BFH Urteil v. - X R 24/06

Abgrenzung des gewerblichen Wertpapierhandels von der privaten Vermögensverwaltung bei Optionsgeschäften einer angestellten Börsenmaklerin

Gesetze: EStG § 15 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit bei der Börsenmaklerfirma B-GmbH (GmbH) und ab bei der Nachfolgefirma N-GmbH (GmbH) als Börsenmaklerin angestellt. Beide Unternehmen befassten sich mit der Vermittlung von Wertpapiergeschäften. Die Klägerin wurde im Eurobond-Handel eingesetzt. Für ihre Tätigkeit erhielt sie ein festes monatliches Gehalt.

Der Klägerin war wie zwei weiteren angestellten, zum Handel an der Börse zugelassenen Börsenmaklern (alle im Vertrag als Händler bezeichnet) vertraglich gestattet, innerhalb der von der Börse festgelegten Statuten „Positionen einzugehen”, und zwar namens der GmbH, jedoch für eigene Rechnung. Für Rechnung der Arbeitgeberin durften keinerlei Positionen eingegangen werden. Insoweit sollte sich der Handel auf die reine Maklertätigkeit beschränken. Die Händler waren verpflichtet, die GmbH im Innenverhältnis von allen gegen sie gerichteten Ansprüchen aus derartigen Geschäften freizustellen. Unabhängig davon verpflichteten sie sich, offene Händlerpositionen spätestens dann zu schließen, sobald sich ein Verlust von 10 000 DM errechnen sollte.

In den Streitjahren führte die Klägerin auf eigene Rechnung Geschäfte mit Zins- und Währungsoptionsscheinen durch. Die erzielten Überschüsse flossen —wie bei den anderen angestellten Händlern— auf ein Bankkonto der Arbeitgeberin, wurden auf einem Interimskonto verbucht und in gewissen Zeitabständen an die beteiligten Personen ausgezahlt. Ohne festen Verteilungsschlüssel wurden die Erlöse unter den Beteiligten entsprechend dem jeweiligen persönlichen Engagement verteilt. Auf die von der Klägerin auf eigene Rechnung getätigten Abschlüsse stellte die GmbH Maklerprovisionen in Rechnung.

Die Klägerin erzielte —in den Einkommensteuererklärungen als steuerfreie Spielgewinne angegebene— Überschüsse. In der Anlage zur Einkommensteuererklärung 1989 „Steuerfreie Einnahmen” bezifferte die Klägerin den Zeitraum bis zum Abschluss der Geschäfte auf höchstens drei Tage. Auf Anfrage erklärte die Klägerin, dass die Einkünfte die Ergebnisse der damals getätigten Differenzgeschäfte darstellten. Etwaige Ausgaben seien nicht angefallen und auch nicht in den erklärten Überschüssen enthalten.

Zunächst setzte das Wohnsitzfinanzamt der Klägerin die von ihr angegebenen Überschüsse als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit an. Über die dagegen eingelegten Einsprüche lag jedenfalls bei Erlass des angefochtenen Urteils noch keine Entscheidung vor. Zwischenzeitlich führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) auf Anregung des Wohnsitzfinanzamtes gesonderte Gewinnfeststellungen durch. In den gesonderten Gewinnfeststellungsbescheiden für die Streitjahre 1989 bis 1993 vom wurden die Einnahmen aus der Tätigkeit der Klägerin den Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit zugerechnet.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Bescheid vom hob das FA die Feststellungsbescheide aus formalen Gründen (fehlender Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 der AbgabenordnungAO—) auf und erließ am für die Streitjahre erneut gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide. In den Erläuterungen wies das FA darauf hin, dass der jeweilige Feststellungsbescheid nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei. Nach § 181 Abs. 5 AO könne er deshalb nur solchen Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt werden, deren Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen sei.

Mit Schreiben vom wurde gegen die neuerlichen Gewinnfeststellungsbescheide erfolglos Einspruch eingelegt.

Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, die Durchführung von Eigengeschäften durch angestellte Börsenmakler sei seinerzeit branchenüblich gewesen. Für diese Geschäfte sei der beruflich erworbene Informationsvorsprung gewinnbringend genutzt worden. In dieser Form seien die Geschäfte heute wegen der inzwischen in Kraft getretenen Insider-Richtlinien nicht mehr zulässig. Es sei mit Zins- und Währungsscheinen gehandelt worden. Entgegen der Auffassung des FA handele es sich bei den erzielten Einnahmen aber nicht um gewerbliche Einnahmen.

Weiter wurde vorgetragen, dass die Feststellungsbescheide nach ihrer Aufhebung im Bescheid vom nicht mehr erneut hätten erlassen werden dürfen. Dem stehe u.a. die Feststellungsverjährung entgegen. Eine Nachholung des in § 181 Abs. 5 Satz 2 AO vorgesehenen Vermerks in Form eines Ergänzungsbescheids sei unzulässig.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1322 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Es beurteilte die Einkünfte der Klägerin aus ihren Aktivitäten an der Börse als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Feststellungsverjährung bei Ergehen der Bescheide vom verneinte das FG im Hinblick auf die vom Wohnsitzfinanzamt erlassenen, noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 1989 bis 1993 und den in den Feststellungsbescheiden gemachten Hinweis auf die Vorschrift des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO. Dieser Hinweis sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Rahmen eines nachträglichen Ergänzungsbescheids gegeben worden. Die Feststellungsbescheide vom April 2003 seien vom FA vielmehr vollständig neu erlassen worden.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie bringt vor, mit der im Zuge des Einspruchsverfahrens gegen die Feststellungsbescheide vom am vorgenommenen Aufhebung dieser Bescheide sei die Hemmung des Ablaufs der Feststellungsfrist rückwirkend entfallen, so dass die Frist für den Erlass der Feststellungsbescheide vom —zumindest für den Veranlagungszeitraum 1989— bereits abgelaufen gewesen sei.

Weiter macht die Klägerin geltend, dass ihre Tätigkeit weder dem „Bild des Gewerbebetriebs” noch dem ab Beginn 1998 gesetzlich geregelten Berufsbild des „Wertpapierhändlers” entsprochen habe und auch nicht unter den gesetzlich geregelten Begriff des „Finanzunternehmens” subsumiert werden könne. Erklärt, dokumentiert und begründet worden seien steuerfreie Spielgewinne. Die von ihr getätigten Differenzgeschäfte wären ohne Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr durchgeführt worden. Sie hätten weder eine Tätigkeit gegen Entgelt beinhaltet noch seien sie für Dritte äußerlich erkennbar angeboten worden. Sie seien zwar von Gewinnerzielungsabsicht getragen, jedoch nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet gewesen.

Die Klägerin rügt außerdem die Verletzung der dem FG nach § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) obliegenden Sachaufklärungspflicht. Auch ohne Antrag hätte das FG von Amts wegen aufgrund der Klagebegründung den damaligen Geschäftsführer der Arbeitgeberin der Klägerin befragen müssen. Seine Aussage hätte ergeben, dass objektiv/inhaltlich steuerfreie Spielgewinne als steuerliche Annehmlichkeiten i.S. des § 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegeben gewesen seien. Das FA habe „keine Ahnung” über den von ihm fehlerhaft entschiedenen Sachverhalt gehabt.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA vertritt die Ansicht, das Vorbringen der Klägerin lasse nicht erkennen, welche Rechtsnormen durch die Vorentscheidung verletzt worden seien. Das gelte für die erhobene Verfahrensrüge ebenso wie für die Rüge der Verletzung des materiellen Rechts. Hinsichtlich der Verfahrensrüge habe die Klägerin zudem außer Acht gelassen, dass die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht einen verzichtbaren Verfahrensmangel betreffe und die Klägerin die Rüge im Verfahren vor dem FG unterlassen habe. Zum materiellen Recht habe die Klägerin Teile des Akteninhalts wiedergegeben, jedoch den Bezug des Akteninhalts zum angefochtenen Urteil nicht erkennbar gemacht.

II. Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin mit ihren Aktivitäten an der Börse Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

1. Die Revision ist entgegen der Ansicht des FA zulässig. Das Vorbringen der Klägerin lässt unzweifelhaft erkennen, dass sie das Urteil des FG als mit dem materiellen Bundesrecht nicht vereinbar ansieht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Klägerin betrachtet die vom FG getroffene Abgrenzung zwischen gewerblichem Handeln und privater Vermögensverwaltung als verfehlt. Sie bestreitet die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und verneint die Steuerbarkeit der nach ihrer Ansicht als Spielgewinne zu behandelnden Einnahmen. Aus diesen Ausführungen ist für das Revisionsgericht auch ohne Zitieren einer gesetzlichen Bestimmung ersichtlich, an welchen Maßstäben das angefochtene Urteil gemessen werden soll. Das genügt den in § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO geregelten Anforderungen an eine Revisionsbegründung. Die Angabe eines bestimmten Paragraphen ist nicht erforderlich (siehe dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 58, m.w.N.).

2. Gemäß § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss hinzukommen, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (ausführlich Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. III. 3. b aa, seither ständige Rechtsprechung).

a) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Dabei sind die einzelnen Umstände zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (Senatsurteil vom X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706). Anzeichen für eine Zuordnung zum „Bild des Wertpapierhandels” sind z.B. der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132, 135; vom I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, und vom IX R 35/01, BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26).

In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (Beschlüsse des Großen Senats des , BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. I.; vom GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. II.; Senatsurteil vom X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408).

b) Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das „Bild des Gewerbebetriebs” durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren.

c) Ob eine Tätigkeit noch der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen ist, lässt sich nicht für alle Bereiche nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten (Senatsurteil vom X R 37/00, BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464, unter II. b aa).

d) Bezogen auf z.B. den An- und Verkauf von Wertpapieren gehört es zu den von der Rechtsprechung herangezogenen Beweisanzeichen, wenn in „bankentypischer Weise” mit beruflich erlangten Kenntnissen Kursdifferenzen ohne Einsatz eigenen Vermögens ausgenützt werden (BFH-Entscheidungen vom III R 9/89, BFH/NV 1994, 80; vom IX B 47/99, BFH/NV 2000, 185; in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706).

Seit jeher hat die Rechtsprechung auf Merkmale der Professionalität abgehoben (siehe dazu die Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II. 2. d). Für die Tätigkeiten am Kapitalmarkt haben sie sich im Gesetz über das Kreditwesen (KredWG) niedergeschlagen, ergänzend im Wertpapierhandelsgesetz vom (BGBl I 1994, 1749; Neubekanntmachung in BGBl I 1998, 2708) und in der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom über Wertpapierdienstleistungen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom Nr. L 141, S. 27 —EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie—).

e) Aus diesen normativen Vorgaben hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408 (unter II. 2. f, g) Kriterien abgeleitet, die von hoher Indizwirkung für das Vorliegen einer gewerblichen Wertpapierhandelstätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 EStG sind.

aa) So ist für das Wertpapierhandelsunternehmen ein Tätigwerden „für andere” (§ 1 Abs. 1a Satz 1 KredWG), vor allem ein Tätigwerden „für fremde Rechnung” (so ausdrücklich § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KredWG, der auch schon im Streitjahr —seit Erlass des KredWG im Jahre 1961 unverändert— anzuwenden war) kennzeichnend.

Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung, die schon früh dem Merkmal des Tätigwerdens für fremde Rechnung besonderes Gewicht im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung beigemessen hat (, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389; vom XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, unter II. 2. b; in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II. 3. f).

bb) Umgekehrt deutet ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung im Regelfall darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird (, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, unter II. 1. b). Zu beachten ist allerdings, dass gewerblich tätige Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KredWG), wenn sie —nicht anders als private Anleger— für eigene Rechnung tätig werden, sich dadurch vom privaten Anleger unterscheiden, dass sie den Handel mit institutionellen Partnern betreiben, also nicht lediglich über eine Depotbank am Marktgeschehen teilnehmen. Schon die bisherige Rechtsprechung hat ein Tätigwerden im unmittelbaren Handel mit anderen Marktteilnehmern als starkes Indiz für Gewerblichkeit angesehen (, BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620: Tätigwerden am grauen Pfandbriefmarkt; vom X R 39/88, BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631, unter 3. c: bankentypische Betätigung durch unmittelbaren Telefonhandel mit Marktteilnehmern; in BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389, sowie in BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, unter II. 2. a: Anbieten von Wertpapiergeschäften einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber).

cc) Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, ob die Betätigung am Kapitalmarkt die Haupttätigkeit des Steuerpflichtigen darstellt (vgl. § 1 Abs. 3 KredWG). Privatanleger, die ihre An- und Verkaufstätigkeit neben einer Hauptbeschäftigung und außerhalb der üblichen Arbeitszeiten in ihrer Freizeit ausüben bzw. durch ein Finanzunternehmen ausüben lassen, entsprechen nicht dem Bild des Finanz-"unternehmens”.

f) Schließlich müssen bei der Würdigung der im Streitfall vorliegenden Beweisanzeichen und ihrer Gewichtung die Besonderheiten der Teilnahme an Optionsgeschäften berücksichtigt werden.

aa) Optionen werden nicht zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen erworben. Sie gewähren keine Früchte, sondern werden dadurch „verwertet”, dass der Inhaber sie ausübt oder verfallen lässt, bei Bestehen eines Sekundärmarktes auch durch Veräußerung.

bb) Im rechtstatsächlichen Regelfall sind diese Geschäfte „privater” Natur und (nur) nach näherer Maßgabe des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar. Das beruht auf der Grundentscheidung des Gesetzgebers, „gelegentliche” —§ 22 Nr. 3 EStG— (Dienst-) Leistungen sowie auch mehrfache An- und Verkaufsvorgänge nicht in die Gewerblichkeit einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706). Der Gesetzgeber hat die grundsätzlich private Natur von Termingeschäften dadurch bestätigt, dass er sie mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402) als im privaten Bereich steuerbar erfasst hat. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n.F. gelten Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine als Termingeschäfte im Sinne dieser Bestimmung.

3. Trotz dieser mit Optionsgeschäften verbundenen Besonderheiten ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das FG hat seine Beurteilung maßgeblich darauf gestützt, dass die Klägerin sich in Ausübung ihrer beruflichen Position ohne Einsatz eigenen Vermögens wie eine Händlerin am institutionellen Markt bewegt sowie mit den Marktteilnehmern in unmittelbarer Beziehung agiert hat und dabei Kursdifferenzen ausgenützt und sich damit bankentypisch verhalten hat. Diese Würdigung des FG lässt keine Rechtsfehler, insbesondere keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen. Zu Recht hat das FG berücksichtigt, dass der (sinnvolle) Einsatz von Optionsgeschäften besondere Kenntnisse erfordert, die bei einem durchschnittlichen Privatanleger in der Regel nicht vorhanden sind. Die sinnvolle Nutzung derivativer Finanzinstrumente erfordert besondere Kenntnisse und Erfahrungen, über die ein durchschnittlicher Anleger nicht verfügt (vgl. Schick, Die Besteuerung von Optionsgeschäften, 1998, S. 236). Die Klägerin hat die sich ihr aufgrund ihrer beruflichen Stellung ergebenden Möglichkeiten genutzt. Dahingestellt bleiben kann, ob sie die Überschüsse aus dem Kauf bzw. Verkauf von Optionsscheinen, als Stillhalterin oder —wie sie behauptet— überwiegend durch Differenzgeschäfte erzielt hat. Ohne den ihr durch ihren Arbeitgeber eröffneten Zugang zum institutionellen Markt der Börse hätte sie keine unmittelbare Beziehung zu den Marktteilnehmern aufnehmen können, sondern wäre auf die Einschaltung gewerblich tätiger Finanzunternehmen angewiesen gewesen. Die spätere Einschränkung der für eigene Rechnung möglichen Tätigkeit der Klägerin durch die Insider-Richtlinien ändert daran nichts, sondern bestätigt im Gegenteil, dass die Klägerin aus den Optionsgeschäften nur aufgrund ihrer besonderen, in ihrer beruflichen Stellung begründeten Kenntnisse Überschüsse erzielen konnte. Insoweit unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt wesentlich von dem vom IX. Senat des (BFH/NV 2005, 51), entschiedenen Sachverhalt, in dem der handelnden Steuerpflichtigen die entscheidenden Merkmale der Professionalität fehlten.

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie durch ihre Tätigkeit auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Sie ist mit anderen Marktteilnehmern in Kontakt getreten. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass Optionsgeschäfte, die eine physische Erfüllung ausschließen und letztlich nur auf einen Barausgleich zwischen Basispreis und dem aktuellen Marktpreis gerichtet sind, ebenso wenig wie Differenzgeschäfte eine Tätigkeit begründeten, die am Markt gegen Entgelt angeboten werde (so beiläufig der XI. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, unter II. 1. a der Entscheidungsgründe; anders z.B. Schick, a.a.O., S. 233 f., mit Nachweisen der Literatur). Selbst die Leistung des Stillhalters ist ein wirtschaftlich relevantes Verhalten, das als solches marktgerecht vergütet wird. Die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Wertpapieroptionsgeschäftes liegt insbesondere darin, dass der Anleger durch den Erwerb von Kaufoptionen mit einem gegenüber dem Erwerb der Basiswerte per Kasse relativ geringen Kapitaleinsatz an möglichen Kurssteigerungen der Basiswerte teilhaben kann (Hebel- oder Leverage-Effekt; Senatsurteil vom X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; ausführlich Hartung, Das Wertpapieroptionsgeschäft in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 52 ff.; Lingner, Optionen, 1987, S. 16 f.).

5. Unbeachtlich ist der Einwand der Klägerin, durch ihre Aktivitäten habe sie Spielgewinne erzielt, die nicht steuerbar seien. Sie habe schon aufgrund der arbeitsvertraglichen Bestimmungen keinen Gewerbebetrieb nebenbei führen, sondern lediglich Spielgewinne erzielen dürfen. Entscheidend ist, dass es der Klägerin mit Erlaubnis ihres Arbeitgebers möglich war, auf eigene Rechnung an der Börse aktiv tätig zu sein, dass sich dagegen die Frage, ob „Geschäfte mit Spielcharakter” steuerbar sind, nach dem jeweils einschlägigen Steuertatbestand richtet. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Differenzgeschäfte wegen eines „Spielcharakters” schlechthin nicht steuerbar wären, gibt es nicht. Dass nach bürgerlichem Recht Ansprüche aus Differenzgeschäften zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind, ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung (vgl. Senatsurteil in BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300).

6. Die Rüge der Klägerin, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzt, weil es den seinerzeitigen Geschäftsführer der Arbeitgeberin der Klägerin nicht von Amts wegen dazu befragt habe, „dass die Tätigkeit der Revisionsklägerin allein wegen der untergeordneten „Spielgewinne” zu keiner Wettbewerbsituation mit der Arbeitgeberin geführt habe”, geht aus mehreren Gründen ins Leere.

Zum einen hat die Klägerin nicht dargetan, weshalb sich diese Befragung dem FG habe aufdrängen müssen, obwohl sie fachkundig vertreten war und keinen in diese Richtung gehenden Beweisantrag gestellt hat.

Zum anderen handelt es sich bei der Rüge mangelnder Sachaufklärung um eine verzichtbare Rüge. Die Klägerin hat nicht vorgebracht, weshalb sie an einer solchen Rüge in der mündlichen Verhandlung verhindert war.

Schließlich zielt die von der Klägerin als erheblich angesehene Frage nicht auf die Feststellung irgendwelcher für die Entscheidung des Streitfalls relevanten Tatsachen. Sie beinhaltet vielmehr eine steuerrechtliche Qualifizierung der zu beurteilenden Gewinne der Klägerin, die vom FG vorzunehmen ist und nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein kann.

7. Der Einwand der Klägerin, jedenfalls für den Veranlagungszeitraum 1989 stehe der Gewinnfeststellung der Ablauf der Feststellungsfrist entgegen, greift nicht durch. Maßgebend für die Feststellungsverjährung ist im Streitfall § 181 Abs. 5 AO, weil die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuerveranlagung noch nicht abgelaufen ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 774 Nr. 5
EStB 2008 S. 169 Nr. 5
HFR 2008 S. 701 Nr. 7
KÖSDI 2008 S. 15930 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 16048 Nr. 6
QAAAC-74453