Auflösung einer Ansparrücklage; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Gesetze: EStG § 7g, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Im Streit ist, ob eine im Jahre 1994 gebildete Rücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes —EStG— (Ansparabschreibung) im Streitjahr (1996) aufzulösen ist und ob ggf. eine Gewinnerhöhung nach Abs. 5 der Vorschrift erfolgen muss.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Rücklage erklärungsgemäß in Höhe von 150 000 DM in dem bestandskräftig gewordenen Feststellungsbescheid für die Praxisgemeinschaft der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger). Nach einer Außenprüfung änderte das FA im Jahre 2001 die Einkünftefeststellung für das Streitjahr nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und löste die Rücklage unter Berufung auf § 7g Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 EStG in voller Höhe auf, da diese zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei wegen Anwendbarkeit des Gesetzes erst ab 1995. Zudem erhöhte es den Gewinn des Streitjahres entsprechend Abs. 5 der Vorschrift um weitere 18 000 DM (2 x 6 % des Auflösungsbetrags).
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat sein Urteil im Wesentlichen damit begründet, dass die Auflösungspflicht nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur davon abhänge, ob die Rücklage am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden sei, unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Rücklagenbildung. Fehle die gesetzliche Grundlage für eine Rücklagenbildung, sei zwar vorrangig der fehlerhafte Bescheid des Jahres der Bildung bzw. der Inanspruchnahme nach abgabenrechtlichen Vorschriften zu ändern. Sei eine Korrektur aber aus abgabenrechtlichen Gründen nicht möglich wie im Streitfall, habe die Gewinnkorrektur in entsprechender Anwendung des § 7g Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 EStG zu erfolgen. Dies gelte —so sinngemäß— für die generelle Unzulässigkeit ebenso wie für die teilweise Unzulässigkeit z.B. wegen Überschreitens der Höchstgrenzen, weil der Grund und damit auch der Umfang der Unzulässigkeit unerheblich seien.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei kann der Senat offenlassen, ob ihre Begründung den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht, denn jedenfalls ist sie unbegründet.
Von vornherein unbeachtlich sind die Einwände der Kläger gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils, mit denen kein Zulassungsgrund dargetan wird und die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, s. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 173/02, BFH/NV 2003, 1325; vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom VIII B 125/06, BFH/NV 2007, 1630).
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung der Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung, s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; , BFH/NV 2007, 1675). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache verlangt demzufolge substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit der hinreichend bestimmten Rechtsfrage und ihrer voraussichtlichen Klärungsfähigkeit im konkreten Fall. Darüber hinaus ist auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2007, 1675; vom VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212, m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.). Zur gebotenen Darlegung sind auch Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (s. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; in BFH/NV 2006, 709; ständige Rechtsprechung).
Indem die Kläger zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung vortragen, es gehe um die Frage, ob bei fehlerhafter Anwendung einer Gesetzesnorm in einem Veranlagungszeitraum die nämliche Vorschrift nach ihrem Inkrafttreten ganz oder teilweise in den Folgejahren anwendbar sei und ob dabei eine Änderung (gemeint offenbar: bisher zugrunde gelegter Besteuerungsgrundlagen) erfolgen könne, ist den Darlegungsanforderungen nicht hinreichend genügt. Es ist nicht ersichtlich, dass über den besonders gelagerten Einzelfall hinaus Klärungsbedürftigkeit besteht. Insbesondere ist zwar behauptet, aber nicht dargetan, dass diese Frage für „alle Normen, die eine steuerliche Rücklagenbildung gestatten” von Bedeutung wäre. Weder sind solche Normen aufgeführt noch ist dargelegt, dass diese abstrakt angesprochenen Normen auf der Rechtsfolgeseite der Wirkungsweise des § 7g Abs. 4 bis 6 EStG mit seinen konkreten Auflösungsregeln entsprächen. Es ist auch nicht dargetan, dass die aufgeworfene Rechtsfrage —von der Auffassung der Kläger abgesehen— umstritten wäre. In ihrer unbestimmt gehaltenen Art wäre sie im Streitfall auch nicht klärungsfähig, soweit sie über die Anwendung des § 7g EStG hinausreicht. Was diese Norm selbst angeht, ist zu berücksichtigen, dass konkrete Sachverhaltskonstellationen wie im Streitfall bereits seit dem Inkrafttreten des § 7g EStG im Jahre 1995 nicht mehr auftreten können.
Selbst wenn man in den Ausführungen der Kläger insoweit aber eine den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO noch genügende Darlegung des Zulassungsgrundes erkennen wollte, wäre eine grundsätzliche Bedeutung aus den vorstehenden Gründen auch in der Sache nicht zu bejahen.
Die Kläger machen zudem eine grundsätzliche Bedeutung wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Rechtssicherheit durch den Eingriff in einen abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt geltend. Diesem nicht näher substantiierten Einwand ist nicht weiter nachzugehen, weil ein derartiger Eingriff nicht zu erkennen ist, das FG vielmehr die Rechtsfolgerungen aus einem Lebenssachverhalt der Vergangenheit in einem späteren Zeitpunkt gezogen hat, wie dies in § 7g Abs. 4 FGO gesetzlich angelegt ist.
2. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. neben einer hinreichend genauen Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung die Gegenüberstellung tragender, einander widersprechender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der Divergenzentscheidung andererseits, um eine entscheidungserhebliche Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 51/02, BFH/NV 2003, 212; vom VIII B 228/02, BFH/NV 2003, 1440; vom VIII B 295/04, BFH/NV 2006, 339). Darüber hinaus ist darzulegen, dass es in den betreffenden Entscheidungen jeweils um einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage geht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
Im Streitfall sehen die Kläger einen Widerspruch des angefochtenen Urteils zu einem das (BFH/NV 2006, 535) tragenden Rechtssatz, den sie allerdings nicht klar bezeichnen. Ihrem Vortrag ist zu entnehmen, dass er sinngemäß lauten soll, dass eine früher gebildete Rücklage nicht entsprechend einer später eingetretenen Rechtsänderung (rückwirkend) „transformiert” werden kann, sondern die Änderung nur für ab ihrer Geltung verwirklichte Lebenssachverhalte gilt. Eine Divergenz ist hieraus nicht herzuleiten; weder sind die betreffenden Sachverhalte vergleichbar noch ist die Rechtsfrage identisch. Im angefochtenen Urteil geht es um eine schon dem Grunde nach rechtswidrige Bildung einer Rücklage und die Frage nach deren möglicher Korrektur, im vermeintlichen Divergenzurteil hingegen um eine rechtmäßig gebildete Rücklage und die Frage der Abgrenzung der daran anknüpfenden Rechtsfolgen nach ihrer zeitlichen Gültigkeit.
3. Eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) unter dem Gesichtspunkt eines entscheidungserheblichen, offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlers des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung kommt im Streitfall nicht in Betracht. Es ist nicht offenkundig, dass die Begründung des FG gegen Recht und Gesetz verstieße. In nachvollziehbarer Weise hat sich das FG bei der Rechtsfindung an Entscheidungen des BFH zu § 7g EStG (, BFH/NV 2006, 546; , BFH/NV 2007, 883) angelehnt.
4. Schließlich begründet die —behauptete— fehlerhafte Anwendung von steuerrechtlichen Verfahrensvorschriften zur Bestandskraft keine Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, unter denen nur Verstöße des FG gegen das Gerichtsverfahrensrecht zu verstehen sind (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 76 f., m.w.N.). Insbesondere liegt in der Auslegung und Anwendung steuerrechtlicher Verfahrensvorschriften durch das FG kein Verstoß gegen § 96 FGO.
Fundstelle(n):
KÖSDI 2008 S. 16006 Nr. 5
VAAAC-76524