Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ALG § 3 Abs 1 Nr 1 Regelung 3
Instanzenzug: Bayerisches LSG, L 16 LW 14/06 vom SG München, S 30 LW 32/05 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung der Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte.
Der 1970 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur für Landschaftspflege. Er bewirtschaftete ab landwirtschaftlich genutzte Flächen von insgesamt 23,01 ha. Die damalige Landwirtschaftliche Alterskasse (LAK) Oberbayern stellte daraufhin die Versicherungspflicht des Klägers fest (Bescheid vom ), befreite ihn davon aber antragsgemäß, weil sein Einkommen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft die maßgebliche Einkommensgrenze überschritt (Bescheid vom ). Der Kläger erklärte in dem ihm ausgehändigten Befreiungsantrag, ihm sei bekannt, dass die Befreiung "nur für die Zeiten besteht, in denen die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind". Außerdem verpflichtete er sich darin, den Wegfall des Befreiungsgrundes sofort mitzuteilen. Im Befreiungsbescheid verlautbarte die LAK ua: "Die Befreiung ist auf die Dauer der Erzielung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen befristet".
Im Rahmen einer im Dezember 2004 von der Beklagten (als Rechtsnachfolgerin der LAK Oberbayern) vorgenommenen Einkommensüberprüfung legte der Kläger im Januar 2005 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 vor, wonach er in dieser Zeit aus selbstständiger Arbeit keine positiven Einkünfte erzielt hatte. Ergänzend gab er an, seit bei der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von über 400 Euro beschäftigt zu sein. Außerdem teilte er mit, vom bis von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ein (Promotions-)Stipendium bezogen zu haben, im Jahre 2001 in Höhe von 1.600 DM monatlich zuzüglich einer monatlichen Pauschale von 300 DM für Sach- und Reisekosten und ab 2002 in Höhe von 850 Euro monatlich zuzüglich einer monatlichen Pauschale von 150 Euro für Sach- und Reisekosten.
Die Beklagte hob daraufhin durch Bescheid vom die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom bis zum auf, weil in dieser Zeit außerlandwirtschaftliches Erwerbs- bzw Erwerbsersatzeinkommen, das der Befreiung zugrunde gelegen habe, entfallen sei. Außerdem teilte sie dem Kläger mit, dass sein Beitragskonto einen Rückstand in Höhe von 5.158,92 Euro aufweise. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, das (Promotions-)Stipendium sei vergleichbares Einkommen iS des § 3 Abs 1 Nr 1 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), blieb ebenso erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ) wie seine Klage vor dem Sozialgericht (SG) München (Urteil vom ).
Nachdem der Kläger gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt hatte, hörte die Beklagte ihn zu der im Bescheid vom verfügten rückwirkenden Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht an. Nach dessen Rückäußerung lehnte sie eine Änderung der in diesem Bescheid getroffenen Entscheidung ab (Bescheid vom ). Dies begründete sie damit, dass der Kläger seiner gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen sei, weshalb sich eine (rückwirkende) Aufhebung des Befreiungsbescheides gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X rechtfertige. Zudem hätte dieser gewusst, dass der Befreiungsanspruch mit dem Wegfall der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit kraft Gesetzes entfallen sei, weshalb die Aufhebung auch nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X rechtmäßig sei. Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass er Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens sei.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat antragsgemäß das und den Bescheid der Beklagten vom aufgehoben sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom abgeändert, soweit die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom bis aufgehoben wurde (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei das vom Kläger für die Zeit vom bis bezogene (Promotions-)Stipendium ein dem Arbeitsentgelt und dem Arbeitseinkommen vergleichbares Einkommen iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Es werde zum Zwecke und für die Dauer des Forschungsvorhabens gezahlt, knüpfe also an die Forschungstätigkeit des Klägers an. Dies spreche für eine Wechselbeziehung zwischen der Leistungsgewährung und dem Fortgang der Forschungsarbeit. Auch wenn sich der Kläger verpflichtet habe, während des Forschungsvorhabens keine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und in der mit dem Kläger geschlossenen Vereinbarung ausdrücklich festgehalten werde, dass kein Arbeits- oder Dienstverhältnis zwischen Stipendiumsgeber und dem Stipendiaten bestehe, könne bei einem Stipendium eine Arbeitsleistung im weitesten Sinne nicht verneint werden. Auch sei aufgrund der Vereinbarung nachvollziehbar, dass der Kläger eine geistige Leistung geschuldet habe. Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift, nämlich Doppelversicherungen zu vermeiden, sprächen ebenfalls nicht gegen eine Anerkennung des Stipendiums als vergleichbares Einkommen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 1 Regelung 3 ALG. Bei dem vom Kläger bezogenen (Promotions-)Stipendium handle es sich entgegen den Ausführungen des LSG nicht um ein vergleichbares Einkommen iS dieser Vorschrift. Der auch in § 18a Abs 2 Satz 1 SGB IV verwendete Begriff des "vergleichbaren Einkommens" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der Erwerbseinkommen umschreibe, das dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen von seiner Funktion her und in seiner rechtlichen Ausgestaltung vergleichbar sei. Dies seien insbesondere Einkünfte von Ministern, parlamentarischen Staatssekretären oder Abgeordneten aus ihren öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen; diese stellten ihrer Rechtsnatur nach kein Erwerbseinkommen dar, träten aber an die Stelle des Verdienstausfalls und seien deswegen wie Arbeitsentgelt zu behandeln. Dem könnten die aus dem Stipendium bezogenen Geldleistungen nicht gleichgestellt werden. Die streitgegenständlichen Tätigkeiten des Klägers seien nicht auf Einkommenserwerb gerichtet. Wie bei Habilitationsstipendien handle es sich bei den (Promotions-)Stipendien der DBU um Leistungen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, nicht aber um die Vergütung für eine bestimmte Arbeits- oder Dienstleistung. Darüber hinaus orientiere sich die Höhe des Stipendiums an den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Sie seien damit so bemessen, dass die Kosten des Lebensunterhalts des Stipendiaten während der Forschungstätigkeit gedeckt würden, was ebenfalls gegen eine Vergleichbarkeit mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen spräche.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtenen Urteil für zutreffend. Das von der DBU gewährte Stipendium sei vergleichbares Einkommen iS von § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Im Übrigen seien die Bescheide auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht habe rückwirkend aufheben können. Ihm könne keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Dessen Tatsachenfeststellungen lassen noch keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob das LSG der Anfechtungsklage zu Recht stattgegeben hat.
1. Gegenstand der (isolierten) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) ist die rückwirkende Aufhebung der Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte vom bis , welche die Beklagte durch Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom verfügt hat. Zu Recht sind die Beteiligten und das LSG davon ausgegangen, dass auch die im Bescheid vom getroffene Entscheidung der Beklagten zumindest in entsprechender Anwendung von § 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Zwar wird dadurch der im Bescheid vom enthaltene Verfügungssatz ("Die Befreiung von der Versicherungspflicht wird mit Wirkung für die Zeit vom bis aufgehoben") nicht ersetzt oder inhaltlich abgeändert. Denn die Beklagte hat durch den im Bescheid vom enthaltenen Verfügungssatz ("Eine Änderung der ... getroffenen Entscheidung erfolgt nicht") den vorgenannten Verfügungssatz bestätigt, also zum Ausdruck gebracht, dass sie an ihrer Entscheidung festhalte. Eine inhaltliche Änderung oder teilweise Ersetzung ihrer bisherigen Entscheidung hat die Beklagte mithin gerade nicht vorgenommen, sondern abgelehnt. Jedoch wird auch ein Verwaltungsakt, der die im Gerichtsverfahren angefochtene Regelung (nach Nachholung der Anhörung) bestätigt entsprechend § 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand der Klage im Berufungsverfahren (so bereits Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom - B 4 RA 15/01 R, SozR 3-1300 § 24 Nr 22 S 74; zur entsprechenden Anwendung des § 96 Abs 1 SGG bei einem während der mündlichen Verhandlung durch Erklärung zu Protokoll erlassenen [bestätigenden] Verwaltungsakt: ; zur entsprechenden Anwendung des § 96 Abs 1 SGG bei einem negativen Zugunstenbescheid: 9a RV 39/91; zur Verneinung einer Anwendung des § 96 Abs 1 SGG bei einer wiederholenden Verfügung: , BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3 jeweils RdNr 7; allg zum Anwendungsbereich des § 96 Abs 1 SGG weiter: BSG, Beschluss des Großen Senats vom - GS 1/91, BSGE 75, 159, 165 = SozR 3-1300 § 41 Nr 7 S 13 f; , BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 jeweils RdNr 8 f).
2. Der Kläger kann die Aufhebung des Verwaltungsaktes vom nicht schon wegen einer Verletzung seines Anhörungsrechts beanspruchen (§ 42 Satz 2 SGB X; zu den in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen <ohne Rüge> zu prüfenden Aufhebungsvoraussetzungen wegen fehlender Anhörung: Beschluss des Großen Senats vom - GS 1/89, BSGE 70, 133, 135 ff = SozR 3-1300 § 24 Nr 6 S 16 ff; dazu auch schon: , BSGE 69, 247, 248 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 5 f). Die Beklagte ist zwar ihrer Pflicht nicht nachgekommen, dem Kläger bereits vor Erlass des streitigen belastenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X). Sie hat die erforderliche Anhörung jedoch noch rechtzeitig während des Berufungsverfahrens nachgeholt (§ 41 Abs 2 SGB X).
Durch die rückwirkende Aufhebung der Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte im Bescheid vom hat die Beklagte in Rechte des Klägers eingegriffen, indem sie die mit Bescheid vom für die Zeit ab zuerkannte Befreiung von der Versicherungspflicht rückwirkend ab entzogen hat, wobei im Rahmen der Prüfung der Anhörungspflicht dahingestellt bleiben kann, ob die Zuerkennung unter Vorbehalt oder bereits endgültig erfolgte (zur Anhörungspflicht bei einem Vorbehaltsbescheid: , BSGE 87, 122, 123 f = SozR 3-3900 § 22 Nr 2 S 10 ff). Sie war daher nach § 24 Abs 1 SGB X verpflichtet, den Kläger vor Erlass dieses Verwaltungsakts anzuhören. Sie konnte hiervon nicht nach § 24 Abs 2 SGB X absehen, denn keine der dort geregelten Ausnahmetatbestände liegt hier vor.
Die fehlende Anhörung ist gemäß § 41 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 3 SGB X idF des Art 10 Nr 5 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom (BGBl I 1983) bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt worden (vgl hierzu , SozR 3-1300 § 24 Nr 22 S 72 ff). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall in einem besonderen Verwaltungsverfahren während des Berufungsverfahrens, also vor Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanzen, die Handlungen vollzogen, die sie nach § 24 Abs 1 SGB X bereits vor Erlass des Eingriffsaktes hätte vornehmen müssen. In dem Anhörungsschreiben vom hat sie dem Kläger alle Haupttatsachen mitgeteilt, auf die sie die rückwirkende Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte stützten will, und ihm eine angemessene Frist (14 Tage) zur Äußerung gesetzt. Wie sich aus dem Bescheid vom ergibt, hat sie die Einlassungen des Klägers zur Kenntnis genommen und erkennbar geprüft, ob sie den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder aber ihn bestätigt. Dem Bescheid vom ist zu entnehmen, dass sie an ihrer Eingriffsentscheidung festhält.
3. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass als Ermächtigungsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung der Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte allein § 48 Abs 1 SGB X in Betracht kommt, denn die Beklagte hat im Befreiungsbescheid vom weder eine vorläufige Regelung getroffen (hierzu , BSGE 87, 122, 123 = SozR 3-3900 § 22 Nr 2 S 11 mwN) noch sich einen Widerruf vorbehalten. Der in dem Absatz "Wichtiger Hinweis" enthaltene Vorbehalt bezog sich nur auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1999.
Ebenso wenig hat die Beklagte die Befreiung mit einer nach § 32 Abs 1 und Abs 2 SGB X rechtlich zulässigen Nebenbestimmung (Bedingung, Befristung) versehen, deren Eintritt nach § 39 Abs 2 SGB X zur Unwirksamkeit der Entscheidung über die Befreiung geführt haben würde, ohne dass es einer rückwirkenden Aufhebung bedurft hätte. Dies ergibt die Auslegung des Befreiungsbescheides vom , die auch dem Revisionsgericht obliegt (vgl B 9/9a V 1/06 R, Umdruck RdNr 22 mwN). Die im Bescheid gewählte Formulierung ("Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist auf die Dauer der Erzielung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen befristet") konnte ein verständiger Empfänger, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, nicht als Befristung iS des § 32 Abs 2 Nr 1 SGB X verstehen; denn dies hätte von Seiten der Beklagten die Angabe eines bestimmten Zeitpunktes oder eines bestimmten Zeitraums erfordert. Vielmehr liegt es nahe, diesen Satz wie die vom Kläger im Befreiungsantrag abgegebene Erklärung zu verstehen, "dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die Zeiten besteht, in denen die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind", also als Hinweis auf die Abhängigkeit der Befreiung davon, dass ein über der maßgeblichen Einkommensgrenze liegendes (außerlandwirtschaftliches) Einkommen iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG bezogen wird.
4. Entgegen der Ansicht des LSG ist durch den Wegfall der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 Einkommensteuergesetz <EStG>) und den an deren Stelle tretenden Bezug des Stipendiums ab iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die beim Erlass des Befreiungsbescheides vorgelegen haben. Denn ab diesem Zeitpunkt hat der Kläger weder Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen noch Erwerbsersatzeinkommen oberhalb der nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG maßgebenden Einkommensgrenze bezogen. Der Auffassung des LSG, das als Stipendium bezogene Einkommen des Klägers sei ein dem Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen vergleichbares Einkommen, stimmt der erkennende Senat nicht zu.
Nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG in der bis zum geltenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom (BGBl I 1890) werden ua Landwirte auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet. Diese Einkommensgrenze für eine Befreiung lag 2001 bei 7.680 DM, 2002 bei 4.020 Euro und 2003 bei 4.080 Euro (ab 4.800 Euro) jährlich.
Das Stipendieneinkommen des Klägers von 1.900 DM monatlich (= 22.800 DM jährlich) im Jahre 2001 und von 1.000 Euro monatlich (= 12.000 Euro jährlich) ab 2002 ist kein "Arbeitsentgelt" aus einer Beschäftigung (dh einer nichtselbstständigen Arbeit) iS von § 7 Abs 1, § 14 Abs 1 SGB IV. Die wissenschaftliche Tätigkeit eines Stipendiaten stellt grundsätzlich keine entlohnte, abhängige Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts dar (vgl , DBlR 2532, AFG § 134; , DStR 1997, 712). Umstände, die hier eine davon abweichende Wertung zuließen, hat das LSG nicht angenommen. Nach dessen bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen liegen dem Stipendium die "Förderleitlinien für das Stipendienprogramm" (Förderleitlinien) der DBU zugrunde. Danach besteht zwischen der DBU und dem Stipendiaten kein Arbeits- oder Dienstverhältnis (Ziffer 6 Abs 1 Förderleitlinien). Für eine weisungsgebundene Beschäftigung im Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit (vgl hierzu , SozR 5750 Art 2 § 46 Nr 5 S 11) war demnach kein Raum.
Das vom Kläger als Stipendium bezogene Einkommen ist auch kein (außerlandwirtschaftliches) "Arbeitseinkommen" aus einer selbstständigen Tätigkeit iS des § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV idF des ASRG 1995. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Definition des Arbeitseinkommens fällt darunter nur der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Dies sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl etwa zuletzt , SozR 4-5420 § 2 Nr 1 RdNr 27) alle typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkommen, also nach dem Katalog des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG), bei denen sich die Einkünfte aus dem Gewinn ergeben (§ 2 Abs 2 Nr 1 EStG), wobei im Rahmen der Befreiung nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG nur außerlandwirtschaftliches Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist. Stipendien, die - wie hier (vgl Ziffer 6 Abs 2 Förderleitlinien) - nach § 3 Nr 44 EStG steuerfreie Einnahmen sind, stellen demnach kein Arbeitseinkommen dar.
Des Weiteren ist das Stipendium entgegen der Auffassung des LSG nicht als vergleichbares Einkommen iS von § 3 Abs 1 Nr 1 ALG einzuordnen. Denn hierunter fällt - wie bei § 18a Abs 2 Satz 1 SGB IV - nur Einkommen, das unmittelbar aus einer auf Einkommenserwerb gerichteten Tätigkeit stammt, also Erwerbseinkommen ist.
Eine Definition des Begriffs "vergleichbares Einkommen" ist weder in § 3 ALG noch in einer anderen Vorschrift enthalten. Auch die Gesetzesmaterialien zum ASRG 1995 (vgl BT-Drucks 12/5700 S 71 zu § 3) geben keine Hinweise, welche (außerlandwirtschaftlichen) Einkommen neben Arbeitsentgelt aus einer nicht selbstständigen Tätigkeit (= Beschäftigung) und Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers "vergleichbares Einkommen" sein sollen. Die Bedeutung des Begriffs ergibt sich jedoch aus dem Zusammenhang, in dem er in § 3 Abs 1 Nr 1 ALG gebraucht wird (zu den Kriterien der Auslegung von Gesetzen, insbesondere zum Bedeutungszusammenhang: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl 1992, S 208 ff, 214 ff). Dessen Satzstellung in § 3 Abs 1 Nr 1 ALG zeigt, dass Bezugspunkte für die Vergleichbarkeit die beiden unmittelbar vorangestellten Begriffe "Arbeitsentgelt" und (außerlandwirtschaftliches) "Arbeitseinkommen" sein sollen (vgl schon , GLA-Rdschr AH 006/2002).
Eine entsprechende Aufzählung der drei Begriffe (Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen) enthält auch § 18a Abs 2 Satz 1 SGB IV, wo sie zum "Erwerbseinkommen" zusammengefasst und dieses in § 18a Abs 1 SGB IV dem Erwerbsersatzeinkommen gegenübergestellt wird. Als "vergleichbares Einkommen" iS dieser Vorschrift wird von Rechtsprechung (vgl , SozR 3-2400 § 15 Nr 6 S 20; , SozR 3-2400 § 18a Nr 7 S 22 ff) und Literatur (vgl Seewald in KassKomm, § 18a SGB IV RdNr 6; Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 18a RdNr 29 f; Vor in LPK-SGB IV § 18a RdNr 22) Erwerbseinkommen verstanden, das von seiner Funktion her und in seiner rechtlichen Ausgestaltung dem Einkommen aus einer selbstständigen oder nicht selbstständigen Erwerbstätigkeit vergleichbar ist (so Sehnert, aaO; Vor, aaO). Das Kriterium für die Vergleichbarkeit ist dabei "in den Früchten des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft zu sehen" (so BSG SozR 3-2400 § 15 Nr 6 S 20). Nichts anderes gilt für die Auslegung des Begriffs "vergleichbares Einkommen" iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG.
Diese enge, an eine Erwerbstätigkeit anknüpfende Auslegung wird auch durch die Systematik des ALG bestätigt. Denn soweit der Gesetzgeber weitere Einkommensarten zugrunde legen will - wie zB bei der Einkommensberechnung für den Beitragzuschuss -, hat er auf die Summe der erzielten positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG abgestellt (§ 32 Abs 3 Satz 3 Nr 1 ALG) und damit auch andere, nicht mit regelmäßigem Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen vergleichbare Einkommen berücksichtigt (vgl hierzu , GLA-Rdschr AH 006/2002, zur Berücksichtigung von Einkommen aus Vermietung und Verpachtung).
Nach der Verwaltungspraxis (vgl Böttger ua, Alterssicherung der Landwirte, GLA-Kommentar, § 3 S 2.4 f; zu § 18a SGB IV: Seewald, aaO, RdNr 6; Sehnert, aaO, RdNr 35; Vor, aaO, RdNr 22; Paulus in juris PK-SGB IV § 18a RdNr 48) zählen zu den dem Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen vergleichbaren Einkommen iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG insbesondere
- Bezüge aus öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen, wie zB Bezüge von Ministern und parlamentarischen Staatssekretären sowie Abgeordnetendiäten
- Abfindungen des Arbeitgebers wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- vom Arbeitgeber gezahlte Vorruhestandsgelder.
Das aus dem Stipendium bezogene Einkommen ist kein vergleichbares Einkommen in diesem Sinne. Es entstammt nicht einer auf Einkommenserwerb gerichteten Tätigkeit. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl Meyers Enzyklopädisches Lexikon 1978, S 588; Brockhaus, Die Enzyklopädie 1998, S 161; Duden, Das Fremdwörterbuch 2008, Stipendium; Wikipedia, Stichwort Stipendium) ist ein Stipendium eine Geldleistung, mit der ua junge Wissenschaftler (Doktoranden, Habilitanden) von bestimmten Institutionen für bestimmte Projekte und Vorhaben (zB Anfertigung der Dissertation oder der Habilitationsschrift) finanziell unterstützt werden. Ein Forschungsstipendium hat also grundsätzlich seinen Zweck in der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Stipendiat wird im Interesse der Allgemeinheit gefördert. Eine Dienstleistungs- oder Arbeitspflicht gegen Vergütung im Sinne einer im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptpflicht gegenüber dem Stipendiengeber ist damit nicht verbunden. Die Förderung (finanzielle Unterstützung) soll gerade die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der wissenschaftlichen Forschung entbehrlich machen (hierzu , DBlR 2532, AFG § 134) und die Kosten für den Lebensbedarf während der Forschungstätigkeit abdecken. Dies war auch hier der Fall.
Das (Promotions-)Stipendium der DBU hatte nach den - vom LSG festgestellten - Förderleitlinien den Zweck, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und dadurch weiterführende Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Umweltschutzes zu ermöglichen (Ziffer 3 Förderleitlinien). Auch die Höhe des Stipendiums war nicht - wie in der Regel beim Arbeitsentgelt (§ 611 BGB) - vom zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung (also der aufgewendeten Arbeitszeit) abhängig, sondern orientierte sich mit einem monatlichem Festbetrag an den Kosten des Lebensbedarfs des Stipendiaten; außerdem war eine monatliche Pauschale für Sach- und Reisekosten und ein Familienzuschlag, abhängig vom Lebensbedarf der Ehefrau und der unterhaltsberechtigten Kinder, vorgesehen (Ziffer 5 Förderleitlinien). Mit der Annahme des Stipendiums verpflichtete sich der Kläger, seine Arbeitskraft auf das in seinem Stipendienantrag beschriebene Vorhaben (hier Anfertigung der Dissertation) zu konzentrieren; ihm war es ausdrücklich verboten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (Ziffer 9 Punkt 1 und 2 Förderleitlinien). Dieses Stipendium war demnach, worauf die Beklagte bereits zutreffend hingewiesen hat, keine Vergütung für eine bestimmte Arbeits- oder Dienstleistung aufgrund einer auf Einkommenserwerb gerichteten Tätigkeit und damit kein Erwerbseinkommen, also auch kein "vergleichbares Einkommen" iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG.
Schließlich handelt es sich bei dem Stipendium nicht um "Erwerbsersatzeinkommen". Nach der Definition des § 3 Abs 4 Satz 1 ALG fallen hierunter nur Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Hierzu zählen insbesondere Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung, Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen sowie vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis oder aus der Versorgung der Abgeordneten, ebenso Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, soweit es nicht nach § 55 SGB VII gewährt wird, ferner Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld nach dem SGB III sowie vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger (§ 3 Abs 4 Satz 2 ALG). Das Stipendium stellt offensichtlich keine der explizit aufgezählten Sozialleistungen dar. Da es sich beim der DBU als Stipendiengeber nicht um einen Sozialleistungsträger handelt, erübrigt sich die Frage nach der Vergleichbarkeit des Stipendiums mit den aufgezählten Erwerbsersatzeinkommen (zur Abgrenzung vgl , zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
Das bis Ende 2000 erzielte Arbeitseinkommen des Klägers ist also durch das Stipendium der DBU nicht "befreiungsunschädlich" ersetzt worden. Entgegen der Auffassung des LSG ist deshalb mit dem Wegfall der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) und mit dem Bezug des Stipendiums ab eine wesentliche Änderung in den relevanten Einkommensverhältnissen iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten, die zum Wegfall des Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte geführt hat (zu § 3 Abs 1 ALG als vorübergehende, temporäre Befreiung: , juris RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
5. Weitere Voraussetzung für eine rückwirkende Aufhebung mit Wirkung ab dem Eintritt der wesentlichen Änderung ist nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X ua
- dass der Betroffenen einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr 2) oder
- dass der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr 4).
Dazu hat das LSG - aus seiner rechtlichen Sicht konsequent - keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Da das BSG entsprechende Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht nachholen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ZAAAC-75179