Leitsatz
[1] § 814 BGB ist unanwendbar, wenn das Rechtsgeschäft, zu dessen Erfüllung geleistet worden ist, nur von dem Empfänger der Leistung angefochten werden kann und dieser sein Anfechtungsrecht im Zeitpunkt der Leistung (noch) nicht ausgeübt hat.
Gesetze: BGB § 814
Instanzenzug: AG Bernau, 14 C 98/06 vom LG Frankfurt (Oder), 15 S 4/07 vom
Tatbestand
Die Beklagte, eine Pferdehändlerin, kaufte im Januar 2005 von der V. e.V. (im Folgenden: Erstverkäuferin) das Pferd "K. " zum Preis von 750 €. Der Kauf kam aufgrund eines Inserates zustande, in dem die Erstverkäuferin darauf hinwies, dass sie das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Spring- und Voltigiersport einsetzbare und wegen einer akuten Verletzung günstig abzugebende Tier nicht an einen Händler verkaufen wolle. Die Beklagte verschwieg ihre Händlereigenschaft und erweckte gegenüber der Erstverkäuferin den Eindruck, sie werde das Tier gesund pflegen und ihm das Gnadenbrot gewähren. Mit dem Pferd erhielt sie von der Erstverkäuferin Röntgenbilder von dessen akuter Verletzung, einem Fesselträgeranriss.
Kurze Zeit später bot die Beklagte das Tier in einem Inserat zum Weiterverkauf an. Darin hieß es: "super leichtrittiges Pferd, großes, sehr gut regulierbares Pferd, Dressur L-Niveau, Springen A mit viel Raumgriff, sicher und viel Mut am Sprung zu einem Kaufpreis von 3.900 €". Aufgrund dieses Inserates erwarb die Klägerin das Pferd am für 3.400 €.
Nachdem die Erstverkäuferin davon Kenntnis erlangt hatte, focht sie am den von ihr mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Sie informierte die Klägerin darüber und trat alle Rechte an dem Pferd, insbesondere Herausgabeansprüche wegen der Anfechtung des Kaufvertrags, an diese ab.
Am erklärte die Klägerin ihrerseits die Anfechtung des Kaufvertrags mit der Beklagten wegen "Vorspiegelung falscher Tatsachen unter Verheimlichung einer schweren Vorerkrankung" und weil "das Tier wegen chronischer Lahmheit weiterhin reituntauglich" sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rückzahlung des von ihr geleisteten Kaufpreises von 3.400 € nebst Zinsen sowie die Herausgabe der Röntgenbilder verlangt, die die Beklagte von der Erstverkäuferin erhalten hatte. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Einschränkung ihrer Verurteilung dahin, dass sie zur Zahlung von 3.400 € nebst Zinsen nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Pferdes "K. " verpflichtet ist, hilfsweise, dass sie lediglich 2.650 € nebst Zinsen zu zahlen hat.
Gründe
Die Revision hat hinsichtlich des Hilfsantrags Erfolg. In diesem Umfang ist über das Rechtsmittel antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.). Hinsichtlich des Hauptantrags ist die Revision der Beklagten ungeachtet der Säumnis der Klägerin durch kontradiktorisches Schlussurteil zurückzuweisen (vgl. , NJW 1967, 2162).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt: Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 142 Abs. 1 BGB aus eigenem Recht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 3.400 € und aus abgetretenem Recht der Erstverkäuferin ein Anspruch auf Rückübereignung der Röntgenbilder zu.
Die Klägerin habe mit Schreiben vom wirksam die Anfechtung des Kaufvertrages vom erklärt. Denn die Beklagte habe bei Abschluss des Kaufvertrages die Verletzung des Pferdes "K. ", die die Befürchtung begründet habe, dass das Tier nicht mehr zum Sportreiten genutzt werden könne, arglistig verschwiegen. Der Kaufvertrag sei daher von Anfang an nichtig mit der Folge, dass die auf Grund des Vertrages erbrachten Leistungen ohne Rechtsgrund erfolgt seien.
Dem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises könne die Beklagte nicht entgegenhalten (§ 273 BGB), dass sie ihrerseits die Rückübereignung des Pferdes verlangen könne. Ein solcher Anspruch der Beklagten sei gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Der von dieser Vorschrift vorausgesetzten positiven Kenntnis vom Nichtbestehen der Verbindlichkeit stehe nach § 142 Abs. 2 BGB das Kennen der Anfechtbarkeit des Kausalgeschäfts gleich. Der Leistende müsse den Lebenssachverhalt kennen, aus dem sich der Anfechtungsgrund ergebe, und erkennen, dass sich der andere Teil deshalb vom Vertrag lösen könne und werde. Über dieses Wissen habe die Beklagte verfügt. Die Anwendbarkeit von § 814 BGB scheitere nicht daran, dass die Regelung nach ihrem Wortlaut nicht für die Fälle gelte, in denen der Rechtsgrund für die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt weggefallen sei. Die Beklagte habe bereits im Zeitpunkt der Übereignung des Pferdes Kenntnis von der Anfechtbarkeit gehabt, was nach § 142 Abs. 2 BGB der Kenntnis der Nichtigkeit gleichgestellt sei, so dass der Fall nicht nach den Grundsätzen einer condictio ob causam finitam, sondern als ein solcher zu behandeln sei, der einer condictio indebiti entspreche.
Eine teleologische Reduktion des Regelungsinhaltes von § 814 BGB mit der Begründung, der Leistende habe auf das Ausbleiben der Anfechtung vertrauen dürfen, sei entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung nicht veranlasst. Unabhängig davon, dass derjenige, der im Sinne von § 142 Abs. 2 BGB um die Anfechtbarkeit des in Rede stehenden Vertrages wisse, eines solchen Vertrauensschutzes nicht bedürfe, weil er den anderen Teil auf die ihn zur Anfechtung berechtigenden Umstände hinweisen und ihn so zur Bestätigung des Geschäfts veranlassen könne, sei für einen solchen Schutz des Anfechtungsgegners jedenfalls im Rahmen einer Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung kein Raum. Dass der arglistig Täuschende in derart schutzwürdigem Maße darauf vertrauen dürfe, sein unredliches Verhalten werde unentdeckt bleiben, dass dies eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 814 BGB zu seinen Gunsten erfordere, sei nicht ersichtlich. Die Bestimmung wolle gerade den Leistenden benachteiligen, während der Empfänger darauf vertrauen dürfe, dass er eine bewusst zur Erfüllung einer nicht bestehenden oder hinsichtlich ihres Rechtsgrundes anfechtbaren Pflicht bewirkte Leistung in jedem Fall behalten dürfe.
Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Herausgabe der Röntgenbilder zu. Die Erstverkäuferin habe den Kaufvertrag vom durch Erklärung vom wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123, 142 BGB wirksam angefochten und die ihr hieraus erwachsenen Bereicherungsansprüche an die Klägerin abgetreten (§ 398 BGB). Die Erstverkäuferin habe eine bestimmte Käufereigenschaft gesucht und die Interessenten hiernach ausgewählt. Insbesondere sei es ihr darauf angekommen, dass dem Pferd ein lebenslanges Gnadenbrot gewährt, es keinesfalls im Vielseitigkeitssport und zum Springen eingesetzt und nicht an einen Händler verkauft werde. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen habe die Beklagte der Erstverkäuferin arglistig vorgespiegelt.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass sowohl der Kaufvertrag zwischen der Erstverkäuferin und der Beklagten vom als auch der Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Klägerin vom wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1, § 124 BGB wirksam angefochten worden und deshalb beide Verträge gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sind, greift die Revision das Urteil nicht an und ist ein Rechtsfehler auch nicht ersichtlich.
2. Die Revision macht geltend, der Beklagten stehe infolge der Anfechtung des Kaufvertrags mit der Klägerin ihrerseits gemäß § 812 Abs. 1 BGB ein Gegenanspruch auf Rückübereignung des Pferdes durch die Klägerin zu. Der Rückübereignungsanspruch sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht durch § 814 BGB ausgeschlossen. Das trifft zu.
a) Dabei kann offen bleiben, ob der Leistung zur Erfüllung eines Rechtsgeschäfts, das nach der Leistung angefochten wird, im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB der Rechtsgrund wegen der in § 142 Abs. 1 BGB angeordneten Rückwirkung der Anfechtung von Anfang gefehlt hat oder ob der rechtliche Grund nachträglich weggefallen ist (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB). § 814 BGB setzt in jedem Fall voraus, dass der Leistende in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung erfolgt ist, dazu nicht verpflichtet war. Daran fehlt es auch bei Annahme einer condictio indebiti, wenn das Rechtsgeschäft, zu dessen Erfüllung geleistet wird, lediglich von dem Empfänger der Leistung angefochten werden kann und dieser sein Anfechtungsrecht (noch) nicht ausgeübt hat. Denn der Leistende kann sich in diesem Fall seiner Leistungspflicht nicht aus eigenem Entschluss entziehen.
Das ist anders, wenn ihm selbst ein Anfechtungsrecht zusteht. Auch dann ist er zwar bis zur Anfechtung zur Leistung verpflichtet. Er hat jedoch die Möglichkeit, seine Leistungspflicht durch Ausübung des ihm zustehenden Gestaltungsrechts zu beseitigen. Dem trägt die Regelung des § 142 Abs. 2 BGB Rechnung, die die Kenntnis von der Anfechtbarkeit der Kenntnis der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gleichstellt. Der Leistende soll nicht kondizieren dürfen, wenn er geleistet hat, obwohl er wusste, dass er sich von seiner Leistungspflicht wegen eines Anfechtungsrechts hätte befreien können. Er würde sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, wenn er später das Geleistete wieder zurückverlangen könnte (venire contra factum proprium). § 814 BGB ist insofern eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGHZ 73, 202, 205).
Für den Fall einer Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts nur durch den Empfänger der Leistung kommt es dagegen auf die subjektiven Voraussetzungen des § 814 BGB, die durch § 142 Abs. 2 BGB modifiziert werden, nicht an. Vielmehr ist bereits der von § 814 BGB objektiv vorausgesetzte Umstand, das Fehlen einer (für den Leistenden uneingeschränkten) Leistungspflicht, nicht gegeben. Deshalb hat schon das Reichsgericht (RGZ 151, 361, 376) angenommen, § 814 BGB greife in diesem Fall nicht ein. Das entspricht auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (Wendehorst in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 814 Rdnr. 8; Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl., § 813 Rdnr. 3; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl., § 814 Rdnr. 13; Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 813 Rdnr. 4, § 814 Rdnr. 3; Leupertz in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2. Aufl., § 812 Rdnr. 34, § 814 Rdnr. 4; RGRK/Heimann-Trosien, BGB, 12. Aufl., § 814 Rdnr. 6; Staudinger/Lorenz, BGB (2007), § 814 Rdnr. 3, § 812 Rdnr. 88).
b) Der Kaufvertrag zwischen den Parteien vom war nur für die Klägerin anfechtbar, die hinsichtlich der Übereignung des Pferdes "K. " Leistungsempfängerin war. § 814 BGB steht deshalb einem Bereicherungsanspruch der Beklagten auf Rückübereignung des Pferdes nach Ausübung des Anfechtungsrechts durch die Klägerin nicht entgegen.
3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grund als uneingeschränkt richtig dar (§ 561 ZPO).
a) Die Beklagte ist trotz der von ihr begangenen arglistigen Täuschung grundsätzlich berechtigt, den Rückübereignungsanspruch im Wege der Zug-um-Zug-Einrede gegenüber dem von der Klägerin verfolgten Bereicherungsanspruch geltend zu machen (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 97/62, WM 1963, 1252, unter III). Die Klägerin hat allerdings, wie die Revision selbst einräumt, gegenüber dem Rückübereignungsanspruch der Beklagten die Arglisteinrede (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) erhoben. Dieser Einwand der Klägerin ist im Ansatz begründet. Denn sie kann aus abgetretenem Recht der Erstverkäuferin ihrerseits gemäß § 812 Abs. 1 BGB Rückübereignung des Pferdes von der Beklagten verlangen, weil auch der Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Erstverkäuferin infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Das schließt die von der Revision mit ihrem Hauptantrag begehrte Beschränkung der Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises an die Klägerin nur Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes an sie aus.
b) Indes besteht auch der Übereignungsanspruch, den die Klägerin im Wege der Abtretung von der Erstverkäuferin gegenüber der Beklagten erworben hat, nicht uneingeschränkt. Denn infolge der Anfechtung des Kaufvertrags zwischen der Beklagten und der Erstverkäuferin kann die Beklagte von dieser wiederum die Rückzahlung des von ihr gezahlten Kaufpreises von 750 € verlangen. Sie ist deshalb zur Rückübereignung des Pferdes an die Erstverkäuferin bzw. an die Klägerin als Zessionarin nur Zug um Zug gegen Zahlung von 750 € verpflichtet.
Das bedeutet im Verhältnis der Parteien, dass die Klägerin von der Beklagten Rückzahlung des von ihr gezahlten Kaufpreises in Höhe von 3.400 € - ohne gleichzeitige Rückgabe des Pferdes "K. ", zu der sie weder verpflichtet noch bereit ist (oben unter a) - nur Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von 750 € verlangen kann, den die Beklagte an die Erstverkäuferin entrichtet hat. Da die Klägerin gegenüber dem Rückgabeanspruch der Beklagten den Arglisteinwand erhoben hat, ist folglich ihr Zahlungsanspruch gegen die Beklagte entsprechend dem Hilfsantrag der Revision um den letztgenannten Betrag zu kürzen. Denn ihr - dem Arglisteinwand zugrunde liegender, von der Erstverkäuferin erworbener - bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des Pferdes ist inhaltlich beschränkt durch das Erfordernis eines Angebotes der Rückgewähr der von der Erstverkäuferin dafür empfangenen Gegenleistung (vgl. aaO; Urteil vom - VIII ZR 314/97, NJW 1999, 1181 unter II 2 a). Damit darf die Klägerin das Pferd "K. " trotz der Nichtigkeit beider Kaufverträge endgültig behalten, wie sie es mit dem Erwerb des Rückübereignungsanspruchs von der Erstverkäuferin und ihrem uneingeschränkten Klageantrag gegenüber der Beklagten angestrebt hat, muss dafür aber - wirtschaftlich betrachtet - den Preis zahlen, den die Beklagte mit der Erstverkäuferin vereinbart hatte, und erfüllt zugleich als Dritte gemäß § 267 BGB den Rückzahlungsanspruch der Beklagten gegenüber der Erstverkäuferin.
III.
Das Berufungsurteil kann nach alledem nicht in vollem Umfang Bestand haben. Es ist aufzuheben, soweit die Berufung der Beklagten wegen deren Verurteilung zur Zahlung von mehr als 2.650 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung der Beklagten ist das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von mehr als 2.650 € nebst Zinsen verlangt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 1878 Nr. 26
IAAAC-75902
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja