Leitsatz
[1] a) Das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung im Wege der Aufrechnung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, besteht nicht mehr, wenn das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die Gegenforderung beendet wurde (Fortführung von BGHZ 38, 254, 258).
b) Bei der Anfechtung eines Schiedsspruchs ist die Restitutionsklage entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO eröffnet.
Gesetze: ZPO § 580 Nr. 6; ZPO § 1025
Instanzenzug: LG Berlin 4 O 766/04 vom KG Berlin 26 U 28/06 vom
Gründe
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. AG i.L. (im Folgenden: Schuldnerin). Aus Darlehen macht er einen - inzwischen unstreitig gewordenen - Anspruch auf Zahlung von 22.090,60 € nebst Zinsen gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte rechnete mit verschiedenen Gegenforderungen auf. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nur noch um die Aufrechnung der Beklagten mit einer von der Ö. Gesellschaft mbH (künftig: Ö. ) an sie abgetretenen Forderung:
Die Ö. hatte mit der Schuldnerin am , vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Kauf- und Abtretungsvereinbarungen bezüglich der von der H. (früher H. L. ; im Folgenden einheitlich H. ) auf den Namen der Schuldnerin geführten Wertpapierdepots und Kontokorrentguthaben geschlossen. Aufgrund der Vereinbarungen vom beanspruchte die Ö. in der Insolvenz der Schuldnerin ein Absonderungsrecht an den vorbezeichneten Vermögensgegenständen. Sie verklagte zunächst die H. auf Zahlung eines Teilbetrages von 100.000 € aus den Wertpapierdepots und Kontokorrentguthaben. Zur Erledigung der Klage hinterlegte die H. gerichtlich 100.000 € zugunsten der Ö. und des Beklagten. Gestützt auf eine noch mit der Schuldnerin getroffene Schiedsabrede, die die Ansprüche aus den Kauf- und Abtretungsvereinbarungen vom umfasste, erstritt die Ö. gegen den Kläger einen ihrem Absonderungsbegehren stattgebenden Schiedsspruch vom ; der Kläger wurde unter anderem verurteilt, die Herausgabe der von der H. hinterlegten 100.000 € (nebst Hinterlegungszinsen) an die Ö. zu bewilligen. Die Ö. beantragte, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären; hierüber ist noch nicht rechtskräftig entschieden.
Mit Erklärung vom , ergänzt am und , trat die Ö. den ihr im Schiedsspruch vom zuerkannten Anspruch, dass der Kläger in die Auszahlung des gerichtlich hinterlegten Betrages (100.000 €) an sie einzuwilligen habe, in Höhe eines Teilbetrages von 27.500 € - sowie die entsprechende Forderung gegen die Hinterlegungsstelle und das Absonderungsrecht - an die Beklagte ab. Diese rechnete im vorliegenden Rechtsstreit mit dem letztrangigen Teil der abgetretenen Forderung gegen die Klageforderung auf.
Der Kläger hält die Aufrechnung für unwirksam, weil die dazu verwandte Gegenforderung mangels Vollstreckbarerklärung des sie zuerkennenden Schiedsspruchs nicht durchsetzbar sei. Zudem fehle es an der Gleichartigkeit von Klageforderung und zur Aufrechnung gestellter Gegenforderung.
Das Landgericht hat dem Kläger 22.090,60 € nebst Zinsen zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung durchgreifen lassen und die Klage abgewiesen; die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet; Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) sind nicht gegeben.
1. Nach Auffassung der Beschwerde gibt der Rechtsstreit Anlass, rechtsgrundsätzlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und rechtsfortbildend (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) zu klären, ob das mit einer Schiedsvereinbarung regelmäßig verbundene Aufrechnungsverbot bereits mit der Beendigung des Schiedsverfahrens durch Schiedsspruch oder erst mit der Vollstreckbarkeitserklärung dieses Schiedsspruchs hinfällig wird. Dem ist indes nicht zu folgen.
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, hinsichtlich des zur Aufrechnung gestellten Anspruchs habe eine Schiedsabrede bestanden. Aufgrund einer (konkludenten) Prozessabrede sei in diesem Fall die Aufrechnung regelmäßig ausgeschlossen, da nicht das Prozessgericht, sondern nur das Schiedsgericht zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung berufen sei. Nach dem Sinn und Zweck der Prozessabrede könne das Verbot nur so lange bestehen, wie das Schiedsgericht noch nicht entschieden habe. Liege dagegen wie hier mit dem Schiedsspruch eine Entscheidung des Schiedsgerichts über die Gegenforderung vor, bestehe kein rechtfertigender Grund mehr für den Schuldner, sich auf das Aufrechnungsverbot zu berufen.
b) Mit diesen Erwägungen liegt das Berufungsgericht auf der Linie höchstrichterlich gebilligter Rechtssätze. Eine revisionsgerichtliche Entscheidung ist nicht veranlasst.
Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung unterstand nach den - von der Beschwerde selbst zugrunde gelegten - Feststellungen des Berufungsgerichts einer auch die Parteien dieses Rechtsstreits bindenden Schiedsabrede. Diese enthält anerkanntermaßen ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden sollte. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die mit einer rechtswirksamen Schiedsabrede versehen ist, darf im Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht nicht beachtet werden (vgl. BGHZ 38, 254, 258 <in teilweiser Abweichung von BGHZ 23, 17, 22 ff>; 60, 85, 89). Das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, hat seinen Grund darin, dass sonst das staatliche Gericht rechtskräftig (§ 322 Abs. 2 ZPO) über Forderungen entscheiden könnte, über die nach dem Willen der Parteien nur das Schiedsgericht entscheiden soll (vgl. BGHZ 60, 85, 90). Dementsprechend besteht dieses Verbot nicht mehr, wenn - so liegt der Streitfall - das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die schiedsbefangene (Gegen-)Forderung beendet wurde. Denn die von den Parteien gewollte Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts wurde gewahrt, das Ziel der Schiedsvereinbarung erreicht.
Die - gegebenenfalls zu beantragende - Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist nicht mehr Teil des Schiedsverfahrens. Dabei geht es allein um die - in den Grenzen des § 1060 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 ZPO zulässige - staatliche Anerkennung des Schiedsspruchs und die Schaffung eines (staatlichen) Vollstreckungstitels (vgl. § 1064 Abs. 2 ZPO; Senatsbeschluss vom - III ZB 43/99 - BGHR ZPO § 1064 Abs. 2 und 3 Vollstreckbarerklärung 1 a.E.). Dieses zur Durchsetzung des Schiedsspruchs unter Umständen erforderliche Verfahren vor dem staatlichen Gericht wird von dem Zweck des Verbots, mit der schiedsbefangenen Forderung vor dem staatlichen Gericht aufzurechnen, - Sicherung der Schiedsautonomie - nicht umfasst.
Ob das Verbot, im Prozess vor dem staatlichen Gericht mit einer schiedsbefangenen Gegenforderung aufzurechnen, wieder auflebt, wenn der Schiedsspruch, der darüber entschied, aufgehoben wird, kann hier offen bleiben. Eine mit Eintritt der formellen Rechtskraft wirksame rechtsgestaltende Aufhebungsentscheidung (vgl. § 1059 Abs. 1 und 2, § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO; Musielak/Voit, ZPO 5. Aufl. 2007 § 1059 Rn. 32 und Musielak/Foerste aaO vor § 253 Rn. 17) liegt unstreitig nicht vor. Es ist mithin von einer "Erledigung" der Schiedsvereinbarung durch verfahrensabschließenden Schiedsspruch auszugehen.
Sollte nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits der die Gegenforderung zuerkennende Schiedsspruch (§ 1055 ZPO) doch aufgehoben werden, wäre dem Kläger in diesem Rechtsstreit die Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6 ZPO eröffnet (vgl. RG ZZP 61 <1937>, 142, 144 <mit zusätzlicher Anmerkung der Schriftleitung>; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. 1994 § 580 Rn. 23; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. 2007 § 580 Rn. 13).
2. Eine rechtsgrundsätzliche und auch unter Gehörsgesichtspunkten beachtliche (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 Alt. 2 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG) Frage sieht die Beschwerde ferner darin, ob eine Vereinbarung der Parteien des Schiedsvertrages, nach welcher das Verfahren zur Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beziehungsweise die Aufhebbarkeit des Schiedsspruchs zunächst nicht weiter betrieben werden soll, regelmäßig dahingehend auszulegen ist, dass das mit der Schiedsabrede verbundene Aufrechnungsverbot andauern oder doch zumindest wieder aufleben soll. Die Beschwerde verweist dazu auf eine Vereinbarung, die der Kläger in dem von der Ö. , der Rechtsvorgängerin der Beklagten, gegen ihn geführten, oben genannten Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom (KG 20 Sch 17/04 = III ZB 11/07) getroffen habe. Auf Anregung des Kammergerichts habe er sich mit der Ö. dahin verständigt, das Vollstreckbarerklärungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine auf Insolvenzanfechtung gerichtete Klage gegen die Ö. (95 O 78/03 LG Berlin) "auszusetzen". Nach Sinn und Zweck dieses Vergleichs habe die Ö. ihr angebliches Aus- oder Absonderungsrecht auch nicht im Wege der Aufrechnung durchsetzen dürfen.
Den Erwägungen der Beschwerde mangelt die Grundlage in dem für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalt. Dem Berufungsurteil sind keine Feststellungen zu entnehmen, wonach die in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren am erfolgte einvernehmliche Verfahrensaussetzung ein an die Ö. , die dortige Antragstellerin, gerichtetes (die Beklagte als Rechtsnachfolgerin bindendes) Verbot enthalten sollte, anderweit mit der ihr durch den Schiedsspruch zuerkannten Forderung aufzurechnen. Die Beschwerde benennt auch nicht dahingehenden Parteivortrag, den das Berufungsgericht übergangen oder ihm jedenfalls Anlass zu einem Hinweis gegeben hätte. Der von ihr herangezogene Vortrag des Klägers (S. 6 f des Schriftsatzes vom ), er habe sich mit der Ö. vergleichsweise über ein "Ruhen" des Vollstreckbarerklärungsverfahrens geeinigt, "um die Aufhebung des Schiedsspruches und die Wiederholung einer kostenintensiven Verhandlung vor dem Schiedsgericht zunächst zu vermeiden", enthält keinen Anhalt für ein stillschweigend vereinbartes Aufrechnungsverbot. Im Anschluss hieran wird die vergleichsweise Regelung lediglich zum Beleg dafür angeführt, dass der Schiedsspruch ohne Aussagekraft und der - dort der Beklagten zugesprochene - zur Aufrechnung gestellte Anspruch weder fällig noch durchsetzbar sei. Im Übrigen wäre für ein im Zuge der einvernehmlichen "Aussetzung" des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zwischen dem Kläger und der Ö. etwa vereinbartes zeitweiliges Aufrechnungsverbot inzwischen die Grundlage entfallen. Denn der Kläger und die Ö. hoben übereinstimmend die vergleichsweise Regelung auf, indem sie am 1. November und übereinstimmend die Fortsetzung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens beantragten.
3. Die Antwort auf die von der Beschwerde aufgeworfene, angeblich rechtsgrundsätzliche Frage, ob eine Zahlungsforderung und ein Anspruch auf Freigabe eines hinterlegten Geldbetrages auch dann im Sinne des § 387 BGB als gleichartig angesehen werden können, wenn der Freigabeanspruch bereits tituliert ist, ergibt sich im Wesentlichen aus dem (IVb ZR 70/87 - NJW-RR 1989, 173, 174 unter III. 1. b a.E.). Die von der Beschwerde als unsicher dargestellte Empfangsberechtigung des Klägers steht für die Hinterlegungsstelle mit der rechtskräftigen Entscheidung über den zur Aufrechnung gestellten Freigabeanspruch fest.
4. Das Berufungsurteil leidet schließlich nicht deshalb an einem zulassungsfordernden Rechtsfehler, weil von einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO abgesehen wurde; der diesbezüglich von der Beschwerde reklamierte Gehörsverstoß liegt nicht vor.
a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder den Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (vgl. BGHZ 162, 373, 375 m.w.N.).
b) Die Möglichkeit einer solchen Vorgreiflichkeit der von dem Kläger gegen die Ö. gerichteten, auf Insolvenzanfechtung gestützten Klage (95 O 78/03 LG Berlin) für die in dem vorliegenden Rechtsstreit zu prüfende - letztlich auf dem Absonderungsrecht der Ö. beruhende - zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten hat das Berufungsgericht keineswegs gehörswidrig übergangen. Es hat erwogen, dass die Insolvenzanfechtung nur ein Rückgewährschuldverhältnis (vgl. § 143 Abs. 1 InsO) begründen könne und folglich - mangels dinglicher Wirkung - auf den hier geltend gemachten Gegenanspruch ohne Einfluss sei. Die Beschwerde teilt diesen rechtlichen Ansatz im Grunde; sie meint, die - von ihr an anderer Stelle übrigens ausdrücklich verneinte - Vorgreiflichkeit ergebe sich daraus, dass der Kläger die Insolvenzanfechtung dem (Gegen-)Anspruch der Beklagten im Wege der Einrede entgegensetzen könne. Dass der Kläger in diesem Rechtsstreit eine solche Einrede erhoben hätte, ist indes nicht ersichtlich. Das Berufungsurteil enthält eine entsprechende Feststellung nicht.
c) Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch die von der Beschwerde erneut beantragte Aussetzung des Verfahrens "bis zur Erledigung des Anfechtungsprozesses (LG Berlin 95 O 78/03)" aus.
5. Der von der Beklagten mit Schriftsatz vom gestellte Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren der Ö. gegen den Kläger (III ZB 11/07) auszusetzen, hat sich durch den in jenem Verfahren ergangenen Senatsbeschluss vom erledigt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 341 Nr. 8
NJW-RR 2008 S. 556 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2008 S. 809
WM 2008 S. 900 Nr. 19
EAAAC-70773
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja