BFH Beschluss v. - III B 55/07

Anordnung eines Beweisverfahrens; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; gesetzlicher Beklagtenwechsel; keine Mitwirkung ehrenamtlicher Richter an Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung

Gesetze: FGO § 70, FGO § 82, FGO § 96, FGO § 5

Instanzenzug:

Gründe

I. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am zum Verfahren 4 K 1367/01 erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (Vernehmung von Zeugen, Einnahme eines Augenscheins) lehnte das als unzulässig ab.

Das FG führte im Wesentlichen aus: Da der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA— A) der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zugestimmt habe, sei das Beweisverfahren nur anzuordnen, wenn zu besorgen sei, dass das Beweismittel verloren gehe oder seine Benutzung erschwert werde. Diese Voraussetzungen müssten in dem Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren glaubhaft gemacht werden. Die Antragstellerin habe aber keine konkreten Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die eine erschwerte Benutzung oder gar den Verlust der Beweismittel besorgen ließen. Im Übrigen sei aufgrund der Erledigung der Hauptsache mit der Durchführung des beantragten selbständigen Beweisverfahrens weder eine Verfahrensbeschleunigung noch eine Kostenminimierung verbunden.

Gegen den am zugestellten Beschluss legte die Antragstellerin Beschwerde ein, der das FG nicht abhalf.

Die Antragstellerin trägt im Wesentlichen vor, das FG habe gegen Prozessrecht verstoßen (§ 65 Abs. 2, § 76 der FinanzgerichtsordnungFGO— und § 155 FGO i.V.m. § 139 der ZivilprozessordnungZPO—), weil es sie nicht auf die fehlende Schlüssigkeit oder ungenügende Substantiierung des Antrags hingewiesen habe. Dadurch sei sie auch in ihren Rechten aus Art. 103 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) sowie Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte verletzt.

Zudem hätten die Prozess- und Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vorgelegen, so dass der Antrag noch nicht entscheidungsreif sei. Das FA A sei wegen gesetzlichem Beteiligtenwechsel weder partei- noch prozessfähig noch prozessführungsbefugt gewesen. Da sie, die Antragstellerin, in Frankreich ansässig sei, sei nicht mehr das FA A, sondern das FA B zuständig. Außerdem sei der 4. Senat des FG für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig gewesen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan bleibe bei einem Beteiligtenwechsel der bisherige Senat nicht zuständig. Richtiger Beteiligter sei das FA B, das nicht in den Zuständigkeitsbereich des 4. Senats des Sächsischen FG falle. Durch die Nichtanwendung gesetzlicher Zuständigkeitsregelungen entziehe das FG ihr, der Antragstellerin, den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Ein Verstoß gegen Art. 101 GG liege auch darin, dass nicht im Voraus genau festgelegt sei, welcher ehrenamtliche Richter an welchem Termin tätig werde.

Zu Unrecht habe das FG ein Rechtsschutzbedürfnis für das selbständige Beweisverfahren verneint.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags nimmt der Senat auf den Schriftsatz vom Bezug.

Die Antragstellerin beantragt,

den Wechsel des Antragsgegners derart durchzuführen, dass das FA A aus dem Verfahren ausscheidet und neuer Antragsgegner das FA B ist,

den angefochtenen Beschluss des FG dahin gehend zu ändern, dass entsprechend dem Antrag das selbständige Beweisverfahren durchzuführen ist,

hilfsweise den Beschluss aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens abgelehnt.

1. Nach § 82 FGO i.V.m. § 485 Abs. 1 ZPO kann auf Antrag eines Beteiligten während oder außerhalb eines Streitverfahrens die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

Da das FA nicht zugestimmt hat, hätte das beantragte Beweisverfahren nur angeordnet werden dürfen, wenn ein Verlust oder eine erschwerte Benutzung der von der Antragstellerin benannten Beweismittel gedroht hätte. Nach zutreffender Auffassung des FG ergibt sich diese Gefahr aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Der Senat folgt der Begründung des FG und sieht nach § 113 Abs. 2 Satz 3 FGO insoweit von einer weiteren Begründung ab.

2. Der Beschluss des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

a) Die Rügen der Antragstellerin im Zusammenhang mit dem vorgeblichen gesetzlichen Beteiligtenwechsel gehen fehl. Denn das FA war der richtige Antragsgegner. Da das FA den Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt hat, war Antragsgegner das in jenem Verfahren beklagte FA. Der von der Antragstellerin angenommene gesetzliche Beteiligtenwechsel hat ersichtlich nicht stattgefunden. Dafür wäre Voraussetzung, dass aufgrund eines behördlichen Organisationsakts nach Klageerhebung eine andere als die ursprünglich beklagte Behörde für die Besteuerung der Antragstellerin zuständig geworden wäre (, BFHE 209, 9, BStBl II 2005, 575). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor (, nicht veröffentlicht —n.v.—).

b) Das FG hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dadurch verletzt, dass es den Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens abgelehnt hat, ohne der Antragstellerin die Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen. Beteiligte, die —wie im Streitfall— fachkundig vertreten sind, müssen grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einrichten. Das FG hat auch nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 262, m.w.N.).

c) Unerheblich ist die Rüge der Antragstellerin, das FG sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil unklar sei, welche ehrenamtlichen Richter zur Entscheidung berufen seien. Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO wirken die ehrenamtlichen Richter an Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit (vgl. , BFHE 203, 523, BStBl II 2004, 89; , n.v.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
WAAAC-76499