BFH Urteil v. - IV R 62/05 BStBl 2008 II S. 557

Zeitpunkt der Gewinnrealisierung bei Inkassotätigkeit

Leitsatz

Der Gewinn aus einer Inkassotätigkeit ist realisiert, wenn und soweit dem Unternehmer für eine selbständig abrechenbare und vergütungsfähige (Teil-)Leistung gegenüber seinem Auftraggeber ein prinzipiell unentziehbarer Provisionsanspruch zusteht. Dies gilt auch, wenn ein solcher Provisionsanspruch nur für Teilzahlungen des Schuldners besteht.

Gesetze: EStG § 5 Abs. 1 Satz 1HGB § 249 Abs. 1 Satz 1HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug: (EFG 2006, 401) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, ist auf dem Gebiet der Wirtschaftsberatung, des Inkassos und des Marketings tätig. An ihr ist als Komplementär Herr N und als Kommanditistin mit einer (nicht eingezahlten) Kommanditeinlage von 500 DM die Y-GmbH beteiligt. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Das Geschäftsjahr der Klägerin ist das Kalenderjahr.

Im Bereich des Inkassos bietet die Klägerin unter anderem das sogenannte Überwachungsverfahren zur Beitreibung bereits rechtskräftig festgestellter Forderungen an. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin (im Folgenden auch: X) für das Überwachungsverfahren enthalten unter anderem folgende Vorschriften:

„4.4 Der Auftrag kann vom Auftraggeber nur unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren gekündigt werden.…Hat X Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet, so ist die Kündigung erst nach Erstattung der entstandenen Gebühren, Auslagen und Provisionen zulässig. Wenn vom Schuldner Zahlung geleistet wird oder in Aussicht steht, kann während dieser Zeit der Auftrag vom Auftraggeber nicht gekündigt werden. ...

5. Für die Bearbeitung des Überwachungsauftrages wird, abgesehen von der Anerkennungsgebühr für das Formular, keine Gebühr berechnet. X trägt das volle Kostenrisiko und hat das Recht, alle zur erfolgreichen Durchführung des Auftrages erforderlich erscheinenden Maßnahmen nach eigenem Ermessen zu treffen. Die Erfolgsprovision von X beträgt 50 % zuzüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Mehrwertsteuer nach Abdeckung der Auslagen. X kann die Übernahme des Kostenrisikos ablehnen.

6. X ist berechtigt, jeweils vor Weiterleitung der vom Schuldner erlangten Gelder an den Auftraggeber die entstandenen Auslagen und Kosten sowie einen seinem Provisionsanteil entsprechenden Betrag einzubehalten oder zu verrechnen. Unmittelbare Leistungen des Schuldners oder eines Dritten an den Auftraggeber in Geld- oder Sachwerten lassen den Provisionsanspruch von X unberührt. Der Provisionsanspruch bleibt auch bestehen, wenn der Schuldner erst nach Ablauf der Kündigungsfrist Leistungen erbringt, es sei denn, der Auftraggeber beweist, daß die Leistungen nicht auf Maßnahmen von X zurückzuführen sind. ...

8. X hat das Recht, dem Schuldner Teilzahlungen zu gestatten.

...

9. X hat das Recht, den Auftrag abzulehnen oder ein laufendes Verfahren einzustellen.”

Während des Überwachungsverfahrens zahlen die Schuldner im Regelfall den geschuldeten Betrag in kleineren Teilbeträgen. Die Klägerin rechnet die laufenden Zahlungseingänge mit ihren Auftraggebern ab, d.h. sie kehrt nach Abzug ihrer Auslagen und der Provision die eingetriebenen Teilbeträge an die Auftraggeber aus.

Bis 1999 vereinnahmte die Klägerin die Provisionen im Jahr der Abrechnung erfolgswirksam. Für das Geschäftsjahr 2000 (Streitjahr) stellte sie diese Handhabung um und grenzte die Provisionen aus laufenden Verträgen, in denen sie schon einmal eine Zahlung des Schuldners erhalten hatte, unter Zugrundelegung einer Bearbeitungszeit von 10 Jahren passiv wie folgt ab:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
gesamte Provisionen
... DM
./. abgeschlossene Akten
... DM
erhaltene Anzahlungen
... DM

Die unfertigen Leistungen schätzte die Klägerin in der Weise, dass bei einer Bearbeitungszeit von 10 Jahren im ältesten Jahr (1991) 9/10 der erhaltenen Provisionen aus noch nicht abgeschlossenen Akten und im Jahr 2000 0/10 angesetzt wurden. Danach ergab sich für das Streitjahr ein Betrag für unfertige Arbeiten in Höhe von ... DM, den die Klägerin aktivierte.

Im Anschluss an eine abgekürzte Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Bilanzierung des Aktivpostens „unfertige Leistungen” und des Passivpostens „erhaltene Anzahlungen” nicht an und löste diese erfolgswirksam auf.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 401 veröffentlichten Gründen ab. Hinsichtlich der beigetriebenen und abgerechneten Teilbeträge sei (Teil-)Gewinnrealisierung eingetreten. Für die Bildung eines Aktivpostens für unfertige Leistungen und eines Passivpostens für erhaltene Anzahlungen sei damit kein Raum mehr. Der Inkassoüberwachungsvertrag sei als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren. Vertragliche Hauptpflicht der Klägerin sei das Eintreiben der geschuldeten Forderung. Die Klägerin habe den Vertrag zwar erst dann vollständig erfüllt, wenn der gesamte geschuldete Betrag eingetrieben oder der Überwachungsauftrag gekündigt worden sei. Bei der Beitreibung von Teilbeträgen handele es sich jedoch um selbständige Teilleistungen, über die entsprechend der vertraglichen Absprache mit dem Auftraggeber gesondert und endgültig abgerechnet werde.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass ein Verlust in Höhe von ... DM festgestellt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin begehrte Gewinnminderung nicht in Betracht kommt, weil zum einen Gewinnrealisierung insoweit eingetreten ist, als die Klägerin die auf die (Teil-)Zahlungen entfallenden Provisionen verdient hat. Im Ergebnis zutreffend hat das FG zum anderen auch die Berücksichtigung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten abgelehnt. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.

a) Den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sehen Rechtsprechung und herrschende Meinung im Schrifttum im Allgemeinen als gegeben an, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht hat, d.h. seine Verpflichtung „wirtschaftlich erfüllt” hat. Damit steht dem Leistenden der Anspruch auf die Gegenleistung (die Zahlung) so gut wie sicher zu. Sein Risiko reduziert sich darauf, dass der Empfänger im Einzelfall Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Dann aber ist der Schwebezustand des zugrunde liegenden Geschäfts beendet und der Gewinn aus dieser Leistungsbeziehung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB realisiert (vgl. , BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, und vom XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786, jeweils m.w.N.; Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl., S. 265 ff.).

Eine Dienst- oder Werkleistung ist „wirtschaftlich erfüllt”, wenn sie —abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen— erbracht worden ist (vgl. , BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291, unter II. der Gründe, und vom IV R 12/99, BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25, insbesondere unter 1.c der Gründe, jeweils m.w.N.). Bei Werkverträgen i.S. des § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bedarf es außerdem der Abnahme des Werks durch den Besteller, um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen (vgl. , BFHE 211, 206, BStBl II 2006, 26, m.w.N.). Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, m.w.N.).

Hat der Leistungsverpflichtete bisher nur Teilleistungen erbracht, ist die Gewinnrealisierung zu bejahen, soweit es sich um Teilleistungen handelt, die der Leistungsempfänger bereits nutzen bzw. verwerten kann und auf deren Vergütung insbesondere nach den Abmachungen der Beteiligten ein Anspruch besteht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291; Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl., S. 268 f.). Kann der Leistungsverpflichtete die für die selbständig abrechenbare und vergütungsfähige Teilleistung verdiente Vergütung ohne Verlust des bisher verdienten Honorars behalten, auch wenn es nicht mehr zur Erbringung der restlichen Teilleistungen kommt, bestehen keine Zweifel an dem Vergütungsanspruch, die diesen so unsicher erscheinen lassen könnten, dass er nicht Gegenstand der Aktivierungspflicht und damit der Gewinnrealisierung sein könnte.

Von einer (Teil-)Gewinnrealisierung kann hingegen nicht ausgegangen werden, wenn es sich bei dem für die (Teil-)Leistung entstandenen Anspruch lediglich um einen solchen auf Zahlung eines Abschlags oder eines Vorschusses handelt (vgl. , BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239, unter 2. der Gründe). Anzahlungen in diesem Sinne sind Vorleistungen eines Vertragsteils auf schwebende Geschäfte. Sie liegen folglich im Allgemeinen nur dann vor, wenn es sich um Vorleistungen auf eine noch zu erbringende Lieferung oder Leistung handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25, unter 2. der Gründe, m.w.N.).

b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin den Gewinn aus der Inkassotätigkeit in dem Zeitpunkt und insoweit realisiert, als ihr gegenüber ihren Auftraggebern ein (prinzipiell unentziehbarer) Provisionsanspruch zustand. Dies gilt auch, soweit ein solcher Provisionsanspruch lediglich für Teilzahlungen bestand.

aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG war Hauptpflicht der Klägerin aus dem Inkassovertrag das Eintreiben der geschuldeten Forderung. Das Vorhalten der Akten und die laufenden Abwicklungsarbeiten dienten nach den Feststellungen des FG als vertragliche Nebenpflichten diesem Hauptzweck, ohne dass sie für sich allein Relevanz für die Auftraggeber der Klägerin hatten. Das FG hat ferner festgestellt, dass die Klägerin gemäß den zwischen ihr und ihren Auftraggebern getroffenen vertraglichen Absprachen über die vom Schuldner geleisteten Teilzahlungen „gesondert und endgültig” abrechnete. Die Auftraggeber der Klägerin hätten die Teilzahlungen akzeptiert und dadurch die in der Beitreibung der Teilbeträge liegenden Teilleistungen der Klägerin abgenommen.

Diese Feststellungen des FG beruhen im Wesentlichen auf seiner Auslegung des Inkassovertrags zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern. Die Vertragsauslegung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Vorliegend entspricht sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Sie ist jedenfalls möglich und damit für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, unter II.4. der Gründe, m.w.N.).

bb) Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das FG zu Recht entschieden, dass mit der Beitreibung der jeweiligen Teilbeträge und der Auszahlung des nach Abzug der Kosten und des Provisionsanspruchs verbleibenden Restbetrags an die Auftraggeber der Provisionsanspruch der Klägerin wirtschaftlich verdient und somit realisiert war.

Zwar hatte die Klägerin mit der Beitreibung der Teilbeträge den Inkassovertrag noch nicht vollständig erfüllt. Hiervon ist auch das FG —in Übereinstimmung mit der Klägerin— ausgegangen. Bei der Inkassotätigkeit, die zu den Teilzahlungen führte, handelte es sich jedoch um für die Auftraggeber der Klägerin selbständig verwertbare Teilleistungen. Die Auftraggeber konnten mit der Auskehrung des nach Abzug der Kosten und des Provisionsanspruchs verbleibenden (Rest-)Betrags über die Teilzahlung verfügen und sie für ihre Zwecke frei verwenden. Die Klägerin hatte mit der Teilzahlung auch ihren darauf entfallenden Provisionsanspruch endgültig verdient. Der Provisionsanspruch hing insbesondere nicht davon ab, dass die Klägerin den Inkassovertrag auch weiterhin erfüllte. Die Klägerin durfte ihr für die Teilzahlung erlangtes Honorar unabhängig davon behalten, ob es noch zu weiteren (Teil-)Leistungen aus dem Inkassovertrag kam.

Der Vortrag der Klägerin, sie sei „nach allgemeinen Grundsätzen” zur Rückzahlung der Provision verpflichtet, wenn sie das Auftragsverhältnis ohne Grund kündige oder den Auftrag nicht fortsetze, vermag die Gewinnrealisierung nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nach Ziff. 9 der AGB das Recht hatte, ein laufendes Verfahren einzustellen. Die Ausübung dieses Rechts führte nicht zum Wegfall bereits verdienter Provisionsansprüche. Im Übrigen stünden etwaige Schadensersatzansprüche, denen sich die Klägerin aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens ausgesetzt sehen sollte, der Realisierung des Gewinns aus der schon vertragsgemäß erbrachten Teilleistung nicht entgegen.

Eine (Teil-)Gewinnrealisierung scheidet auch dann nicht aus, wenn für die Auftraggeber der Klägerin mangels Übermittlung einer detaillierten Abrechnung bei den Teilzahlungen nicht erkennbar gewesen sein sollte, welche Kosten und Auslagen der jeweiligen Teilzahlung zugrunde lagen. Denn für die Gewinnrealisierung ist es ohne Bedeutung, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist oder nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob zwischen dem für die Teilzahlung verdienten Provisionsanspruch und den (Gesamt-)Bemühungen der Klägerin zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Inkassovertrag bzw. den hierdurch (insgesamt) entstehenden Kosten ein Zusammenhang besteht.

Der Vortrag der Klägerin, ihre Auftraggeber hätten nicht den Willen gehabt, dass die Leistung der Klägerin mit den Teilzahlungen teilerledigt sei, kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit die Klägerin Forderungen beitrieb, erlosch mit der Zahlung des Schuldners auch der Anspruch ihres Auftraggebers gegen den Schuldner durch Erfüllung gemäß § 362 BGB. Soweit dieser Anspruch erloschen war, konnte und musste die Klägerin aber keine weiteren Inkassoleistungen mehr erbringen. Damit war auch eine „Teilerledigung” der Leistung der Klägerin durch (Teil-)Erfüllung eingetreten, ohne dass es hierzu noch besonderer Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern bedurft hätte. Zudem war der Klägerin in Ziff. 8 der AGB ausdrücklich das Recht eingeräumt, dem Schuldner Teilzahlungen zu gestatten. Die Auftraggeber der Klägerin mussten deshalb damit rechnen, dass die Klägerin ihre Pflicht zur Beitreibung der (ganzen) Forderung im Rahmen von Teilleistungen erfüllen werde.

c) Anzahlungen liegen im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil der Anspruch, auf den die Provision geleistet wurde, mit der Teilzahlung des Schuldners und der Weiterleitung des nach Abzug der Kosten und der Provision verbleibenden Restbetrags an den Auftraggeber erfüllt war. Das FG hat den von der Klägerin in ihrer Bilanz gebildeten Passivposten „erhaltene Anzahlungen” folglich zu Recht nicht anerkannt.

Mit der für die jeweilige Teilzahlung verdienten Provision wurden keine künftig noch zu erbringenden Leistungen entgolten. Denn nach den Feststellungen des FG stand der Klägerin der Anspruch auf die für Beitreibung der Teilforderung zu zahlende Provision unabhängig von einer weiteren Inkassotätigkeit endgültig zu. Dies schließt es aus, in der Provision eine Vorleistung auf noch zu erbringende Leistungen zu erblicken.

Hierfür spricht auch Ziff. 5 der von der Klägerin verwendeten AGB. Nach dieser Vorschrift berechnet die Klägerin für die Bearbeitung des Überwachungsauftrags neben der Anerkennungsgebühr für das Formular, um die es im Streitfall nicht geht, keine Gebühr. Die Klägerin übernimmt das volle Kostenrisiko. Lediglich im Erfolgsfall erhält die Klägerin eine „Erfolgsprovision” von 50 % zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer nach Abdeckung der Auslagen. Diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass die Klägerin für Leistungen im Rahmen des Überwachungsverfahrens, die (noch) zu keinem Inkassoerfolg geführt haben, auch keine Vergütung beanspruchen kann. Eine Vergütung für ihre Inkassomaßnahmen, die sie gemäß Ziff. 5 der AGB im „eigenem Ermessen” treffen darf, erhält die Klägerin ausschließlich im Erfolgsfall. Dies verdeutlicht, dass sowohl bei zivilrechtlicher als auch bei wirtschaftlicher Betrachtung mit der Provision ausschließlich bereits erbrachte Inkassoleistungen vom Auftraggeber der Klägerin zu vergüten sind, und dies auch nur im Erfolgsfall.

d) Da die Klägerin mit der Beitreibung der jeweiligen Teilzahlungen den Gewinn aus ihrer insoweit erbrachten, als selbständig abrechenbare und vergütungsfähige Teilleistung zu beurteilenden Inkassotätigkeit realisiert hat, konnte sie diesbezüglich auch keine unfertigen Leistungen mehr aktivieren. Der entsprechende Aktivposten in der Bilanz der Klägerin war daher aufzulösen.

2. Die von der Klägerin begehrte Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten kommt im Streitfall schon dem Grunde nach nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung gemäß § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative HGB sind nicht erfüllt.

a) Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach —deren Höhe zudem ungewiss sein kann— sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag (vgl. aus neuerer Zeit z.B. , BFHE 206, 25, BStBl II 2006, 644). Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz allerdings grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m.w.N., und , BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866).

Schwebende Geschäfte sind gegenseitige, auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge i.S. der §§ 320 ff. BGB, die von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei noch nicht voll erfüllt sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, und BFH-Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866). Ein Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte (BFH-Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866).

b) Soweit die Klägerin den Inkassovertrag durch Beitreibung der Teilzahlungen (teil-)erfüllt hat, besteht für die Klägerin weder eine ungewisse Verbindlichkeit noch die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit.

Die Klägerin hat die von ihr begehrte Verbindlichkeitsrückstellung damit begründet, dass die bis zum Stichtag der Teilgewinnrealisierung angefallenen Kosten nicht verursachungsgerecht die Kosten abbilden würden, die für den Teilgewinn angefallen seien. Die gesamten, aus dem Auftrag anfallenden Kosten, also auch die zukünftigen Kosten, müssten deshalb angemessen dem Teilgewinn zugeordnet werden.

Die Klägerin verkennt dabei jedoch, dass eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten eine Verpflichtung gegenüber einem anderen, also eine (Außen-)Verpflichtung voraussetzt (vgl. , BFHE 163, 146, BStBl II 1991, 479, unter II.A.6. der Gründe; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 5 Rz 351, 362). Bestehen —wie im Streitfall hinsichtlich des bereits erfüllten Teils des Inkassovertrags— keine (ungewissen) Verpflichtungen gegenüber einem anderen (mehr), kommt handelsrechtlich in den in § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 sowie Abs. 2 HGB abschließend aufgezählten Fällen allenfalls eine Aufwandsrückstellung in Betracht. In der Steuerbilanz sind Aufwandsrückstellungen jedoch unzulässig, soweit nicht gemäß § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB handelsrechtlich eine Passivierungspflicht besteht (vgl. , BFHE 168, 24, BStBl II 1992, 715, unter 3.b der Gründe; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 474; Lambrecht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz D 193, jeweils m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB (unterlassene Instandhaltung mit dreimonatiger und Abraumbeseitigung mit einjähriger Nachholfrist) sind im Streitfall indessen offensichtlich nicht erfüllt.

c) Hinsichtlich des noch nicht erfüllten Teils des Inkassovertrags fehlt es an dem für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung erforderlichen Erfüllungsrückstand. Denn die Auftraggeber der Klägerin haben —auch soweit schon Provisionszahlungen geleistet worden sind— lediglich die von der Klägerin schon erbrachte Inkassotätigkeit vergütet. Sie haben hingegen nicht für von der Klägerin noch zu erbringende Leistungen aus dem Überwachungsvertrag vorgeleistet.

3. Für die von der Klägerin vereinnahmten Provisionen ist auch kein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

Passive Rechnungsabgrenzungsposten sind in der Steuerbilanz nur für Einnahmen anzusetzen, die vor dem Abschlussstichtag erzielt worden sind und Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn bei den Provisionseinnahmen handelte es sich um Erträge für eine Zeit vor dem Abschlussstichtag. Durch die Provisionszahlungen wurden die von der Klägerin bereits erbrachten Leistungen entgolten.

4. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge hat ebenfalls keinen Erfolg.

Der Vortrag der Klägerin, das FG hätte von Amts wegen Ermittlungen zur Höhe der Verbindlichkeitsrückstellung anstellen bzw. die Klägerin zur Darlegung entsprechender Beträge auffordern müssen, erfüllt nicht die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungs- bzw. Hinweispflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO). Der erkennende Senat hat die von der Klägerin insoweit gerügten Verfahrensverstöße geprüft. Er erachtet die Rügen indessen nicht für durchgreifend und sieht insoweit —auch vor dem Hintergrund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung am — von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

Zudem kommt im Streitfall —wie oben dargelegt wurde— schon dem Grunde nach keine Verbindlichkeitsrückstellung in Betracht. Selbst wenn das FG also —wie die Klägerin meint— wegen angeblich unzureichender Ermittlungen oder Hinweise zur Höhe der Rückstellung gegen § 76 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO verstoßen hätte, könnte dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen (§ 126 Abs. 4 FGO).

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 557
BB 2008 S. 657 Nr. 13
BB 2008 S. 830 Nr. 16
BB 2009 S. 42 Nr. 1
BBK-Kurznachricht Nr. 8/2008 S. 391
BFH/NV 2008 S. 644 Nr. 4
BStBl II 2008 S. 557 Nr. 13
DB 2008 S. 848 Nr. 16
DStRE 2008 S. 606 Nr. 10
EStB 2008 S. 129 Nr. 4
FR 2008 S. 766 Nr. 16
GStB 2008 S. 21 Nr. 6
HFR 2008 S. 430 Nr. 5
KÖSDI 2008 S. 15966 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 12/2008 S. 1011
SJ 2008 S. 22 Nr. 7
StB 2008 S. 151 Nr. 5
StBW 2008 S. 3 Nr. 7
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2008 S. 234
WPg 2008 S. 945 Nr. 19
XAAAC-73418