BGH Urteil v. - VIII ZR 46/07

Leitsatz

[1] Zur Individualisierung eines Schadensersatzanspruchs des Wohnraumvermieters wegen Beschädigung sowie unzureichender Reinigung der Mietsache nach Beendigung der Mietzeit kann die irrtümliche Bezeichnung im Mahnbescheidsantrag "Mietnebenkosten - auch Renovierungskosten" genügen, wenn der Antragsteller zugleich auf ein vorprozessuales Anspruchsschreiben Bezug nimmt, welches dem Antragsgegner vermittelt, dass und wofür der Antragsteller Schadensersatz verlangt.

Gesetze: ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3

Instanzenzug: AG Düsseldorf, 20 C 15983/04 vom LG Düsseldorf, 21 S 430/05 vom

Tatbestand

Die Beklagten waren bis zum Mieter einer Wohnung der Klägerin in D. . Durch Anwaltsschreiben vom nahm die Klägerin die Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 2.000 € in Anspruch. Sie machte geltend, dass die Beklagten während ihrer Mietzeit mehrere, im Einzelnen aufgeführte Schäden verursacht und die Wohnung vor dem Auszug nur unzureichend gereinigt hätten. Ferner verlangte die Klägerin 345 € rückständige Miete.

Auf Antrag der Klägerin hat das Mahngericht am einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 2.000 € erlassen, der den Beklagten am zugestellt worden ist. Die Hauptforderung ist darin wie folgt bezeichnet:

"Mietnebenkosten - auch Renovierungskosten - für die Wohnung in: D. gem. Aufforderungsschreiben vom 2000 €."

Die Beklagten haben rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Im Streitverfahren haben sie unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben. Das Amtsgericht hat die Beklagten nach Beweisaufnahme unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 719,68 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die von der Klägerin in Höhe von 120 € eingelegte Anschlussberufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre in zweiter Instanz gestellten Anträge weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht (LG Düsseldorf, NJW 2007, 3009) hat ausgeführt: Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB seien verjährt. Sie unterlägen der sechsmonatigen Verjährung aus § 548 BGB, beginnend mit der Rückgabe der Mietsache am . Die Verjährungsfrist habe demgemäß mit Ablauf des geendet.

Die Verjährung sei durch den am erlassenen und am zugestellten Mahnbescheid des Amtsgerichts Hagen nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden. Eine Hemmung der Verjährung durch die Zustellung eines Mahnbescheids trete nur ein, wenn er die streitgegenständliche Forderung hinreichend individualisiere. Der Anspruch müsse so gegenüber anderen Ansprüchen abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtkraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein und der Schuldner erkennen könne, welcher Anspruch oder welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht würden, damit er entscheiden könne, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen wolle. Auch für das automatisierte Mahnverfahren gelte, dass die Individualisierung der geltend gemachten Ansprüche aus dem Mahnbescheid selbst möglich sein müsse.

Hier fehle es im Mahnbescheid zum einen an der erforderlichen Individualisierung des Mietvertrags der Parteien. Angegeben sei lediglich "Mietnebenkosten ... für die Wohnung in D. ". Um welche Wohnung es sich handele, werde nicht gesagt.

Weiterhin sei die Bezeichnung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche als "Mietnebenkosten - auch Renovierungskosten" falsch und somit für die Beklagten verwirrend. Rechtlich handele es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen sämtlich um Schadensersatzansprüche gemäß § 280 Abs. 1 BGB, nicht um Mietnebenkosten, unter denen ein juristischer Laie eher Betriebs- oder Nebenkostenansprüche vermuten würde. Der Zusatz "auch Renovierungskosten" ändere an der Beurteilung der Sachlage nichts. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche, beispielsweise wegen der angeblichen Beschädigung von Holzwerk, Bodenbelag und Sanitäreinrichtungen, stellten bereits begrifflich keine Renovierungskosten dar.

Der Verweis im Mahnbescheid auf das Aufforderungsschreiben vom reiche ebenfalls nicht aus, um die geltend gemachten Schadensersatzansprüche hinreichend zu individualisieren. Wenn, wie hier, mehrere Einzelansprüche zusammengefasst in einer Summe geltend gemacht würden, sei weitergehend erforderlich, dass die Einzelforderungen nach Individualisierungsmerkmalen und Betrag bestimmt sein müssten. Eine zusammenfassende zeitliche Eingrenzung ohne betragsmäßige Aufteilung und Zuordnung der Gesamtsumme reiche nicht. Eine hinreichende Individualisierung könne hier allenfalls durch das Aufforderungsschreiben vom erfolgt sein, auf das im Mahnbescheidsantrag verwiesen werde. Im Aufforderungsschreiben seien weiterhin aber auch Mietrückstände in Höhe von 345 € verlangt worden; die Beklagten seien zur Zahlung eines Gesamtbetrags von 2.345 € aufgefordert worden. Da, wie ausgeführt, die streitgegenständlichen Schadensersatzforderungen im Mahnbescheidsantrag unzutreffend als "Mietnebenkosten - auch Renovierungskosten" bezeichnet worden seien, hätten die Beklagten nicht eindeutig erkennen können, welche der Forderungen aus dem Schreiben vom Gegenstand des Mahnbescheids sein sollten und welche nicht.

Es könne auch keine Rolle spielen, dass den Antragstellern und ihren Prozessbevollmächtigten im Rahmen des automatisierten Mahnverfahrens Vordrucke und Formulierungen angeboten würden, die zur nicht hinreichend genauen Bezeichnung der Forderungen verleiteten.

II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Beschädigung oder Verschlechterung der Mietsache durch die Verletzung von Obhutspflichten und einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unzureichender Reinigung der Mietsache nach Beendigung der Mietzeit entgegen § 12 Nr. 1 des Mietvertrags durfte das Berufungsgericht nicht mit der gegebenen Begründung verneinen.

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Schadensersatzanspruch der Klägerin stehe die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB). Die sechsmonatige Verjährungsfrist, die mit der Rückgabe der Wohnung am begann (§ 548 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB), ist durch den am erlassenen und am zugestellten Mahnbescheid rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO). Der von der Klägerin erwirkte Mahnbescheid genügte den Individualisierungsanforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 1 ZPO.

1. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag auf den Erlass eines Mahnbescheids die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung enthalten. Für die Individualisierung im Sinne des § 690 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 1 ZPO ist keine Substantiierung des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs oder gar seine Begründung erforderlich. Vielmehr genügt die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung. Der Anspruch muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Der Schuldner muss bereits im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids erkennen können, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleiten will. Bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von Einzelforderungen muss deren Bezeichnung im Mahnbescheid dem Schuldner ermöglichen, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrags aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen. Nur dann ist ihm eine sachgerechte Entscheidung innerhalb der Widerspruchsfrist möglich, ob eine Verteidigung gegen die geltend gemachten Ansprüche sinnvoll ist. Wann diesen Anforderungen genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs; siehe Urteile vom - VI ZR 207/98, WM 2000, 686, unter II 1 a; vom - XI ZR 312/99, WM 2000, 2375, unter II 2 c aa; vom - VII ZR 183/00, WM 2002, 398, unter II 2 a; vom - IX ZR 8/04, WM 2006, 592, unter A II 2 b bb; vom - VII ZR 236/05, WM 2007, 1084, Tz. 39, zur Veröffentlichung in BGHZ 172, 42 bestimmt; jeweils m.w.N.).

2. Diesen Anforderungen wird der Mahnbescheid im vorliegenden Fall gerecht.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Mitteilung der Wohnungsanschrift zur Individualisierung des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache nicht erforderlich. Unabhängig davon, dass die Angabe der Wohnungsanschrift im automatisierten Mahnverfahren bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Mietvertrag nicht vorgesehen ist, reicht es aus, wenn für den Wohnraummieter als Antragsgegner erkennbar ist, wegen welcher Schäden in welcher Höhe Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden. Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids ist nicht, dass aus diesem selbst für einen außenstehenden Dritten erkennbar ist, welche konkreten Forderungen wegen welcher Schäden gegen den Antragsgegner gerichtet werden ( aaO, Tz. 46). Da zwischen den Parteien lediglich ein einziges Mietverhältnis bestand, konnte kein Zweifel bestehen, auf welche Wohnung sich die Schadensersatzforderung bezog.

b) Für die Beklagten war auch erkennbar, welche Ansprüche gegen sie geltend gemacht werden sollten.

aa) Allerdings hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Hauptforderung in seinem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids unzutreffend bezeichnet. Die Ausfüllhinweise für den Erlass eines Mahnbescheids enthalten einen Hauptforderungskatalog, der unter Nummer 20 "Mietnebenkosten - auch Renovierungskosten" vorsieht und unter Katalognummer 28 "Schadensersatz aus ...-Vertrag", wobei die Vertragsart gesondert einzutragen ist. Da die Klägerin einen vertraglichen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hat, hätte sie den Anspruch mit der Katalognummer 28 bezeichnen und als Vertragsart "Mietvertrag" ergänzen müssen.

Eine falsche Angabe des Rechtsgrunds ist aber unschädlich, wenn dies der notwendigen Individualisierung für den Antragsgegner nicht entgegensteht (vgl. OLG Oldenburg, OLGR 1995, 246, 247; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 690 Rdnr. 14). So verhält es sich hier. Die zulässige Bezugnahme auf das vorprozessuale Schreiben vom , das dem Mahnbescheid nicht in Abschrift beigefügt zu sein brauchte (siehe , NJW 1996, 2152, unter 2 b bb), vermittelte den Beklagten die erforderlichen Erkenntnisse, dass und wofür die Klägerin jeweils in welcher Höhe Schadensersatzforderungen erhebt. Die Beklagten haben dies auch verstanden, wie sich aus ihrem Antwortschreiben vom ergibt, welches der von ihnen beauftragte Mieterverein K. e.V. in ihrem Namen verfasst hat. Schadensersatzforderungen haben sie mit diesem Schreiben Punkt für Punkt ausdrücklich zurückgewiesen.

bb) Die Beklagten konnten auch erkennen, dass ein Mietrückstand von 345 €, der noch Gegenstand des in Bezug genommenen Schreibens vom war, vom Mahnbescheid nicht erfasst war. Werden mit einem Mahnbescheid mehrere Einzelansprüche unter Zusammenfassung in einer Summe geltend gemacht, müssen die Einzelforderungen nach Individualisierungsmerkmalen und Betrag bestimmt sein ( aaO, unter II 2 c cc (1); , WM 1993, 418, unter II 2). Daran kann es fehlen, wenn der Mahnbescheid auf ein vorprozessuales Schreiben Bezug nimmt, aber nicht alle Ansprüche umfasst, die mit diesem Schreiben erhoben worden sind (KG, WuM 2002, 614 f.). Ein erster Hinweis, der eine Abgrenzung ermöglichte, ergab sich hier jedoch bereits aus der Höhe der im Mahnbescheid geltend gemachten Hauptforderung von 2.000 €. Das vorprozessuale Schreiben vom unterscheidet ausdrücklich zwischen Schadensersatzforderungen in Höhe von insgesamt 2.000 € und 345 € Mietrückstand. Zudem war die Anspruchsbezeichnung als "Mietnebenkosten - auch Renovierungskosten" im vorliegenden Fall - wie ausgeführt - zwar unrichtig und leistete eine hinreichende Kennzeichnung des Anspruchs nur durch die Bezugnahme auf das Schreiben vom . Die im Mahnantrag und in dem daraufhin erlassenen Mahnbescheid enthaltene Anspruchsbezeichnung gewährleistete hier aber gleichwohl eine jede Verwechselungsgefahr ausschließende, negative Abgrenzung dahin, dass ein Anspruch auf Begleichung rückständiger Miete erkennbar gerade nicht Gegenstand des Mahnverfahrens sein sollte.

III.

Das Berufungsurteil kann nach alledem keinen Bestand haben; es ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da das Berufungsgericht, aus seiner Sicht folgerichtig, zum Klageanspruch keine Feststellungen getroffen hat, ist der Senat nicht in der Lage, gemäß § 563 Abs. 3 ZPO abschließend zu entscheiden. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 1220 Nr. 17
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2008 S. 919
YAAAC-72035

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja