Verlust des Rügerechts bei behaupteter Verletzung der richterlichen Sachaufklärungspflicht; schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels
Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat weder einen Verfahrensfehler, auf dem das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhen könnte (unten 1.), noch die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtssache (unten 2.) schlüssig dargetan.
1. Soweit der Kläger rügt, dem FG seien bei der Urteilsfindung Verfahrensfehler unterlaufen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Das FG hat die Abweisung der Klage darauf gestützt, dass es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht der Auffassung war, der Kläger habe bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise . DM aufgewandt, um eine Vorauszahlung auf den Erwerb der Großbäckerei zu leisten. Vielmehr nahm es an, der Kläger habe ein Darlehn in entsprechender Höhe vergeben. Soweit der Kläger in seiner Beschwerdebegründung hiergegen einwendet, er habe durch die vorgelegten Unterlagen und Zeugenaussagen die betriebliche Veranlassung seiner Zahlung nachgewiesen, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des Gerichts. Mit der Rüge, die Beweiswürdigung des FG sei fehlerhaft, kann ein Verfahrensmangel jedoch regelmäßig nicht begründet werden, da die Grundsätze der Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Die Rüge eines materiellen Fehlers ist der Prüfung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 82; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 246, jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH).
b) Das weitere Vorbringen des Klägers, das FG hätte bei Annahme von Darlehnsverträgen die Befragung des Zeugen X entsprechend ergänzen und die vom Kläger benannten Bankmitarbeiter als Zeugen hören müssen, kann als Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht verstanden werden.
aa) Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das FG habe Beweisanträge übergangen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69) u.a. Angaben zu den folgenden Punkten erforderlich:
- die ermittlungsbedürftigen Tatsachen;
- die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen;
- die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokoll), in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind;
- das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme;
- inwiefern das Urteil des FG —ausgehend von dessen materiell-rechtlichen Auffassung— auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und
- dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte.
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat u.a. nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die Vernehmung der Bankmitarbeiter die Auffassung des Gerichts, er habe dem Zeugen X ein Darlehn gewährt, hätte widerlegen können. Vor allem aber hat der sachkundig vertretene Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls vom die fehlende Befragung der Bankmitarbeiter weder gerügt noch dargelegt, warum er entschuldbar an der Rüge gehindert war.
bb) Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebracht, das FG habe gegen seine Verpflichtung verstoßen, den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen weiter aufzuklären, so muss der Beschwerdeführer nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 50 i.V.m. § 120 Rz 70, m.w.N.) Ausführungen zu den folgenden Punkten machen:
- welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen;
- aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung oder Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag des fachkundig vertretenen Klägers hätte aufdrängen müssen;
- welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweiserhebung voraussichtlich ergeben hätten;
- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und
- dass der Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt wurde.
Auch diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Der Kläger hat weder substantiiert vorgetragen, aus welchen genau bezeichneten Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Befragung des Zeugen X hätte aufdrängen müssen, noch dargelegt, warum er nicht selbst den Zeugen entsprechend befragt hat, zumal ihm und seinem Prozessbevollmächtigten durch den richterlichen Hinweis vom bekannt war, dass das FG bereits Erwägungen in Bezug auf das Vorliegen eines Darlehnsvertrages zwischen dem Kläger und dem Zeugen angestellt hatte.
Bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung —ZPO—), bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Der Kläger muss dann vortragen, aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer entsprechenden Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 49, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). An einem solchen Vorbringen fehlt es.
2. Begründet der Kläger –-wie hier—- seine Nichtzulassungsbeschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen muss der Beschwerdeführer begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Fragen zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu den von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32 und 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Es wird aus seinem Vorbringen nicht erkennbar, welche konkrete Rechtsfrage er geklärt wissen will. Vielmehr erschöpft sich sein Vorbringen nach Art einer Revisionsbegründung in kritischen Äußerungen darin, dass und warum die vom FG vorgenommene rechtliche Beurteilung und tatsächliche Würdigung des Streitfalles unrichtig seien. Fehler bei der Auslegung und Anwendung materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint und auf sachfremden Erwägungen beruht, sowie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Solche gravierenden Fehler hat der Kläger weder substantiiert vortragen können, noch sind sie den Akten zu entnehmen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 964 Nr. 6
PAAAC-75917