Rückforderung der Einkommensteuer, die aufgrund einer aufgehobenen getrennten Veranlagung an einen Ehegatten erstattet worden war; Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld
Gesetze: AO § 37 Abs. 2, AO § 268, AO § 269 Abs. 2, EStG § 36 Abs. 4
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) für die Jahre 1994, 1995 und 1998 zunächst antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die sich daraus ergebenden Erstattungsbeträge überwies das FA auf das von den Ehegatten in ihren Erklärungen angegebene Konto des Ehemannes.
Nachdem die Klägerin Einspruch eingelegt und getrennte Veranlagung beantragt hatte, erließ das FA sowohl gegen die Klägerin als auch gegen ihren Ehemann geänderte Bescheide. Deren Abrechnung führte zu Guthaben der Klägerin in Höhe von (umgerechnet) 11 195,32 €.
Die geänderten Bescheide wurden vom Ehemann angefochten. Außerdem nahm er die Klägerin zivilrechtlich auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung in Anspruch. Nachdem die Klägerin dazu rechtskräftig verurteilt worden war, hob das FA die Änderungsbescheide durch Bescheid vom wieder auf und forderte den aufgrund der getrennten Veranlagungen an sie erstatteten Betrag von 11 195,32 € zurück.
Die Klägerin legte Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid ein und beantragte die Aufteilung der sich nach ihrer Auffassung daraus ergebenden Gesamtschuld sowie die Erteilung eines Abrechnungsbescheides.
Den Einspruch gegen die „Aufhebung der Einkommensteuerbescheide über die getrennte Veranlagung 1994, 1995 und 1998” wies das FA als unbegründet zurück, da das Veranlagungswahlrecht durch das rechtskräftige Zivilurteil obsolet geworden sei. Den Antrag auf Aufteilung einer Gesamtschuld lehnte es ab und erteilte den Abrechnungsbescheid dahin, dass die Forderungen nicht durch Aufrechnung mit Beträgen, die der Klägerin nach Aufteilung der Steuerschuld zustünden, erloschen seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor, die Sache sei von grundsätzlicher Bedeutung. Das vom FA vorgelegte (BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162) sei für den Streitfall nicht einschlägig, weil dort nur einer der Ehegatten Vorauszahlungen geleistet habe. Insoweit bedürfe es auch einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung. Nach Aufhebung der getrennten Veranlagung seien die Zusammenveranlagungsbescheide wieder aufgelebt, und damit die Gesamtschuldnerschaft der Ehegatten. Die Erstattung an sie, die Klägerin, sei i.S. von § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) allenfalls insoweit rechtsgrundlos gewesen, als sie ihr auch bei Aufteilung der negativen Steuerschuld aus den Zusammenveranlagungsbescheiden nicht zugestanden hätte. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass das FA an den Ehemann trotz Kenntnis des Rechtsstreites über die Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung gezahlt habe; Rechtsprechung zu einem derartigen Fall liege bisher nicht vor.
Das FG habe sich zudem in verfahrensfehlerhafter Weise nicht mit der Bösgläubigkeit des FA bei der Erstattung an den Ehemann, mit ihrem Vortrag im Schriftsatz vom sowie der Frage auseinandergesetzt, ob sich das FA nicht an seiner Mitteilung vom festhalten lassen müsse, dass der Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld erst nach dem Leistungsgebot erfolgen könne.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Der Streitfall wirft keine grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen auf (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Mit der Behauptung, eine BFH-Entscheidung —hier das Urteil in BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162— sei nicht einschlägig, wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.
b) Die Frage, ob der aufgrund einer aufgehobenen getrennten Veranlagung an einen Ehegatten erstattete Betrag aufzuteilen ist und von ihm nur insoweit zurückgefordert werden kann, als er ihm nicht als Erstattung aus dem wieder in Kraft getretenen Zusammenveranlagungsbescheid zugestanden hätte, ist nicht grundsätzlich bedeutsam. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich aus dem Gesetz ohne weiteres beantworten lässt:
aa) Kommt es infolge einer Zusammenveranlagung zu einer Steuererstattung, so ist die Erstattungsberechtigung nach § 37 Abs. 2 AO zu bestimmen und nicht, wie die Klägerin meint, nach den Vorschriften über die Aufteilung einer Steuerschuld (§§ 268 ff. AO). Die Ehegatten sind nicht Gesamtgläubiger (, BFH/NV 1995, 781); erstattungsberechtigt ist der Ehegatte, der die zu erstattende Steuer an das FA gezahlt hat oder auf dessen Rechnung bezahlt wurde (, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453). Das FA wird jedoch unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, der aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die widerlegbare gesetzliche Vermutung einer Einziehungsvollmacht enthält, durch Erstattung an einen Ehegatten dem materiell Erstattungsberechtigten gegenüber frei (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 781). Es kann regelmäßig mit befreiender Wirkung auch auf das von den Ehegatten in der Einkommensteuererklärung angegebene Konto überweisen, sofern diese Anweisung nicht zuvor widerrufen wurde (vgl. , juris).
bb) Die Aufhebung eines Bescheides, mit dem getrennt veranlagt wurde, lässt den Rechtsgrund für die auf seiner Grundlage geleistete Erstattung entfallen, so dass der Erstattungsbetrag nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO vom Leistungsempfänger —vorliegend von der Klägerin als Adressatin der Bescheide— zurückzuzahlen ist. Insoweit besteht keine Gesamtschuld, so dass eine Aufteilung nicht in Betracht kommt.
cc) Zwischen der Frage, ob das FA die den Ehegatten aufgrund des Zusammenveranlagungsbescheides zustehende Erstattung mit befreiender Wirkung oder an den materiell Berechtigten geleistet hat, und der Rückforderung der Erstattung wegen eines aufgehobenen späteren Bescheides, mit dem getrennt veranlagt wurde, besteht kein rechtlicher Zusammenhang. Die „fehlerhafte” Erstattung des Guthabens aus der Zusammenveranlagung würde den Rückforderungsanspruch aus der aufgehobenen getrennten Veranlagung nicht zu einer aufteilbaren Gesamtschuld werden lassen.
2. Angesichts der vorstehend skizzierten klaren Rechtslage bedarf es keiner Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
3. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor. Das FG hat weder den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 76 Abs. 1 und § 119 Nr. 3 FGO) noch hat es versäumt, seine Entscheidung mit Gründen zu versehen (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO).
a) Da der Rückforderungsanspruch wegen der Aufhebung der getrennten Veranlagung auch dann nicht zu einer aufteilbaren Gesamtschuld wird, wenn das sich aus dem wieder auflebenden Zusammenveranlagungsbescheid ergebende Guthaben ohne befreiende Wirkung oder an den materiell nicht Berechtigten erstattet wurde, bestand für das FG kein Anlass, sich mit der von der Klägerin behaupteten Bösgläubigkeit des FA bei der Erstattung an den Ehemann auseinanderzusetzen.
b) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe sich nicht mit ihrem Vortrag im Schriftsatz vom auseinandergesetzt, hat sie weder dargelegt, welche tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen unbeachtet geblieben sind, noch, dass die Entscheidung darauf beruhen kann.
c) Das FG brauchte sich in den Urteilsgründen auch nicht mit der Frage zu befassen, ob sich das FA nicht an seiner Mitteilung vom festhalten lassen müsse, dass der Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld erst nach dem Leistungsgebot erfolgen könne. Diese Mitteilung gibt den Gesetzeswortlaut wieder (§ 269 Abs. 2 Satz 1 AO) und kann nicht als Zusage verstanden werden, dass einem dem Leistungsgebot nachfolgenden Aufteilungsantrag stattgegeben werden würde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 526 Nr. 4
GAAAC-70810