BFH Beschluss v. - III B 81/07, III B 82/07

Wirksamkeit eines einseitigen Antrags eines geschiedenen Ehegatten auf getrennte Veranlagung für zurückliegende Veranlagungszeiträume

Gesetze: EStG § 26

Instanzenzug: , 8 K 35/05

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren 1999 und 2000 noch verheiratet und lebte von seiner damaligen Ehefrau nicht dauernd getrennt. Die Ehe wurde am geschieden.

Im Jahr 2004 teilte das für die Veranlagung der geschiedenen Ehefrau zuständige Finanzamt dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) mit, die Ehefrau habe für die Jahre 1999 und 2000 jeweils die getrennte Veranlagung beantragt; der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte im Streitjahr 1999 betrage 32 981 DM (= 16 863 €) und im Streitjahr 2000 34 541 DM (= 17 661 €). Das FA führte daraufhin getrennte Veranlagungen durch, die jeweils eine Nachzahlung für den Kläger ergaben.

Das Finanzgericht wies die Klagen ab, mit welchen der Kläger den Anspruch seiner früheren Ehefrau auf eine getrennte Veranlagung bestritt und eine Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 € begehrte. Es führte im Wesentlichen aus, der Antrag der geschiedenen Ehefrau des Klägers auf getrennte Veranlagung sei wirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der einseitige Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung lediglich dann unwirksam, wenn dieser keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte habe oder wenn diese so gering seien, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen hätten noch zu einer Einkommensteuerveranlagung hätten führen können. Die frühere Ehefrau habe jedoch ausweislich der Einkommensteuerakte im Streitjahr 1999 eigene Einkünfte in Höhe von 32 981 DM (= 16 863 €) und im Streitjahr 2000 von 34 541 DM (= 17 661 €) bezogen.

Mit seinen Beschwerden macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts geltend. Es sei grundsätzlich zu klären, ob ein einseitiger Antrag auf getrennte Veranlagung durch einen Ehegatten zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ehe bereits geschieden sei, rückwirkend für Zeiträume, in denen die Ehe noch bestanden habe und die Ehegatten nicht dauernd getrennt gelebt hätten, wirksam sei. Anders als zu Zeiten, in denen die eheliche Gemeinschaft der Partner noch intakt gewesen sei, habe nach einer Scheidung ein Ehepartner zumeist keine Möglichkeit mehr, sich für vergangene Zeiträume über die finanziellen Verhältnisse des anderen Ehepartners ein Bild zu machen und somit das Vorliegen der Voraussetzungen für eine einseitige Antragstellung auf getrennte Veranlagung zu prüfen. Der nur von einem geschiedenen Ehepartner gestellte Antrag auf getrennte Veranlagung werde nach einer Scheidung möglicherweise zudem nur deshalb gestellt, um dem anderen Ehepartner finanzielle Nachteile zuzufügen. Auch sei es denkbar, dass anlässlich einer Scheidung finanzielle Ausgleichsregelungen getroffen würden, die durch eine spätere einseitige Antragstellung beeinträchtigt würden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) geboten.

a) Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung stellt einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung dar. In beiden Fällen muss es sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln (z.B. Senatsbeschluss vom III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653, m.w.N.). Die Klärungsbedürftigkeit ist nicht gegeben, wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung besteht und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung der Frage geboten erscheinen lassen (Senatsbeschluss vom III B 95/06, BFH/NV 2007, 2125).

b) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der einseitige Antrag eines —mittlerweile geschiedenen— Ehegatten auf getrennte Veranlagung für zurückliegende Veranlagungszeiträume wirksam sei, ist nicht klärungsbedürftig. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der einseitige Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben unwirksam und daher unbeachtlich, wenn der die getrennte Veranlagung beantragende Ehegatte keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können (vgl. , BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690; vom III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980). Ein solcher Antrag ginge bei dem die getrennte Veranlagung wählenden Ehegatten ins Leere, da für ihn lediglich ein Nichtveranlagungs-Bescheid erlassen werden müsste (, BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870; Pflüger in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 26 EStG Rz 60).

c) Der Kläger trägt keine Gesichtspunkte vor, die eine erneute Entscheidung des BFH im Interesse der Rechtsfortbildung erforderlich machen. Sein Vortrag, ein Ehegatte habe nach der Scheidung nicht mehr die Möglichkeit, sich durch Einblick in einschlägige Unterlagen ein Bild von den finanziellen Verhältnissen seines früheren Ehepartners zu machen und somit die Wirksamkeit von dessen einseitigen Antrag auf getrennte Veranlagung beurteilen zu können, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die Wahl der getrennten Veranlagung bietet auch verheirateten und nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Möglichkeit, ihre finanziellen Verhältnisse voneinander weitgehend geheim zu halten. Zudem sind bei einem Scheidungsverfahren die finanziellen Verhältnisse der Ehegatten zumindest für die Jahre, in denen die Voraussetzungen der Veranlagung gemäß §§ 26 ff. des Einkommensteuergesetzes vorliegen, regelmäßig Gegenstand von Scheidungsfolgeentscheidungen wie zum Beispiel Zugewinnausgleich und Unterhalt und somit beiden Ehegatten bekannt (vgl. Pflüger, a.a.O., § 26 EStG Rz 60).

Ebenfalls nicht durchgreifend ist der Hinweis, der einseitige Antrag des einen Ehegatten auf getrennte Veranlagung nach einer Scheidung könne das Ziel verfolgen, dem anderen Ehegatten einen finanziellen Schaden zuzufügen. Die Missbräuchlichkeit des Antrags kann sich nur aus steuerrechtlichen Zusammenhängen ergeben. Dem FA ist eine darüber hinausgehende Überprüfung privater Motive weder möglich noch zumutbar.

Nicht erheblich ist auch der Einwand des Klägers, ein einseitiger Antrag des geschiedenen Ehegatten auf getrennte Veranlagung für zurückliegende Veranlagungszeiträume, der bei einem Ehegatten zu einer Steuernachzahlung führe, lasse unter Umständen bei der Scheidung getroffene finanzielle Vereinbarungen unberücksichtigt. Es besteht zwar keine steuerrechtliche Pflicht, der Wahl einer bestimmten Veranlagungsart zuzustimmen (Pflüger, a.a.O., § 26 EStG Rz 72). Das familienrechtliche Gebot zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Ehegatten schließt jedoch auch nach der Scheidung die —ggf. auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machende— Verpflichtung ein, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn diese zur insgesamt geringsten steuerlichen Belastung beider Ehegatten führt und der Ehegatte, der die Zusammenveranlagung begehrt, sich verpflichtet, dem zustimmenden Ehegatten den durch die Zusammenveranlagung erlittenen finanziellen Nachteil auszugleichen (z.B. , Neue Juristische Wochenschrift 2007, 2554, m.w.N.).

Fundstelle(n):
XAAAC-72608