Leitsatz
Ein schulpflichtiges behindertes Kind hat Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers für den Besuch einer integrativ unterrichtenden Grundschule auch dann, wenn der Besuch einer integrativ unterrichtenden Grundschule durch die zuständige Schulbehörde lediglich als eine mögliche Form der Beschulung eröffnet worden ist (Fortführung des BVerwG 5 C 20.04 - BVerwGE 123, 316).
Gesetze: BSHG § 40 Abs. 1 Nr. 4; EinglHVO § 12 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: VG Chemnitz, VG 5 K 1641/01 vom OVG Bautzen, OVG 4 B 131/05 vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten eines Integrationshelfers für den Besuch einer integrativ unterrichtenden Grundschule in den Schuljahren 2001/2002 (ab ) und 2002/2003 zu übernehmen.
Der am geborene Kläger ist geistig behindert. In der Zeit von 1998 bis August 2001 besuchte er einen integrativen Kindergarten und erhielt hierfür von der Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für heilpädagogische Maßnahmen im Rahmen einer Einzelintegration.
Nachdem die Eltern des Klägers sich zunächst erfolglos um eine integrative Beschulung des Klägers in einer öffentlich-rechtlichen Regelschule bemüht hatten, beantragten sie mit Schreiben vom bei der Beklagten, dem Kläger Eingliederungshilfe zu bewilligen und in diesem Rahmen die Kosten für einen Integrationshelfer zu übernehmen, um den Besuch der (integrativ unterrichteten) 1. Klasse der Montessori-Grundschule in C. zu ermöglichen.
Das Regionalschulamt C. erließ am einen "Bescheid zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs", in welchem u.a. festgestellt wurde, dass der Kläger erhöhten sonderpädagogischen Förderschulbedarf habe und mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 an der Förderschule für geistig Behinderte zu beschulen sei. Einen dagegen erhobenen Widerspruch nahmen die Eltern zurück, nachdem das Regionalschulamt klargestellt hatte, dass es sich nicht um einen Schulzuweisungsbescheid, sondern lediglich um die Feststellung eines sonderpädagogischen Bedarfs handele.
Den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe lehnte die Beklagte unter Hinweis auf den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz und den Mehrkostenvorbehalt ab. Nach dem Bescheid der Schulaufsichtsbehörde bestehe für den Kläger sonderpädagogischer Förderbedarf und sei er mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 an einer Förderschule für geistig Behinderte zu beschulen, wo zusätzliche Betreuungskosten nicht anfielen; für die beantragte Eingliederungshilfe bestehe damit sozialhilferechtlich kein Bedarf (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).
Unter dem erließ das Regionalschulamt einen Bescheid "zur Klarstellung", in welchem es feststellte, dass beim Kläger sonderpädagogischer Förderbedarf für den Besuch einer Förderschule für geistig Behinderte bestehe; eine Schulzuweisung sei durch den Bescheid vom nicht erfolgt, und dieser Bescheid stehe einer integrativen Beschulung nicht entgegen, sei vielmehr Voraussetzung einer solchen Beschulung. Eine abschließende Entscheidung habe noch nicht ergehen können, weil die Montessori-Grundschule nicht über das notwendige Personal verfüge und über die Gewährung von Eingliederungshilfe bislang nicht entschieden worden sei. Mit weiterem Bescheid vom legte das Schulamt fest, dass der Kläger im Schuljahr 2001/2002 unter bestimmten Voraussetzungen integrativ an der Montessori-Schule C. in der Klassenstufe 1 beschult werden könne. Diese Voraussetzungen waren nach Mitteilung des Montessori-Vereins erfüllt.
Nachdem die Eltern eine "Verlängerung der Eingliederungshilfe" für das 2. Schuljahr beantragt hatten, lehnte die Beklagte es mit Schreiben vom erneut ab, Kosten für einen Integrationshelfer zu übernehmen. Für die Betreuung während der Unterrichtszeit sei der private Schulträger verantwortlich. Über den bereits ergangenen Ablehnungsbescheid hinaus werde damit keine weitere Entscheidung getroffen. Den gleichwohl erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte als unzulässig zurück, da ein Verwaltungsakt nicht vorliege (Widerspruchsbescheid vom ).
Durch Beschluss vom verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Kläger ab dem Eingliederungshilfe für einen Integrationshelfer für vier Stunden je Schultag zu gewähren. Die dagegen erhobene Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.
In der Folgezeit besuchte der Kläger weiter die Montessori-Grundschule mit Hilfe eines Integrationshelfers, dessen Kosten vorläufig von der Beklagten getragen wurden. Für das Schuljahr 2001/2002 machte er für die Zeit ab dem Kosten in Höhe von 828,36 € geltend; im Schuljahr 2002/2003 beliefen die Kosten sich auf 5 662,40 €.
Weitere Anträge des Klägers auf Bewilligung von Eingliederungshilfe für die folgenden Schuljahre lehnte die Beklagte jeweils durch bislang nicht bestandskräftig gewordene Bescheide ab; das Regionalschulamt C. stellte mit Bescheid vom fest, dass eine integrative Unterrichtung des Klägers im Schuljahr 2005/2006 in der Klasse 4 (freiwillige Wiederholung) an der Montessori-Grundschule unter den im Bescheid vom festgelegten Bedingungen weiter möglich sei.
Auf die bereits am erhobene Klage, die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom für den Zeitraum vor dem zurückgenommen wurde, verpflichtete das Verwaltungsgericht (unter Einstellung des Verfahrens im Übrigen) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom und des Widerspruchsbescheides vom , dem Kläger Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung durch Übernahme der notwendigen Kosten für einen Integrationshelfer zu bewilligen (Urteil vom ). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie nicht bereits zurückgenommen war, abgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Gegenstand des Berufungsverfahrens sei die Hilfegewährung für das Schuljahr 2001/2002 ab dem sowie für das gesamte Schuljahr 2002/2003. Die so verstandene Berufung sei begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten seines Integrationshelfers nach den §§ 39, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 47 BSHG und § 12 Nr. 1 der Eingliederungshilfeverordnung habe. Ausgehend von dem BVerwG 5 C 20.04 - (BVerwGE 123, 316), wonach der Sozialhilfeträger bei der Prüfung, ob die für den Besuch einer bestimmten Schule notwendige Unterstützung als "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" erforderlich sei, an die Entscheidung der Schulbehörde über die Zuweisung an eine bestimmte Schule gebunden sei, sei im vorliegenden Fall eine bindende Zuweisung des Klägers an die Montessori-Grundschule für den maßgeblichen Zeitraum nicht festzustellen. Vielmehr habe es dem Kläger nach den Bescheiden des Regionalschulamtes vom 14. Mai, 23. November und freigestanden, seine Schulpflicht entweder durch den Besuch der öffentlichen Förderschule für geistig Behinderte oder durch den Besuch der privaten Montessori-Grundschule zu erfüllen. Für die Annahme einer verbindlichen Zuweisung des Klägers an die Montessori-Grundschule bestehe auch deshalb kein Raum, weil eine solche Entscheidung der staatlichen Schulaufsicht weder vom Schulgesetz für den Freistaat Sachsen noch vom Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft vorgesehen sei. Angesichts der dem Kläger - schulrechtlich - eröffneten Wahlmöglichkeit zwischen den vom Regionalschulamt als für die Erfüllung der Schulpflicht gleichwertig eingestuften Alternativen brauche der Sozialhilfeträger dem Wunsch des Kindes und seiner Eltern nach einer integrativen Beschulung, dessen Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG), nicht zu entsprechen, soweit der Besuch der öffentlichen Förderschule nicht nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise unzumutbar sei; die Förderschule sei als anderweitig zur Verfügung stehende und mit öffentlichen Mitteln betriebene Bildungseinrichtung gleichermaßen geeignet, die erforderliche Hilfe zu leisten, unentgeltlich zugänglich und damit eine zumutbare Bedarfsdeckungsalternative außerhalb des Sozialhilferechts. Die geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 6 490,76 € verursachten dem Sozialhilfeträger unverhältnismäßige Mehrkosten im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG, weil keine besonderen Umstände vorlägen, die dem Kläger den Besuch der öffentlichen Förderschule aus objektiven oder schwerwiegenden persönlichen Gründen ausnahmsweise unzumutbar machten. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer verbotenen Benachteiligung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, lasse sich der vom Kläger geltend gemachte sozialhilferechtliche Leistungsanspruch nicht ableiten.
Mit der hiergegen eingelegten Revision greift der Kläger die Feststellungen der Vorinstanz zum Landesschulrecht an und macht geltend, es sei nicht mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu vereinbaren, ihn von einer integrativen Beschulung auszuschließen. Auf den Mehrkostenvorbehalt könne er nicht verwiesen werden.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) den Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers zum Besuch der privaten Montessori-Grundschule im Rahmen der Eingliederungshilfe verneint.
Der Anspruch des Klägers folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG i.V.m. § 12 Nr. 1 EinglHVO, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, vor allem im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, sind und diese Hilfen auch Maßnahmen zugunsten behinderter Kinder und Jugendlicher umfassen, wenn diese Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem Behinderten den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Maßnahme, für die der Kläger die Kostenübernahme durch die Beklagte verlangt, erfüllt.
Der Senat geht nach dem Landesschulrecht in der Auslegung des Berufungsgerichts und nach den revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen zum Inhalt der Bescheide des zuständigen Regionalschulamtes davon aus, dass dieses den Eltern des Klägers die Wahl zwischen einer Beschulung auf der integrativ unterrichtenden Montessori-Grundschule oder der Sonderschule (Förderschule) für Behinderte gelassen hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision verkennen, dass diese Auslegung des Landesschulrechts und der Bescheide des Regionalschulamtes keinen Eingriff in Rechte des Klägers bewirkt, sondern im Gegenteil Voraussetzung für eine integrative Beschulung auf der Montessori-Grundschule ist. Angesichts des dem Kläger gegenüber festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie der ihm eingeräumten Möglichkeit der Erfüllung seiner Schulpflicht an der Montessori-Grundschule bestand für den Kläger schulrechtlich die Wahlmöglichkeit zwischen der Beschulung an der öffentlichen Förderschule oder an der privaten Grundschule.
Aus schulrechtlicher Sicht sind danach beide Beschulungsformen dem Grunde nach geeignet, den festgestellten sozialpädagogischen Förderbedarf zu decken und die Schulpflicht des Klägers zu erfüllen. Diesen nicht zuletzt in Auslegung und Anwendung nicht der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegenden Landesrechts gründenden Feststellungen zum Inhalt der hier ergangenen schulbehördlichen Bescheide kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass damit behinderte Menschen unter Verletzung des Benachteiligungsverbotes des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG "in die Sonderschule" abgeschoben würden und kraft Bundesverfassungsrecht allein die Zulassung einer integrativen Beschulung - und sei es an einer Schule in freier Trägerschaft - rechtmäßiger Regelungsgegenstand der schulbehördlichen Entscheidung hätte sein dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( - BVerfGE 96, 288) bewirkt die Überweisung eines behinderten Schülers an eine Sonder- bzw. Förderschule gegen seinen und seiner Eltern Willen nicht schon für sich eine verbotene Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; eine solche Benachteiligung sei nur dann gegeben, wenn die Überweisung erfolge, obwohl eine Unterrichtung an der allgemeinen Schule mit sonderpädagogischer Förderung möglich sei, der hierfür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden könne und auch organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegenstünden. Dass eine solche Situation hier vorgelegen hätte, ist gerade nicht ersichtlich oder von dem Berufungsgericht festgestellt. Vielmehr geht es dem Kläger darum, die (personellen) Voraussetzungen für eine integrative Beschulung an einer privaten Grundschule erst herzustellen.
Mit der Zulassung auch der integrativen Beschulung an einer privaten Schule hat die Schulbehörde klargestellt, dass diese neben der Beschulung an einer öffentlichen Förderschule aus ihrer Sicht den Anforderungen an eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG genügt und dass damit notwendig verbundene heilpädagogische wie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich oder geistig behinderter Kinder im Sinne des § 12 Nr. 1 EinglHVO "erforderlich und geeignet" sind, dem Kind den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Daraus folgt indes noch nicht, dass diese aus der Sicht der Schulbehörde gleichwertigen Möglichkeiten der Beschulung auch gleichermaßen geeignet sind, den besonderen sonderpädagogischen Förderbedarf im Rahmen einer "angemessenen Schulbildung" im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG zu decken. Mit der Zulassung einer integrativen Beschulung belässt die Schulbehörde den Erziehungsberechtigten vielmehr die Bestimmung, nach Maßgabe ihrer elterlichen Sicht und besonderen Kenntnis der Entwicklungsbedürfnisse des Kindes den im Einzelfall besten Weg zur Erreichung einer "angemessenen Schulbildung" festzulegen und damit zugleich den geltend gemachten Bedarf des Kindes selbst zu konkretisieren. Dieses Konkretisierungs- und Bestimmungsrecht respektiert, dass es - jedenfalls aus der Perspektive des einzelnen Kindes und seiner Erziehungsberechtigten - einen Unterschied macht, ob der besondere pädagogische Förderbedarf in einer Förderschule gedeckt wird oder die Möglichkeit genutzt werden soll, eine integrative Schule zu besuchen. Aufgrund des besonderen Ansatzes der verschiedenen Konzepte integrativer Beschulung, das gemeinsame Lernen und schulische Leben und Erleben behinderter Schüler mit besonderem pädagogischem Förderbedarf und solcher Schüler, bei denen dies nicht der Fall ist, zu ermöglichen, kann die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht im Rahmen einer integrativen Beschulung mit einem "integrativen Mehrwert" verbunden sein, welcher den konkreten Bedürfnissen eines Kindes im Einzelfall besser entsprechen kann (nicht: muss) als die Beschulung in einer Förderschule. Hieraus folgt zwar kein allgemeines Rangverhältnis zwischen einer Beschulung in einer Förderschule und der Beschulung im Rahmen integrativen Unterrichts. Die Schulbehörde kann jedoch, wenn sie selbst für die Entscheidung zwischen mehreren in Betracht kommenden Beschulungsformen nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen für den jeweiligen Schüler unter integrativen Zielsetzungen keine eindeutige Präferenz ermitteln kann, diese Bestimmung den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten überlassen und diesen damit die Entscheidung übertragen, ob die Förderung durch integrative Beschulung und der damit verbundene "integrative Mehrwert" der im Einzelfall bessere und erforderliche Weg zur Erreichung einer angemessenen Schulbildung ist.
Dieses schulrechtliche Wahl- bzw. Bestimmungsrecht ist nach dem geltenden Sozialhilferecht von dem Träger der Sozialhilfe zu respektieren. Die Einräumung des schulischen Wahlrechts an die Eltern bedeutet nicht, dass die Schulbehörde damit ihr schulrechtliches Bestimmungsrecht, welches nach dem Urteil des Senats vom - BVerwG 5 C 20.04 - (BVerwGE 123, 316) auch die Sozialhilfebehörde bindet, aufgegeben hätte, sondern dass es den Eltern überlassen ist, die integrativen schulischen Interessen des Kindes abschließend zu bewerten und die erforderliche Bestimmung selbst zu treffen. Dass sowohl der Besuch der Förderschule als auch eine integrative Beschulung gleichermaßen geeignet sind, die Schulpflicht zu erfüllen, bedeutet aus sozialhilferechtlicher Perspektive nicht, dass wegen der schulrechtlichen Möglichkeiten des Besuchs einer Förderschule eine integrative Beschulung zum Erreichen einer angemessenen Schulbildung schon nicht im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG, § 12 Nr. 1 EinglHVO "erforderlich" ist, das Kind nach dem Nachranggrundsatz (§ 2 Abs. 1 BSHG) zumutbar auf den Besuch der Förderschule verwiesen werden dürfte oder es sich bei der für das Kind getroffenen Entscheidung der Eltern für eine integrative Beschulung und damit für eine Förderung durch den dort erreichbaren "integrativen Mehrwert" lediglich um einen auf die Gestaltung der Hilfe bezogenen Wunsch handelte, dem der Mehrkostenvorbehalt (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG) entgegengehalten werden könnte. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten und des Berufungsgerichts vernachlässigt, dass der Besuch einer Förderschule und eine integrative Beschulung zwar gleichwertig, aber nicht gleichartig sind und Unterschiede gerade auch in Bezug auf die allgemeine Aufgabe der Eingliederungshilfe aufweisen, die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 39 Abs. 3 Satz 1 BSHG); dies unterscheidet die vorliegende Fallkonstellation auch qualitativ von anderen schulrechtlichen Wahlmöglichkeiten. Das schulrechtlich eröffnete Wahl- und Bestimmungsrecht für eine integrative Beschulung wirkt auf das Sozialhilferecht ein und ist vom Träger der Sozialhilfe hinzunehmen. Für die Anwendung und Auslegung des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG, § 12 EinglHVO und die hierbei de lege lata anzuerkennenden Einwirkungen des schulrechtlich bestehenden Wahl- und Bestimmungsrechtes sind dabei die Grundrechte der Kinder und der Eltern aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 GG und der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Menschen mit Behinderung (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) ungeachtet dessen zu berücksichtigen, dass aus ihnen kein umfassender, verfassungsrechtlich verbürgter, unmittelbarer Leistungsanspruch auf die Ermöglichung einer integrativen Beschulung unabhängig davon folgt, ob der dafür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann.
Dem Sozialhilfegesetzgeber bliebe es allerdings unbenommen, die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen zu beschränken oder auf andere Weise die Kostenübernahme für Aufwendungen, die in einer staatlichen (öffentlichen) Förderschule nicht entstünden, weil sie dort von dem nach Landesrecht zuständigen Schulträger durch Vorhaltung entsprechender Leistungen finanziert werden, auszuschließen. Dies gilt auch dann, wenn das Schulrecht des Landes eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förderschule und integrativer Beschulung in einer privaten Ersatzschule eröffnet, bedürfte aber gerade im Hinblick auf die betroffenen, verfassungsrechtlich anerkannten und geschützten Interessen des Kindes und der Eltern einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers. Denn im Ergebnis würde die schulrechtlich gewährte Wahlfreiheit für den auf Sozialhilfe angewiesenen Personenkreis wieder infrage gestellt. Eine solche Entscheidung kann - wie ausgeführt - nicht schon in dem allgemeinen Mehrkostenvorbehalt des § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG gesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 1608 Nr. 22
TAAAC-72524