Bilanzierung der Rückzahlungsverpflichtung aus kapitalersetzendem Darlehen
Gesetze: KStG § 30 Abs. 2 Nr. 4, KStG § 47, HGB § 246
Instanzenzug:
Gründe
I. Streitpunkt ist, in welcher Höhe ein Teilverzicht auf eine Gesellschafterforderung als Einlage anzusehen ist.
Nach Einziehung des Geschäftsanteils des bisherigen Mitgesellschafters im November 1995 war die A-GmbH alleinige Gesellschafterin der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH. Die A-GmbH gewährte der in wirtschaftliche Bedrängnis geratenen Klägerin durch direkte Zahlungen und durch Tilgung von Verbindlichkeiten Gesellschafterhilfen, die als Darlehen verbucht wurden. Zum beliefen sich die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der A-GmbH auf ca. 2,1 Mio. DM. Weitere Hauptgläubiger der Klägerin waren die B-Bank und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—). Die A-GmbH und die B-Bank verzichteten im März 1997 bzw. im September 1996 auf jeweils 82,5 % ihrer Forderungen unter der Voraussetzung, dass auch die jeweils anderen Gläubiger in entsprechender Höhe verzichteten. Das FA erklärte den Teilverzicht im Jahr 1998.
Das FA lehnte im Rahmen der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin für die Streitjahre (1997 und 1998) nach § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) das Begehren der Klägerin ab, die mit dem Teilverzicht der A-GmbH verbundene Vermögensmehrung in Höhe des Verzichtsbetrags (1 786 424 DM) dem EK 04 (für Ausschüttungen verwendbares Eigenkapital nach § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1996) für 1997, hilfsweise für 1998, als Einlage gutzuschreiben.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das als unbegründet abgewiesen. Zwar sei der Teilverzicht der A-GmbH als im Streitjahr 1998 bewirkte Einlage anzusehen. Diese sei jedoch mit 0 DM anzusetzen, weil die Teilforderung, auf die die A-GmbH verzichtet habe, aufgrund der Überschuldung der Klägerin wertlos gewesen sei.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und stützt ihr Begehren auf Verfahrensfehler des FG sowie auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts.
Das FA beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend dargetan hat.
1. Die Klägerin hat die behaupteten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Ihrem Vorbringen kann nicht schlüssig entnommen werden, dass das FG den Sachverhalt unzureichend ermittelt oder seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt hat.
Anhand des Vorbringens der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass das FG von seinem materiellen Rechtsstandpunkt aus gehalten gewesen wäre, Beweis darüber zu erheben, ob die von der A-GmbH geleisteten Gesellschafterhilfen anstatt als Darlehen als (verdeckte) Einlagen zu werten sind. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des FG sind die Leistungen der A-GmbH von allen Beteiligten stets als Darlehen angesehen und behandelt worden. Es ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen das FG vor diesem Hintergrund Anlass gehabt haben soll, der jetzt von der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit nachzugehen, eine Rückzahlung der Hilfen könnte von Anfang an nicht beabsichtigt gewesen sein. Hiergegen spricht neben der bilanziellen Behandlung vor allem auch die streitgegenständliche Verzichtsvereinbarung, derer es nicht bedurft hätte, wenn eine Rückzahlung der Gesellschafterhilfen ohnehin nicht geschuldet gewesen wäre.
Auch die prekäre wirtschaftliche Situation der Klägerin und die angesichts dessen offenkundige Veranlassung der Gesellschafterhilfen durch das Gesellschaftsverhältnis boten für das FG keinen Anhalt dafür, dass die Beteiligten die zivilrechtliche Gestaltung der Hilfen als Darlehen nicht ernst genommen haben könnten. Nicht gefolgt werden kann der Klägerin, soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf das (BFHE 208, 207, BStBl II 2005, 354) bezieht und diesem den Rechtssatz entnehmen zu können meint, eine vertraglich als Darlehen bezeichnete Gestaltung sei nicht als Darlehen, sondern als verdeckte Einlage zu behandeln, wenn die Gestaltung für den Darlehensgeber keinen wirtschaftlichen Nutzen habe und das Darlehen unter Bedingungen gewährt wurde, unter denen ein fremder Dritter keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hätte. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass sich das FG einen solchen Rechtsstandpunkt zu Eigen gemacht haben könnte. Bei der Prüfung auf Verfahrensfehler im Rahmen von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist aber ausschließlich der materielle Rechtsstandpunkt des FG zugrunde zu legen (vgl. Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79). Zum andern kann der Senat dem zitierten BFH-Urteil den von der Klägerin formulierten Rechtssatz nicht entnehmen. Er widerspricht im Übrigen auch der ständigen Senatsrechtsprechung, wonach das Steuerrecht die Entscheidung des Gesellschafters, die Gesellschaft statt mit Eigenkapital mit kapitalersetzenden Darlehen zu finanzieren, grundsätzlich anerkennt (vgl. , BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532; vom I R 30/01, BFH/NV 2002, 677; Senatsbeschluss vom I B 35/06, BFH/NV 2006, 2074).
2. Auch den des Weiteren geltend gemachten Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Es kann ihrem Vorbringen nicht entnommen werden, inwiefern die von ihr als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage im Streitfall klärungsfähig ist. Die Klägerin bezeichnet es als klärungsbedürftig, ob ein von Anfang an kapitalersetzendes Darlehen an eine überschuldete Gesellschaft, mit dessen Rückzahlung nicht gerechnet werden kann, in der Bilanz der Gesellschaft überhaupt zu passivieren ist. Wäre diese Frage —wie von der Klägerin intendiert— zu verneinen, dann könnte zwar der im Streitjahr 1998 wirksam gewordene Teilverzicht der A-GmbH nicht zu der vom FG angenommenen Gewinnrealisation bei der Klägerin geführt haben. Jedoch ist nicht ersichtlich, inwiefern der Teilverzicht der A-GmbH auf dieser Grundlage zu der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren allein begehrten Zuschreibung des Forderungsbetrages in ihr EK 04 führen könnte. Denn auch in diesem Fall könnte die mit dem Verzicht verbundene Einlage nicht mit einem höheren Betrag als dem Teilwert der Verbindlichkeit bewertet werden.
Davon abgesehen wäre eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO auch sachlich nicht geboten. Die Grundsätze, nach denen (auch kapitalersetzende) Verbindlichkeiten zu passivieren sind, sind jedenfalls im Hinblick auf die sich im Streitfall ergebenden Fragen geklärt; der von der Klägerin behauptete Widerspruch in der BFH-Rechtsprechung besteht nicht: Eine Verbindlichkeit muss in Handelsbilanz und Steuerbilanz ausgewiesen werden, solange nicht der Gläubiger dem Schuldner die Schuld gemäß § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches erlässt oder sich ergibt, dass die Verbindlichkeit aus sonstigen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt zu werden braucht (, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359; vom IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502; Senatsurteil vom I R 11/03, BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581). Anders als die Klägerin offenbar meint, liegen die Voraussetzungen der letztgenannten Einschränkung („... nicht erfüllt zu werden braucht”) jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Schuldner wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zur Zahlung nicht in der Lage ist. Denn auch dann stellt die Verbindlichkeit für den Schuldner noch eine wirtschaftliche Belastung dar, der er —und sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens— nachkommen muss. Würde man es anders sehen, könnte praktisch nie eine bilanzielle Überschuldung auftreten, weil die zur Überschuldung führenden Verbindlichkeiten sogleich wieder auszubuchen wären.
Es widerspricht deshalb dem dargestellten Bilanzierungsgrundsatz nicht, wenn nach der vom FG angewendeten Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil in BFH/NV 2002, 677; Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 2074) der Verzicht des Gläubigers auf die Rückzahlung auch eines einer überschuldeten Gesellschaft gewährten und deshalb von Beginn an kapitalersetzenden Darlehens auf Seiten der Gesellschaft zu einem Ertrag in Höhe des Forderungsbetrages führt.
3. Keinen Einfluss auf das Verfahren hat der Umstand, dass das FA die streitgegenständlichen Feststellungsbescheide nach Erlass des FG-Urteils geändert hat. Zwar gilt § 68 Satz 1 FGO, wonach in diesem Fall der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird, grundsätzlich auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde. Die Änderung des Verfahrensgegenstandes ist jedoch nur wirksam, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde selbst zulässig ist (, BFH/NV 2003, 1065). Das ist hier aber aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 616 Nr. 4
KÖSDI 2008 S. 16045 Nr. 6
VAAAC-72088