Voraussetzungen des § 42d EStG; unsubstantiierte Beweisanträge
Gesetze: EStG § 42d, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116, FGO § 81
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist —soweit sie nicht bereits unzulässig ist— jedenfalls unbegründet.
1. Sowohl der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als auch derjenige zur Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO erfordert neben zusätzlichen Voraussetzungen auch, dass in dem angestrebten Revisionsverfahren die aufgeworfene Rechtsfrage nicht nur klärungsbedürftig, sondern auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung; z.B. Bundesfinanzhof —BFH— Beschlüsse vom VI B 55/06, BFH/NV 2007, 1689; vom VI B 69/05, BFH/NV 2007, 83, jeweils m.w.N.).
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam benannte Rechtsfrage, ob im Rahmen der Vorschrift des § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein Verschulden des Arbeitgebers im Wege verfassungskonformer Auslegung als (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal zu berücksichtigen sei, ist im vorliegenden Streitfall nicht entscheidungserheblich und deshalb in der Revision auch nicht klärungsfähig. Denn das Finanzgericht (FG) hat den Sachverhalt aufgrund seiner für den BFH bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) dahingehend gewürdigt, dass die Voraussetzungen des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG vorlägen und die Auswahl des Klägers als Haftungsschuldner (§ 42d Abs. 3 Satz 2 EStG) aufgrund leichtfertigen und damit schuldhaften Verhaltens nicht zu beanstanden sei. In Bezug auf die Feststellungen, die dieser Würdigung zu Grunde liegen, wurden keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen geltend gemacht. Auf die vom Kläger gestellte Frage, ob die Haftungsnorm des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG als Tatbestandsvoraussetzung ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers voraussetze (vgl. hierzu auch Blümich/Heuermann, § 42d EStG Rz 58), kann es, wenn das FG im Rahmen des Auswahlermessens vom Verschulden des Klägers ausgegangen ist, in dem angestrebten Revisionsverfahren folglich nicht mehr ankommen.
2. Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kommt nicht in Betracht.
a) Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht in Form eines Verstoßes gegen den Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) geltend macht und zur Begründung vorträgt, das FG habe Beweisanträge zu bestimmten Sachverhaltskomponenten des „Prostitutionsgeschäfts” übergangen, ist der gerügte Verfahrensmangel jedenfalls nicht entscheidungserheblich.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision wegen eines Verfahrensmangels nur zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Wird ein beantragter Beweis nicht erhoben, so liegt darin nur dann ein erheblicher Verfahrensmangel, wenn die erstrebten Beweisergebnisse für die Entscheidung des FG nach dessen maßgeblicher materiell-rechtlicher Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Bedeutung haben könnten und das FG bei seinem Urteil von einem anderen —den Beweisanträgen nicht entsprechenden Sachverhalt— ausgegangen ist (ständige Rechtsprechung; z.B. , BFH/NV 2006, 753; vom V R 38/99, BFH/NV 2001, 181; Beschlüsse vom XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564; vom XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787).
Das FG hat die vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Dies wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Er räumt selbst ein, das Gericht sei bei der Würdigung von einer nahezu identischen Tatsachengrundlage ausgegangen. Tatsächliche Abweichungen oder Differenzen hat der Kläger nicht benannt. Ausgehend von dem zwischen den Beteiligten und dem FG unstreitigen Sachverhalt hat das Gericht die Entscheidung getroffen, die Prostituierten seien als Arbeitnehmerinnen des Klägers tätig gewesen. Dabei hat das FG die Arbeitnehmereigenschaft nach dem in ständiger Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsatz beurteilt, dass die Frage, wer eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen ist (z.B. , BFH/NV 2007, 1977; vom VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; BFH-Beschlüsse vom VI B 137/03, BFH/NV 2005, 552; vom VI B 86/04, BFH/NV 2005, 1061). Zu seiner Entscheidung, die Prostituierten seien als Arbeitnehmerinnen des Klägers tätig gewesen, ist das FG im Wege einer Gesamtwürdigung aufgrund einer Reihe von Sachverhaltsumständen gelangt (Eingliederung der Frauen in den Betrieb des Klägers, der den Auftritt des Unternehmens nach außen selbst oder durch Mittelsmänner organisierte; Vorgabe von Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeiten; zentrale Steuerung durch den Kläger, so dass die Damen kein unternehmerisches Risiko zu tragen hatten; Ausschluss einer Preiskonkurrenz). Damit hat das Gericht die vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen bei seiner Würdigung berücksichtigt. Den angebotenen Beweis brauchte es deshalb nicht zu erheben.
b) Das FG hat auch den vom Kläger gestellten Antrag auf Beiziehung der Strafakten des Landgerichts B zutreffend als unsubstantiiert und damit unerheblich angesehen. Der Beschwerdeschrift lässt sich nicht entnehmen, zu welchem nach der Rechtsansicht des FG maßgeblichen Beweisthema das FG keinen Beweis erhoben hat. Die Mitwirkungspflicht fordert von den Beteiligten, Beweisanträge zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (BFH-Beschlüsse vom IX B 58/06, BFH/NV 2006, 2117; vom XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132).
Zu Recht hat das FG für die Ordnungsmäßigkeit eines Beweisantrags verlangt, dass zunächst konkrete, für die Beurteilung des (schuldhaften) Verhaltens des Klägers im Hinblick auf die Nichtanmeldung der Lohnsteuer maßgebende Tatsachen vorzutragen sind. An diesen Voraussetzungen hat es im Streitfall gefehlt. Der Kläger hat in seinem „Beweisantrag” lediglich darauf hingewiesen, dass die Akten Unterlagen beinhalten könnten, die die Unbilligkeit einer Haftungsinanspruchnahme belegen könnten.
c) Sofern der Kläger mangelnde Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes rügt, hat er bereits nicht substantiiert dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), welche Tatsachen unaufgeklärt geblieben sind, obwohl sie aufklärungsbedürftig waren, und welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332; vom VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934; vom II B 119/00, BFH/NV 2002, 510).
Der Kläger hat lediglich ausgeführt, das FG solle die Frage des Verschuldens unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel aufklären, ohne die beweisbedürftigen Tatsachen überhaupt zu bezeichnen.
d) Im Übrigen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers —wie vom Kläger auch selbst eingeräumt wird— gegen die tatrichterlichen Feststellungen und die Würdigung des FG. Insoweit verkennt der Kläger jedoch, dass die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen (vgl. hierzu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 154) einer Nachprüfung durch den BFH weitgehend entzogen sind. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO; vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 702) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch in Anbetracht der Gesamtumstände des Streitfalls nicht erkennbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 949 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2008 S. 4725
PAAAC-75930