Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: InsO § 7; InsO § 8 Abs. 1 Satz 2; InsO § 8 Abs. 1 Satz 3; InsO § 286 bis 303; InsO § 287 Abs. 1; InsO § 289 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 175 Abs. 1 Satz 3 a.F.; ZPO § 184 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: AG Mühlhausen, 8 IN 376/00 vom LG Mühlhausen, 2 T 168/04 vom
Gründe
I.
Am beantragte eine Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, der ein Elektroinstallationsgeschäft betrieb. Nach einem entsprechenden Hinweis des Insolvenzgerichts stellte der Schuldner am Eigenantrag, der zunächst als gesondertes Verfahren [8 IN 403/00] geführt wurde. Mit Beschluss vom eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren und wies den Schuldner darauf hin, "dass er unter den Voraussetzungen der § 286 bis 303 InsO Restschuldbefreiung beantragen kann". Gleichzeitig wurde der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom hat das Insolvenzgericht beide Verfahren verbunden. Der Berichtstermin wurde am abgehalten; der Insolvenzverwalter reichte am seinen Schlussbericht ein. Mit am beim Insolvenzgericht eingegangenen Schreiben beantragte der Schuldner Restschuldbefreiung. Das Insolvenzgericht wies den Antrag mit Beschluss vom als verspätet zurück, weil der Antrag erst nach Abhaltung des Berichtstermins eingereicht worden sei. Dieser Beschluss sollte dem Schuldner gemäß Verfügung vom durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. Der Gerichtswachtmeister gab das dem Schuldner betreffende Schriftstück am zur Post auf. Mit Schreiben vom , beim Insolvenzgericht am eingegangen, legte der Schuldner gegen den Beschluss vom sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen mit der Begründung, der Schuldner habe die zweiwöchige Beschwerdefrist nicht eingehalten. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, §§ 7, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts hat der Schuldner die sofortige Beschwerde nicht nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingelegt.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass das Insolvenzgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auswählen kann, ob die Zustellung förmlich oder durch Aufgabe zur Post erfolgen soll. Die Zustellung durch Aufgabe zur Post kann an Personen im In- und Ausland erfolgen; § 8 Abs. 1 Satz 2 InsO ist lediglich eine Rechtsfolgenverweisung (, ZIP 2003, 726, 727; v. - IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768, 769).
b) Unbeachtet gelassen hat das Beschwerdegericht, dass hier die zweiwöchige Beschwerdefrist nicht mit Bewirken der Zustellung durch Aufgabe zur Post in Lauf gesetzt wurde. Nach der Neufassung des § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt das Schriftstück frühestens zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Nach dem Wegfall des § 175 Abs. 1 Satz 3 ZPO a.F. fehlte im hier maßgeblichen Zeitraum eine gesetzliche Grundlage dafür, eine kürzere Frist für Inlandszustellungen anzunehmen (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 8 Rn. 7; HambKomm-InsO/Rüther, 2. Aufl. § 8 Rn. 8; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 8 Rn. 4; Keller NZI 2002, 581, 586). Daher war am , als die Beschwerdeschrift des Schuldners beim Insolvenzgericht eingegangen ist, die zweiwöchige Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen. Maßgeblich ist § 8 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. Die durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom eingeführte Fiktion des § 8 Abs. 1 Satz 3 InsO, wonach bei Zustellungen im Inland das Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, findet auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben und unterliegt der Aufhebung. Das Verfahren ist an das Landgericht zur sachlichen Verbescheidung der sofortigen Beschwerde zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die Auffassung des Insolvenzgerichts, der Schuldner habe den Antrag auf Restschuldbefreiung verspätet gestellt, unzutreffend ist.
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Frist für den Restschuldbefreiungsantrag hinzuweisen hat (BGHZ 162, 181, 184). Der Schuldner soll nicht aus Rechtsunkenntnis die Möglichkeit auf die Restschuldbefreiung verlieren. Ein fehlerhafter, unvollständiger oder verspäteter Hinweis des Insolvenzgerichts, durch den regelmäßig das Recht des Schuldners auf das rechtliche Gehör verletzt wird, darf jenem nicht zum Nachteil gereichen. Hat es das Insolvenzgericht versäumt, den Schuldner auf die Frist des § 287 Abs. 1 InsO hinzuweisen, ist ein erst später gestellter Restschuldbefreiungsantrag nicht verfristet (vgl. BGHZ 162, 181, 186 f).
b) Das Insolvenzgericht hat den Schuldner im Eröffnungsbeschluss vom lediglich darauf hingewiesen, er könne unter den Voraussetzungen der §§ 286 bis 303 InsO Restschuldbefreiung beantragen. Der gebotene Hinweis auf die damals geltende Frist des § 287 Abs. 1 InsO a.F., nach der der Restschuldbefreiungsantrag spätestens im Berichtstermin gestellt werden muss, fehlte dagegen. Auch der gerichtliche Hinweis vom auf Stellung eines Eigenantrags, hat das Fristerfordernis nicht angesprochen. Dem letztgenannten Hinweis ist der Schuldner mit Stellung des Eigenantrages vom nachgekommen; nach Verfahrensverbindung vom liegt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ein wirksamer Eigenantrag vor.
Es ist daher über den Restschuldbefreiungsantrag zu entscheiden. Hinsichtlich des Beginns der Wohlverhaltensperiode gelten die Grundsätze des Senatsbeschlusses vom - IX ZB 72/06, ZInsO 2007, 1224, 1225.
Fundstelle(n):
IAAAC-74019
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein