Kommissionär, der gewerbsmäßig im eigenen Namen Produkte einer Großbäckerei vertreibt als Unternehmer i.S.v. § 2 Nr. 4 StromStG
Gesetze: StromStG § 2 Nr. 4, HGB § 383
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Großbäckerei, die ihre Produkte über Eigenfilialen und über Filialen betreibt, die sie an selbständig tätige Kommissionäre vergibt. Antragsgemäß erteilte ihr das Hauptzollamt X eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 des Stromsteuergesetzes (StromStG) zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom. Im Mai 1999 teilte die Klägerin auf Anfrage dem Hauptzollamt X mit, dass sämtliche Filialen selbständig betrieben würden. Daraufhin stufte dieses Hauptzollamt die Filialen als Unternehmen i.S. von § 2 Nr. 4 StromStG ein und stellte . Mehrstücke des Erlaubnisscheines aus. Auf eine erneute Anfrage des Hauptzollamts X teilte die Klägerin im Februar 2001 mit, dass die Kommissionäre, durch die die Filialen betrieben würden, keine selbständigen Gewerbetreibende seien. Die Filialen stellten vielmehr einen festen Bestandteil ihres Unternehmens dar. Daraufhin widerrief das Hauptzollamt X die Erlaubnis zum Bezug von steuerbegünstigtem Strom soweit diese für die steuerbegünstigte Entnahme und Verwendung von Strom in den Filialbetrieben erteilt worden war. Dabei sah es die Kommissionäre als kleinste rechtlich selbständige Einheit i.S. von § 2 Nr. 4 StromStG an.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage. In der mündlichen Verhandlung wurde der Rechtsstreit auf diejenigen Filialen beschränkt, die von selbständigen Kommissionären betrieben wurden. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der auf die streitgegenständlichen Filialen beschränkte und auf § 131 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützte Teilwiderruf der Erlaubnis zu Recht erfolgt sei. Während die Tätigkeit der Klägerin in ihrem Stammwerk der Gruppe 15.8. der Klassifikation der Wirtschaftszweige zuzuordnen sei, handele es sich bei den im Rahmen von Kommissionsverträgen den eigenverantwortlich handelnden Kommissionären überlassenen Filialen nicht um Betriebsstätten der Klägerin nach § 12 AO, sondern um eigenständige —stromsteuerrechtlich nicht begünstigte— Unternehmen, die den Strom zu eigenbetrieblichen Zwecken entnehmen würden. Die vertragliche Gestaltung könne einem Pachtverhältnis gleichgestellt werden, wobei der Klägerin die gewerbliche Tätigkeit der Pächter nicht zugerechnet werden könne.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes in seinen Filialen auch dann Strom für betriebliche Zwecke i.S. von § 9 Abs. 3 StromStG entnehme, wenn diese Filialen von Kommissionären i.S. des § 383 des Handelsgesetzbuchs (HGB) betrieben würden. Entgegen der Auffassung des FG erfolge die Entnahme des Stroms durch die Kommissionäre für betriebliche Zwecke der Klägerin, zumal nur sie mit dem Versorger einen Stromlieferungsvertrag abgeschlossen habe. Im Streitfall lasse sich im Falle einer Zulassung der Revision der stromsteuerrechtliche Entnahmebegriff klären. Die Beauftragung eines Kommissionärs sei nur eine von mehreren denkbaren Varianten; am Markt seien auch Pacht- oder Franchisemodelle etabliert. Darüber hinaus weiche das angefochtene Urteil vom Urteil (richtig: Beschluss) des (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2002, 208) ab. Ohne die Vorfrage der Entnahme zu klären, stelle das FG nur auf die Verwendung des Stroms für betriebliche Zwecke ab. In diesem Zusammenhang gehe die Annahme fehl, der Beschluss des FG Hamburg setze sich lediglich mit der Bestimmung des Letztverbrauchers i.S. von § 5 StromStG auseinander. Im Übrigen bestehe im Bundesgebiet eine uneinheitliche Verwaltungspraxis in Bezug auf die verbrauchsteuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit von Kommissionären.
Der seit dem Klageverfahren zuständige Beklagte und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) hält die Rechtslage für eindeutig und deshalb eine Zulassung der Revision nicht für geboten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder die grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage noch die behauptete Divergenz liegen vor.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes in seinen Filialen auch dann Strom für betriebliche Zwecke entnimmt, wenn diese Filialen von Kommissionären i.S. von § 383 HGB betrieben werden, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, denn sie ist so zu beantworten, wie es das FG getan hat.
a) Nach den Feststellungen des FG, gegen die die Beschwerde keine Verfahrensrügen erhoben hat, werden die Filialen der Klägerin von Kommissionären geführt, die gemäß § 383 HGB gewerbsmäßig im eigenen Namen die von der Klägerin hergestellten Produkte verkaufen. Als selbständiger Gewerbetreibender, der nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert ist, bildet jeder einzelne Kommissionär eine rechtlich selbständige Einheit. Infolgedessen ist er als Unternehmen i.S. von § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen. Wie der Senat in seinem Urteil vom VII R 41/03 (BFHE 208, 361) entschieden hat, ist für die Auslegung des Begriffes „Unternehmen des Produzierenden Gewerbes” i.S. von § 9 Abs. 3 und § 2 Nr. 3 StromStG die in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegte Definition maßgebend, nach der als Unternehmen die kleinste rechtlich selbständige Einheit anzusehen ist. Nach den Wertungen des Gesetzgebers ist auf eine rein formale Betrachtungsweise und damit auf das prägende Merkmal der rechtlichen Selbständigkeit abzustellen. Durch diesen Ansatz wird eine für den Gesetzesvollzug notwendige Kongruenz mit dem Unternehmensbegriff der Klassifikation der Wirtschaftszweige hergestellt.
Wie das FG zutreffend entschieden hat, kann die Klägerin aufgrund der stromsteuerrechtlich als eigenständig zu bewertenden Tätigkeit der Kommissionäre nicht beanspruchen, dass der in diesen Betrieben verwendete Strom ihrem eigenen Unternehmen zugeordnet wird und damit einem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
b) Bei dieser Betrachtung kommt es auf eine Klärung des in § 5 Abs. 1, § 6 und § 7 StromStG verwendeten Begriffes der Entnahme von Strom, die ein wesentliches Merkmal der in diesen Bestimmungen normierten Steuerentstehungstatbestände ist, nicht an. Denn die Frage nach der Entstehung der Stromsteuer ist unabhängig davon zu beantworten, in welchem Umfang ein Unternehmen die für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes vorgesehene Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen kann. Im Übrigen bedarf es keiner Klärung der Frage, ob ein Unternehmen, das den von einem Energieversorger bezogenen Strom nicht selbst verbraucht, sondern Vertragspartnern (z.B. Pächtern oder Mietern) zur weiteren Verwendung zur Verfügung stellt, den Strom selbst i.S. von § 5 Abs. 1 StromStG entnimmt. Wie die Regelungen in § 1 Abs. 1 und 2 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) belegen, kann nur der eigentliche Stromverwender (Letztverbraucher) den Strom entnehmen und durch diesen Realakt die Stromsteuer zur Entstehung bringen. Deshalb bedarf es der in § 1 Abs. 1 StromStV angeordneten Fiktion, durch die zum Letztverbraucher bestimmt wird, wer selbst bezogenen Strom an andere leistet.
Unzutreffend beruft sich die Beschwerde darauf, dass dem StromStG ein „verrechtlicher” Stromentnahmebegriff zugrunde liege, der eine Entnahme von Strom durch einen Kommissionär ausschließen würde. Die Stromsteuer ist eine Realaktsteuer, deren Entstehungstatbestände nicht an Akte des Rechtsverkehrs, sondern an tatsächliche Vorgänge anknüpfen. Daher kann auch derjenige dem Leistungsnetz Strom entnehmen, der —wie im Streitfall der Kommissionär— keine Vertragsbeziehung zu einem Versorger unterhält.
2. Dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Beschluss des FG Hamburg in ZfZ 2002, 208, lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Die behauptete Divergenz liegt nicht vor. Denn aus dem Beschluss geht nicht hervor, dass der Entnahmebegriff anhand der im Einzelfall bestehenden vertraglichen Beziehungen auszulegen ist. Vielmehr befasst sich der Beschluss —worauf das FG zutreffend hingewiesen hat— lediglich mit dem Begriff des Letztverbrauchers i.S. von § 5 Abs. 1 StromStG und mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Stromverwender als Letztverbraucher angesehen werden kann, so dass die Merkmale des in § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG normierten Steuerentstehungstatbestandes als erfüllt angesehen werden können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1013 Nr. 6
BAAAC-78288