Leitsatz
[1] Ein Gläubiger, der geltend macht, der Gerichtsvollzieher habe ein unvollständiges oder ungenaues Vermögensverzeichnis aufgenommen, ist zunächst gehalten, beim Gerichtsvollzieher eine Nachbesserung zu beantragen. Erst wenn der Gerichtsvollzieher den Antrag ablehnt, steht dem Gläubiger dagegen die Erinnerung nach § 766 ZPO zu.
Gesetze: ZPO § 766; ZPO § 807; ZPO § 900 Abs. 1
Instanzenzug: AG Schwäbisch Hall, M 2416/06 vom 04.12.2006 LG Heilbronn, 1 T 519/06 Bm vom 24.01.2007
Gründe
I. Der Schuldner hat in dem von der Gläubigerin gegen ihn betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren die eidesstattliche Versicherung abgegeben und dabei angegeben, unterhaltsberechtigte Kinder zu haben. Eine Erklärung des Schuldners, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die unterhaltsberechtigten Personen über eigenes Einkommen verfügen, enthält das Vermögensverzeichnis nicht.
Die Gläubigerin hat mit Schriftsatz vom 21. September 2006 gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung Erinnerung eingelegt und beantragt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, ein vollständiges Vermögensverzeichnis aufzunehmen. Sie hat geltend gemacht, zur Prüfung der Frage, ob die Stellung eines Antrags nach § 850c Abs. 4 ZPO Aussicht auf Erfolg biete, benötige sie die Mitteilung, ob ein gegenüber dem Schuldner Unterhaltsberechtigter eigene Einkünfte erziele.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren mit Schriftsatz vom 21. September 2006 gestellten Antrag weiter. Der Schuldner hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Gläubigerin ist es unter den im Streitfall gegebenen Umständen verwehrt, den zuständigen Gerichtsvollzieher im Wege der Erinnerung anweisen zu lassen, ein vollständiges Vermögensverzeichnis aufzunehmen.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die von der Gläubigerin eingelegte Erinnerung sei wegen (noch) fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Gläubigerin hätte zunächst beim Gerichtsvollzieher den einfacheren und kostengünstigeren Antrag auf Ergänzung des Vermögensverzeichnisses stellen müssen. Aus der rein fiktiven Annahme, der Gerichtsvollzieher könnte den Antrag eines Gläubigers, das Vermögensverzeichnis zu ergänzen, ablehnen, ergebe sich kein Rechtsschutzinteresse des Gläubigers für eine Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Im Streitfall sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die zuständige Gerichtsvollzieherin einen Ergänzungsauftrag der Gläubigerin ablehnen werde. Das Nachbesserungsverfahren werde vielmehr verzögert und verursache zusätzliche Kosten, wenn die Gläubigerin Erinnerung beim Vollstreckungsgericht einlege, anstatt den Gerichtsvollzieher unmittelbar mit der Durchführung der Nachbesserung zu beauftragen.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht zu Recht angenommen, dass der Gläubigerin für die von ihr eingelegte Erinnerung (§ 766 ZPO) das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
a) Hat der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt, so ist er zur Nachbesserung (Ergänzung) verpflichtet ( IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980; MünchKomm.ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 903 Rdn. 19; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 903 Rdn. 14 f.; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 903 Rdn. 4 f.; Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl., § 903 Rdn. 8; HK-ZPO/Rathmann, 2. Aufl., § 903 Rdn. 9 f.).
b) Ein Gläubiger, der geltend macht, der Gerichtsvollzieher habe ein unvollständiges oder ungenaues Vermögensverzeichnis aufgenommen, ist zunächst gehalten, beim Gerichtsvollzieher eine Nachbesserung zu beantragen. Erst wenn der Gerichtsvollzieher den Antrag ablehnt, steht dem Gläubiger dagegen die Erinnerung nach § 766 ZPO zu (vgl. BGH NJW 2004, 2979, 2980; MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO § 903 Rdn. 21).
Der Rechtsbeschwerde kann nicht darin beigetreten werden, dass der Gläubiger ein Wahlrecht hat, ob er die Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses beim Gerichtsvollzieher beantragt oder im Rahmen eines Erinnerungsverfahrens vornehmen lässt. Die Auffassung, die dem Gläubiger ein Wahlrecht zubilligt (LG Hildesheim DGVZ 2000, 37 f.; LG Chemnitz DGVZ 2005, 166 f.; LG Nürnberg-Fürth DGVZ 2005, 165; Schmidt, DGVZ 2005, 180, 181), berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Nachbesserung nicht in einem neuen oder gesonderten Verfahren erfolgt, sondern Fortsetzung des alten Verfahrens ist, weil der Schuldner die ihm dort obliegende Offenbarungspflicht noch nicht vollständig erfüllt hat. Die von dem Gerichtsvollzieher durchgeführte Nachbesserung löst deshalb auch keine neuen Kosten aus (MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO § 903 Rdn. 20; Musielak/Voit aaO § 903 Rdn. 8; HK-ZPO/Rathmann aaO § 903 Rdn. 11), während bei Durchführung der Erinnerung nach § 766 ZPO zumindest eine Erhöhung der 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV-RVG auf 0,5 nach Nr. 3500 VV-RVG erfolgt (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Aufl., VV 3500 Rdn. 12).
Der Umstand, dass der Gerichtsvollzieher selbst zur Abhilfe der Erinnerung befugt ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, weil sich die Verfahrensgebühr bereits mit Einlegung der Erinnerung erhöht. Das Erinnerungsverfahren erweist sich damit im Vergleich zu einem Antrag auf Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses in jedem Fall als der kostenintensivere Weg. Dementsprechend hat der Gläubiger ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung einer Erinnerung erst dann, wenn der Gerichtsvollzieher die Nachbesserung ablehnt. Gegen diese Entscheidung ist die Erinnerung statthaft (LG Limburg DGVZ 2005, 183, 184; MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO § 903 Rdn. 21; Zöller/Stöber aaO § 900 Rdn. 41; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 903 Rdn. 5; Musielak/Voit aaO § 900 Rdn. 23; s. auch BGH NJW 2004, 2979, 2980). Die Gläubigerin hat nicht vorgetragen, dass die zuständige Gerichtsvollzieherin einen Auftrag zur Ergänzung des Vermögensverzeichnisses bislang abgelehnt hat. Damit fehlt der Gläubigerin für die von ihr eingelegte Erinnerung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
III. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1163 Nr. 16
WM 2008 S. 879 Nr. 19
EAAAC-75186
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja