Leitsatz
[1] Zur Notwendigkeit einer hinreichenden Ausgangskontrolle bei der Erteilung einer Einzelanweisung des Rechtsanwalts, einen fristgebundenen Schriftsatz durch Telefax an das Gericht zu übermitteln.
Gesetze: ZPO § 233 Fc
Instanzenzug: AG Heilbronn, 7 C 713/07 vom LG Heilbronn, 1 S 35/07 vom
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlicher Ausbildungsvergütung in Höhe von 4.926,50 € nebst Zinsen in Anspruch. Das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts Heilbronn ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am zugestellt worden. Hiergegen hat er beim Landgericht Heilbronn rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wegen Arbeitsüberlastung beantragt, die am selben Tage ablaufende Frist zur Begründung der Berufung um zwei Wochen zu verlängern. Der durch Telefax versandte Schriftsatz ist an das Landgericht adressiert, wurde jedoch wegen einer unrichtigen Telefaxnummer am kurz nach 15.00 Uhr dem Amtsgericht Heilbronn übermittelt. Von dort wurde er an das Landgericht weitergeleitet, wo er am eingegangen ist.
Auf einen Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte noch am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; die Berufungsbegründung ist am erfolgt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung der Angestellten E. seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht: Nach Vorbereitung des Fristverlängerungsersuchens habe der Prozessbevollmächtigte die Akte der ausgebildeten und besonders zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Anweisung übergeben, das Gesuch umgehend per Telefax an das zuständige Landgericht Heilbronn zu übermitteln und nachfolgend telefonisch die Geschäftsstelle des Gerichts zwecks Kontrolle zu kontaktieren. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei der Antrag indes an den Anschluss des Amtsgerichts Heilbronn übermittelt worden. Nachdem Frau E. die Geschäftsstelle des Gerichts bis zum Arbeitsschluss der Kanzlei telefonisch nicht mehr habe erreichen können, sei das Versehen zunächst unentdeckt geblieben.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiter.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Es fehlt hier jedoch an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er verletzt auch nicht das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze für eine Ausgangskontrolle sorgen. Soll der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, so ist in der Regel ein Sendebericht zu erstellen und auf etwaige Übermittlungsfehler, insbesondere die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer, zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom - I ZB 64/05 - NJW-RR 2006, 1519 Rn. 9; vom - VI ZB 70/06 - NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 8, 10; Senatsbeschluss vom - III ZB 109/06 - NJW-RR 2007, 1429, 1430 Rn. 8; - NJW 2007, 2778 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Ausreichend ist auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen ( - VersR 1996, 1125; Beschluss vom - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60).
Das Vorbringen des Beklagten lässt nicht erkennen, dass diesen Anforderungen in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden er sich zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), genügt worden wäre. Eine allgemeine oder spezielle Anweisung zur Überprüfung des Sendeberichts ist nicht dargetan. Bei der statt dessen hier erteilten Weisung, sich den Eingang des Telefaxes durch die Geschäftsstelle des Landgerichts bestätigen zu lassen, hätte der Prozessbevollmächtigte aber nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts außerdem für den Fall Vorsorge treffen müssen, dass bei Gericht niemand mehr erreicht werden kann und deshalb die vorgesehene Kontrolle fehlschlägt. Dann hätte sich beispielsweise eine alternative Überprüfung des Sendeprotokolls angeboten.
3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen hinreichender organisatorischer Maßnehmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze im Streitfall nicht deswegen unerheblich, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat. Allerdings ist richtig, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte ( - NJW-RR 2003, 935 = BB 2003, 707, 708; Senatsbeschluss vom - III ZB 27/04 - BGH-Report 2005, 44, 45 f.; - NJW 2008, 526, 527 Rn. 10). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelanweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er statt dessen für den konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich. Anders ist es hingegen, wenn die Einzelanweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 369; vom - XI ZB 5/06 - FamRZ 2007, 720 Rn. 6; siehe auch Senatsbeschluss vom - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 Rn. 9; - NJW 2007, 2778 Rn. 6 f).
Im vorliegenden Fall fehlte es in der Einzelanweisung des Anwalts an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig gemacht hätten. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte bestand lediglich darin, den Schriftsatz umgehend per Telefax an das Landgericht zu übermitteln und sich den Eingang von der Geschäftsstelle bestätigen zu lassen. Damit waren sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet geworden. Denn diese blieben gerade für die hier eingetretene Entwicklung sinnvoll und notwendig, in der die Einzelanweisung des Rechtsanwalts sich als unvollständig erwies, weil die darin bestimmten Kontrollmaßnahmen versagten. Stellt sich dabei die allgemeine Kanzleiorganisation als unzureichend heraus, entlastet es den Rechtsanwalt nicht, wenn er im Einzelfall eine Übermittlung per Telefax an das Berufungsgericht mit gleichfalls ungenügender Überprüfung anordnet.
Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1379 Nr. 19
DAAAC-77554
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja