Leitsatz
[1] a) Die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags bewirkt keine Verjährungshemmung, wenn das Gericht die Bekanntgabe an den Gegner nicht veranlasst.
b) Beantragt der Antragsteller, unabhängig von den Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfegesuchs dessen Bekanntgabe an die Gegenseite zu veranlassen, muss das Gericht diesem Ersuchen entsprechen.
Gesetze: BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14
Instanzenzug: LG Hamburg, 320 O 16/03 vom OLG Hamburg, 6 U 91/06 vom
Tatbestand
Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der B. GmbH & Co KG (fortan: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom , der zwei Tage später bei Gericht einging, stellte der Kläger einen Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beifügung des Entwurfs einer Klage über den Betrag von 55.087,46 € nebst Zinsen, den er - gestützt auf die Vorschriften der Insolvenzanfechtung - von der Beklagten begehrte. Der Prozesskostenhilfeantrag wurde, ohne der Beklagten bekannt gegeben zu werden, mit der Begründung zurückgewiesen, es sei den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Kosten aufzubringen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wurde mit Beschluss vom zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom , bei Gericht eingegangen am , hat der Kläger Klage erhoben. Das Landgericht hat diese wegen Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Revision.
Gründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am beginnende zweijährige Verjährungsfrist nach § 146 InsO a.F. sei zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am verstrichen gewesen. Der am eingegangene Prozesskostenhilfeantrag habe den Lauf der Verjährungsfrist nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt, weil er der Beklagten nicht bekannt gegeben worden sei. Eine Bekanntgabe sei auch nicht erforderlich gewesen, weil die Prozesskostenhilfe schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers zu verweigern gewesen sei. Es wäre Sache des Klägers gewesen, vorab zu prüfen, ob die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfegesuchs zur Verjährungshemmung nötig sei, und gegebenenfalls das Gericht um weitere Veranlassung zu bitten.
II.
Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Vorab ist klarzustellen, dass sich die Verjährung des Klageanspruchs nach dem zwischen dem und dem geltenden Recht richtet (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 EGBGB). Nach dem damals geltenden § 146 Abs. 1 InsO verjährte der Anfechtungsanspruch in zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 14 Halbs. 1 BGB wird die Verjährung (nur) gehemmt durch die "Veranlassung der Bekanntgabe des ... Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe". Allein die Antragstellung reicht danach nicht aus, um die Verjährungshemmung zu bewirken.
3. Die Revision verkennt dies nicht; sie meint jedoch, für die Verjährungshemmung sei in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift auf den Zeitpunkt des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrags beim Gericht abzustellen. Dem ist nicht zu folgen. Eine Gesetzesauslegung gegen den eindeutigen, mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmenden Gesetzeswortlaut ist den Gerichten im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG verwehrt (BGHZ 135, 86, 91 f).
a) Die von der Revision befürwortete verfassungskonforme Auslegung stünde nicht nur mit dem unmissverständlichen Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 14 Halbs. 1 BGB, sondern auch mit dessen ebenso eindeutigen Halbs. 2 im Widerspruch. Dort ist bestimmt, dass ausnahmsweise die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung des Antrags eintreten soll, wenn die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst wird. Diese Vorschrift setzt somit ebenfalls voraus, dass eine Bekanntgabe veranlasst wird, und bestimmt lediglich eine Rückwirkung der Hemmungswirkung auf die Einreichung des Antrags, wenn die Bekanntgabe "demnächst" veranlasst wird.
b) Auch mit dem Willen des Gesetzgebers ist die Ansicht der Revision nicht zu vereinbaren. Die Gesetzesbegründung zu § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB lautet wie folgt (BT-Drucks. 14/6040 S. 116 f):
"Die Hemmung beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Antrags, wodurch sichergestellt ist, dass der Schuldner Kenntnis von der Hemmung erlangt. ... Anträge, die vom Gericht dem Schuldner nicht bekannt gegeben werden, bewirken keine Hemmung. Dies ist sachgerecht, denn dann handelt es sich entweder um von vornherein aussichtslose Gesuche oder um solche, bei denen zugleich der Antrag auf Erlass eines Arrestes, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung gestellt wird und die Hemmung bereits durch die Nummer 9 sichergestellt ist."
Danach soll die bloße Antragstellung gerade nicht genügen, die Verjährungshemmung in Gang zu setzen. Rechtsverfolgungsmaßnahmen, die dem Schuldner nicht bekannt werden, sollen grundsätzlich keine verjährungshemmende Wirkung entfalten. Der Eintritt der Hemmungswirkung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens lediglich von der Bekanntgabe auf deren Veranlassung vorverlegt (BT-Drucks. 14/7052 S. 181). Dies hatte seinen Grund darin, dass eine Bekanntgabe durch förmliche Zustellung von § 15a EGZPO nicht vorgeschrieben ist und man befürchtete, dass das Bestreiten des Schuldners, den die Bekanntgabe enthaltenden einfachen Brief erhalten zu haben, in der Praxis kaum zu widerlegen wäre, womit die Hemmungsregelung untauglich würde.
c) In der Literatur wird die Vorschrift ebenfalls ganz überwiegend in dem vorstehend beschriebenen Sinne verstanden (Staudinger/Peters, BGB Bearbeitung 2004 § 204 Rn. 117; Peters JR 2004, 137; MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl. § 204 Rn. 66; Bamberger/Roth/Henrich, BGB § 204 Rn. 46; Mansel/Budzikiewicz in AnwKom-BGB, § 204 Rn. 107; Erman/J. Schmidt-Räntsch, BGB 11. Aufl. § 204 Rn. 36; Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 204 Rn. 32; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 2. Aufl. § 204 Rn. 20; Jauernig, BGB 12. Aufl. § 204 Rn. 16; a.A. nur Smid/Böttger DZWIR 2005, 485, 488 ff).
4. Es besteht kein Grund, die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB etwa für verfassungswidrig zu halten und deswegen die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
a) Zu Unrecht sieht die Revision einen Wertungswiderspruch zwischen den Vorschriften des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und der Nr. 14 sowie eine damit zusammenhängende, gegen das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßende Diskriminierung der bedürftigen Partei. Die Revision bezieht sich auf die Rechtsprechung, wonach auch eine unsubstantiierte oder unschlüssige Klage die Verjährung hemmt (BGHZ 160, 259, 263; ebenso bereits für die Verjährungsunterbrechung nach früherem Recht BGHZ 78, 1, 5; , NJW 1983, 2813; v. - XII ZR 38/95, NJW-RR 1996, 1409). Damit sei nicht zu vereinbaren, dass ein Prozesskostenhilfegesuch, welches das Gericht a limine zurückweisen wolle (und deshalb dem Gegner nicht bekannt gegeben werde), die Verjährung nicht hemme.
Dabei lässt die Revision außer Acht, dass nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur eine "erhobene" Klage die Verjährung hemmt. Erforderlich ist also die Zustellung an den Gegner. Das gilt auch für eine Klage, die nach dem eigenen Vorbringen des Klägers keinen Erfolg haben kann. Zwischen § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und der Nr. 14 wird nicht danach differenziert, ob der Antragsteller bedürftig ist. Vielmehr wird an die Zustellung bzw. die Veranlassung der Bekanntgabe angeknüpft. Insofern werden eine bedürftige und eine nicht bedürftige Partei nicht unterschiedlich behandelt.
b) Ferner weist die Revision darauf hin, die nicht bedürftige Partei könne - falls die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen seien, insbesondere die volle Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen eingezahlt sei - davon ausgehen, dass die Klage zugestellt werde oder dass, wenn dies, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschehe, sie verständigt werde. Demgegenüber werde die bedürftige Partei nicht benachrichtigt, wenn die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfegesuchs nicht veranlasst werde. Sie laufe somit in eine "Verjährungsfalle" (ähnlich Smid/Böttger aaO S. 489). Dies sei eine untragbare Ungleichbehandlung.
Auch dies trifft nicht zu. Ob das angegangene Gericht die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfeantrags an die Gegenseite unterlassen kann, wenn es meint, diesen Antrag a limine abweisen zu können, ist umstritten (bejahend MünchKomm-ZPO/Wax, 3. Aufl. § 118 Rn. 17.; Musielak/Fischer, ZPO 5. Aufl. § 118 Rn. 3; Zöller/Philippi, ZPO 26. Aufl. § 118 Rn. 3; Hk-ZPO/Pukall, 2. Aufl. § 118 Rn. 2; verneinend Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 118 Rn. 6; Mansel/Budzikiewicz aaO Fn. 220; Peters JR 2004, 137, 138; Smid/Böttger aaO S. 488). Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden. Selbst wenn man sie bejaht, ist die Beantragung der Prozesskostenhilfe aus verjährungsrechtlicher Sicht nicht unsicherer als etwa die Klageerhebung. Der Antragsteller kann das Gericht - entweder sogleich oder bei einer rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung gehaltenen Nachfrage - darauf hinweisen, dass die Verjährung gehemmt werden solle, und deshalb darum bitten, unabhängig von den Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfegesuchs dessen Bekanntmachung an die Gegenseite zu veranlassen. Ein derartiges Vorgehen, zu dem bereits die Lektüre des Gesetzes Anlass gibt, ist ihm zuzumuten (vgl. Jauernig, aaO), zumal ihm durch die Bekanntgabe des Antrags selbst bei dessen späterer Ablehnung keine prozessualen Nachteile erwachsen. Das Gericht darf sich diesem Ersuchen nicht verschließen (vgl. Peters JR 2004, 137, 138), weil die Vorschrift sicherstellen soll, dass der bedürftigen Partei für die Durchsetzung ihrer Ansprüche dieselbe Zeit zur Verfügung steht wie jedem, der das Verfahren selbst finanzieren kann (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 116).
5. Im Streitfall hatte auch bereits der Kläger Anlass und die Möglichkeit, auf die Bekanntgabe seines Prozesskostenhilfegesuchs an die Beklagte hinzuwirken. Er musste - selbst Rechtsanwalt - die Gesetzeslage kennen, somit zur Kenntnis nehmen, dass nach dem - anders als nach dem Recht vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform - die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags allein nicht mehr die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung bewirkt, sondern dass die "Veranlassung der Bekanntgabe" an den Gegner hinzukommen muss. Dem Kläger musste ferner bewusst sein, dass jedenfalls nach der damals ganz herrschenden Meinung eine Beteiligung des Gegners unterbleiben konnte, wenn das Gericht der Meinung war, das Prozesskostenhilfegesuch könne schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers keinen Erfolg haben. Es war dem Kläger, der den Ablauf der Verjährungsfrist im Auge behalten musste, zuzumuten, vor Fristende bei dem angegangenen Gericht wenigstens nachzufragen, ob es die Bekanntgabe des Antrags an die Beklagte veranlasst habe, und verneinendenfalls um Nachholung zu bitten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 677 Nr. 14
HFR 2008 S. 1077 Nr. 10
NJW 2008 S. 1939 Nr. 27
WM 2008 S. 806 Nr. 17
ZIP 2008 S. 698 Nr. 15
AAAAC-75225
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja