotz der Überwachung nach der Übergabe noch die Möglichkeit, das Rauschgift zu dem von ihm geführten Fahrzeug zu bringen, darin zu verstauen und sodann loszufahren. Er hatte somit für einen nicht unerheblichen Zeitraum die tatsächliche Sachherrschaft. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat, von der vom Landgericht angeführten, die Frage der Gewahrsamserlangung nach § 242 Abs. 1 StGB betreffenden Entscheidung (BGH StV 1985, 323); dort erfolgte die Festnahme des Täters sofort nach Entgegennahme des Geldes.

Dass der Angeklagte den die Sachherrschaft tragenden Herrschaftswillen hatte, ergibt sich aus seiner Einlassung.

3. Da die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tragen, stellt der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch um. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sicher auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch anders als geschehen hätte verteidigen können.

4. Die Schuldspruchänderung lässt hier den Strafausspruch unberührt. Zwar hat das Landgericht die erkannte Strafe dem nach §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29 a Abs. 2 BtMG entnommen, während der täterschaftliche unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den vollen Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 bzw. Abs. 2 BtMG eröffnet. Angesichts der observierten Übergabe der Betäubungsmittel und der außerordentlich kurzen Dauer des Besitzes kann der Senat aber ausschließen, dass das Landgericht eine höhere Strafe verhängt hätte, wenn es den Angeklagten auch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hätte. Im Übrigen erachtet der Senat die erkannte Strafe auch unter Zugrundelegung des erhöhten Strafrahmens für tat- und schuldangemessen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
XAAAC-78703

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