BSG Urteil v. - B 3 KR 13/07 R

Leitsatz

Die Frage, ob einer Krankenkasse im Prozess über einen Abrechnungsstreit mit einem Krankenhaus Einsicht in die vom Sozialgericht beigezogenen Behandlungsunterlagen des Krankenhauses zu gewähren ist (§ 120 SGG), kann nicht Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage sein.

Gesetze: SGG § 120; SGG § 202; ZPO § 266 Abs 2; ZPO § 148; ZPO § 322; ZPO § 148; ZPO § 322

Instanzenzug: SG Duisburg S 9 KR 192/06 vom

Gründe

I

Die klagende Krankenkasse verlangt von dem beklagten Krankenhaus die Erstattung überzahlter, nach Diagnosis Related Groups (DRG) berechneter Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 501,97 Euro. Dabei ist ua streitig, ob der Klägerin im laufenden Klageverfahren ein eigenes Recht auf Einsicht in die vom Sozialgericht (SG) nach § 106 Abs 3 Nr 2 SGG angeforderten und daraufhin von der Beklagten dem Gericht zur Verfügung gestellten Krankenakten zusteht. Das SG hat hierüber in einem Zwischenfeststellungsverfahren entschieden.

Ein bei der Klägerin versicherter Patient wurde im Jahre 2005 kurz nacheinander zweimal in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus stationär behandelt. Die Beklagte berechnete die erste Behandlung (7. bis ) nach der DRG T 64 Z mit 2.311,42 Euro und die zweite Behandlung (27.2. bis ) nach der DRG B 70 B mit 3.928,81 Euro (Rechnungen vom 22.2. und ). Die Klägerin bezahlte - unter Vorbehalt - den Gesamtbetrag von 6.240,23 Euro, beauftragte aber zugleich den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnungen und unterrichtete die Klägerin hierüber (Schreiben vom ). Nach Auswertung der Entlassungsberichte des Krankenhauses gelangte der MDK (Gutachten vom ) zu dem Ergebnis, beide stationären Aufenthalte seien nach Änderung der Haupt- und Nebendiagnosen nach der DRG E 77 B zu beurteilen und als einheitlicher Fall zusammenzuführen. Die Klägerin hielt daraufhin nur noch Gesamtkosten in Höhe von 5.327,16 Euro für gerechtfertigt und forderte einen Betrag von 913,07 Euro zurück (Schreiben vom ). Die Beklagte akzeptierte für die zweite Behandlung die Abrechnung nach der DRG E 77 B (Schreiben vom ) und zahlte am einen Betrag von 411,10 Euro zurück; eine weitergehende Korrektur ihrer Abrechnungen lehnte sie ab. Der MDK hielt demgegenüber an seinem Begutachtungsergebnis fest (weiteres Gutachten vom ), woraufhin die Klägerin den noch offenen Restbetrag von 501,97 Euro anmahnte (Schreiben vom ). Die Beklagte lehnte die Rückzahlung ab, weil eine Beschränkung des Prüfverfahrens auf die Auswertung von Entlassungsberichten nicht ausreiche, es keinen medizinischen Grund für die Änderung der Abrechnung der ersten Behandlung gebe und deshalb auch eine Fallzusammenführung ausscheide (Schreiben vom ).

Mit der am erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Erstattungsbegehren weiter. Um dem Einwand einer unzureichenden Entscheidungsgrundlage der MDK-Gutachten begegnen und den Erstattungsanspruch bei Bedarf näher substantiieren zu können, hat die Klägerin das SG schon in der Klageschrift um Übersendung der Krankenakten und der Pflegedokumentation über die streitigen stationären Aufenthalte des Versicherten gebeten. Die Beklagte hat dem Antrag widersprochen und sich lediglich mit einer Weiterleitung der Unterlagen an den MDK einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 8.11. und ). Die Klägerin hat dieser Verfahrensweise nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Beklagte die dann zu treffende Entscheidung des MDK vorbehaltlos akzeptiert (Schriftsatz vom ), was die Beklagte aber abgelehnt hat (Schriftsatz vom ). Der Versicherte ist bislang nicht befragt worden, ob er mit der Weitergabe seiner Krankenunterlagen an die Klägerin einverstanden ist.

Die Klägerin macht geltend, ihr Rechtsanspruch auf Einsicht der Behandlungsunterlagen folge unmittelbar aus § 120 SGG sowie mittelbar aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG. Nur im vorprozessualen Überprüfungsverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V beschränke sich die Einsichtnahme und Auswertung der Behandlungsunterlagen eines Krankenhauses auf den MDK. Im gerichtlichen Verfahren stehe den Krankenkassen dagegen ein eigenes Einsichtsrecht zu, zumal der MDK an gerichtlichen Vergütungs- und Erstattungsstreitigkeiten zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen nicht selbst beteiligt sei, die Gutachten und Stellungnahmen des MDK für die Beteiligten nicht bindend seien und die Krankenkassen allein das Prozessrisiko trügen.

Die Beklagte meint, der Einsichtnahmeantrag diene der "Ausforschung" des vermuteten Anspruchs. Die Zahlungsklage sei derzeit mangels Substantiierung unzulässig. Ob ein Erstattungsanspruch bestehe, müsse eine Krankenkasse ausschließlich anhand der Ergebnisse eines nach den landesvertraglichen Regelungen (§ 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1b und Nr 2 SGB V) unter Einschaltung des MDK (§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V) durchzuführenden Überprüfungsverfahrens entscheiden und vortragen. Der MDK sei ermächtigt, im Rahmen der Begutachtung alle notwendigen Informationen aus den Behandlungsunterlagen zu beschaffen. Dass hier nur die Entlassungsberichte angefordert und ausgewertet worden seien und die Klägerin den MDK nicht mit einer weitergehenden Prüfung beauftragt habe, könne nicht dazu führen, ihr nunmehr ein eigenes Einsichtsrecht zuzubilligen, zumal der Versicherte die behandelnden Krankenhausärzte bisher nicht von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden und sich auch nicht mit der Einsicht der Klägerin in die Behandlungsunterlagen einverstanden erklärt habe. Die Einsicht der Klägerin in die Behandlungsunterlagen verstieße gegen das Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 GG) bzw das Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I).

Das SG hat auf Antrag der Klägerin "festgestellt, dass der Klägerin im laufenden Klageverfahren ein Recht auf Einsicht in die beigezogenen Krankenunterlagen ihres Versicherten zusteht" (Teilurteil vom ) und die Sprungrevision zugelassen (Beschluss vom ). Es hat ausgeführt, das von der Klägerin geltend gemachte eigene Akteneinsichtsrecht (§ 120 SGG) sei als Ausfluss des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) begründet. Es sei ein "Gebot der Waffengleichheit" im gerichtlichen Verfahren, wenn nicht nur das abrechnende Krankenhaus, sondern auch die zahlungspflichtige Krankenkasse Einsicht in die der streitigen Abrechnung zugrunde liegenden Behandlungsunterlagen nehmen könne. Ohne Kenntnis der darin dokumentierten Befunde, Behandlungen und des Behandlungsverlaufs sei eine sachgerechte Überprüfung der abgerechneten Kosten, hier anhand der DRG's, nicht möglich. Das Recht eines Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung habe im gerichtlichen Verfahren um Abrechnungsstreitigkeiten gegenüber dem Recht der Krankenkasse auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses zurückzutreten.

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 62 und 120 SGG sowie des § 301 SGB V. Sie macht geltend, die der Krankenkasse vom Krankenhaus im Rahmen der Kostenabrechnung zu übermittelnden Daten seien abschließend in § 301 SGB V aufgeführt. Bei Zweifeln über die Berechtigung einer Kostenrechnung könne die Krankenkasse das im jeweiligen Landesvertrag (§ 112 Abs 1 Satz 1 Nr 1b und Nr 2 SGB V) vorgesehene Überprüfungsverfahren durchführen und müsse dazu den MDK einschalten (§ 275 SGB V), wenn medizinische Sachverhalte zu klären seien. Der MDK sei in der Lage, alle notwendigen Informationen aus den Krankenunterlagen zu beschaffen (§ 276 SGB V) und müsse diese der Krankenkasse zur Verfügung stellen (§ 277 SGB V). Ein eigenes Recht der Krankenkassen auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen eines Krankenhauses sehe das Gesetz weder vorprozessual noch im gerichtlichen Verfahren vor und sei auch sachlich nicht geboten. Allenfalls mit Einverständnis des Versicherten dürfe eine Krankenkasse die Krankenakten einsehen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des SG Duisburg vom aufzuheben und die Zwischenfeststellungsklage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Zwischenfeststellungsklage war als unzulässig abzuweisen.

1) Die Sprungrevision gegen das ist zulässig.

a) Das SG hat die Sprungrevision mit Beschluss vom zugelassen. Diese Entscheidung ist für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (§ 161 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 SGG), weil das angefochtene Urteil als Entscheidung über eine von der Klage zur Hauptsache getrennte Zwischenfeststellungsklage (§ 202 SGG iVm § 256 Abs 2 ZPO) anzusehen und damit selbstständig anfechtbar ist. Es handelt sich nicht lediglich um ein Zwischenurteil über eine für die Zulässigkeit oder Begründetheit einer erhobenen Klage entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage (§ 130 Abs 2 SGG sowie § 202 SGG iVm § 303 ZPO), das nicht selbstständig angefochten werden kann ( B 9/9a SB 49/06 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), sondern nur im Rahmen eines Rechtsmittels gegen das spätere Endurteil überprüft wird.

b) Der Umstand, dass der Streitwert der Zwischenfeststellungsklage hier lediglich 170 Euro (ein Drittel des Wertes der Hauptsache) beträgt und deshalb eine Berufung gegen das Teilurteil mangels Zulassung der Berufung im Urteil nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG an sich unstatthaft gewesen wäre, steht der Zulassung der Sprungrevision nicht entgegen, weil die Statthaftigkeit der Berufung gegen die angefochtene Entscheidung als besondere prozessuale Voraussetzung der Sprungrevision im Gesetz nicht genannt ist (vgl Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 161 RdNr 1 und 2 mwN). Die Sprungrevision ist innerhalb der mit Zustellung des Zulassungsbeschlusses beginnenden Monatsfrist (§ 161 Abs 3 Satz 2 SGG) beim BSG eingegangen. Die mit Schriftsatz vom erklärte Zustimmung der Klägerin zur Einlegung der Sprungrevision lag dem SG bei der Beschlussfassung vor (§ 161 Abs 1 Satz 3, 1. Alternative SGG); sie musste deshalb der Revisionsschrift nicht nochmals beigefügt werden.

2) Die Sprungrevision führt zur Änderung des angefochtenen Teilurteils und zur Abweisung der Zwischenfeststellungsklage als unzulässig. Die prozessualen Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage liegen hier nicht vor.

a) Nach § 256 Abs 2 ZPO kann der Kläger bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klageantrages und der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Diese Regelung gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (§ 202 SGG) und ergänzt dort die Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, wonach mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, aaO, § 55 RdNr 21 ff). Dabei ist für die Zwischenfeststellungsklage ein besonderes rechtliches Interesse an der baldigen Feststellung grundsätzlich nicht erforderlich (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl 2007, § 256 RdNr 109); dieses Rechtsschutzinteresse wird insoweit ersetzt durch das Tatbestandsmerkmal der Vorgreiflichkeit des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses (BSGE 87, 25, 27 = SozR 3-2500 § 109 Nr 7; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 22). Unter dem Begriff "Rechtsverhältnis" versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts nichtverfassungsrechtlicher Art für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwGE 89, 327; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 4 mwN). Dabei muss die Feststellungsklage nicht auf das Rechtsverhältnis im umfassenden Sinn zielen; es kann auch auf Feststellung einzelner Rechte und Pflichten geklagt werden, die auf dem Rechtsverhältnis im umfassenden Sinn basieren und vom Inhalt dieses Rechtsverhältnisses abhängen (BSGE 47, 118, 119 = SozR 1200 § 35 Nr 1; BSG SozR 4-7822 § 3 Nr 1; BVerwGE 36, 218; Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 6). Vorgreiflichkeit (vgl dazu § 148 ZPO) ist gegeben, wenn über das festzustellende Rechtsverhältnis ansonsten in den Entscheidungsgründen zur Hauptsache zu befinden wäre, nicht aber, wenn über die Klage ohne Rücksicht darauf entschieden werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 22 mwN). Zweck der Zwischenfeststellungsklage ist die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf das streitige vorgreifliche Rechtsverhältnis. Sie ist ein Ausgleich dafür, dass die Grundlagen der Entscheidung bis auf die tragenden Gründe (§ 322 ZPO) nicht in Rechtskraft erwachsen können (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 21; BGH NJW 1992, 1897).

b) Im vorliegenden Fall fehlt es an einem vorgreiflichen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis iS des § 202 SGG iVm § 256 Abs 2 ZPO. Zwar sind die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts und die Beklagte als juristische Person des Zivilrechts "Personen" im Sinne der Definition des Begriffes "Rechtsverhältnis" und die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern sind nach § 69 SGB V ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur (BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1). Die Beteiligten streiten hier aber nicht - wie erforderlich - um ein zwischen ihnen selbst oder zwischen ihnen und einer dritten Person bestehendes Rechtsverhältnis. Dies wäre beispielsweise anzunehmen, wenn es um die Feststellung ginge, die Beklagte sei innerhalb des laufenden Rechtsstreits verpflichtet, der Klägerin auf Antrag selbst Einsicht in die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses über die beiden stationären Aufenthalte des Versicherten im Februar und März 2005 zu gewähren, wenn diese Unterlagen sich also noch in ihren Händen befänden und noch nicht vom SG beigezogen und als Beiakten geführt worden wären. Es geht auch nicht um die von einem Versicherten begehrte Feststellung, dass die Krankenkasse oder das Krankenhaus kein Recht hat, aus dem Versicherungsverhältnis oder dem Vertragsverhältnis resultierende Sozialgeheimnisse (§ 35 SGB I) oder sonstige der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen zu offenbaren (BSGE 47, 118 = SozR 1200 § 35 Nr 1). Vielmehr streiten die Beteiligten um die Frage, ob das SG der Klägerin Einsicht in die von ihm bereits beigezogenen (§ 106 Abs 3 Nr 2 SGG) und als Beiakten geführten Behandlungsunterlagen des Krankenhauses gewähren darf oder muss, obgleich den Krankenkassen jedenfalls im außergerichtlichen Bereich nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen des Datenschutzes (vgl §§ 275 ff und § 301 SGB V) kein eigenes Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen eines Krankenhauses zusteht (Urteil des Senats vom - B 3 KR 64/01 R - BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; stRspr) und nach § 35 Abs 1 Satz 1 SGB I jeder Mensch einen Anspruch darauf hat, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs 1 SGB X) von den Krankenkassen und sonstigen Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis), wobei diese Maßnahmen nur dann "befugt" erfolgen, wenn der Betroffene zustimmt oder eine gesetzliche Mitteilungspflicht besteht (§ 100 SGB X), die ärztliche Schweigepflicht der Mitteilung bzw Erhebung von Sozialdaten also nicht entgegen steht. Streitig ist damit lediglich ein prozessualer Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Akteneinsicht durch das SG in die als Beiakten geführten Behandlungsunterlagen des Krankenhauses. Hierfür normiert § 120 SGG die maßgeblichen Voraussetzungen. Die Vorschrift stellt für diesen prozessualen Anspruch eine abschließende Regelung dar. Über die Gewährung von Akteneinsicht nach § 120 SGG entscheidet der Vorsitzende. Er kann aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken. Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann das Gericht angerufen werden, das dann endgültig entscheidet (§ 120 Abs 3 SGG). Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden und ist als prozessleitende Verfügung nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 172 Abs 2 SGG). Hat das Gericht Akteneinsicht zu Unrecht versagt, kann dies im Einzelfall eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) darstellen und im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung zur Hauptsache als Verfahrensfehler gerügt werden (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 120 RdNr 4 und 7d mwN). Wegen dieses abschließenden Regelungssystems im SGG ist für eine gleichgerichtete Zwischenfeststellungsklage kein Raum.

c) Es fehlt im Übrigen auch an der Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses, weil das SG über die Zwischenfeststellungsklage nicht (mehr) streitig zu entscheiden gehabt hätte, wenn der Versicherte die behandelnden Krankenhausärzte von der Schweigepflicht entbunden und seine Zustimmung zur Einsicht der Klägerin in die ihn betreffenden Behandlungsunterlagen und deren Auswertung erklärt hätte (§ 100 Abs 1 SGB X). Es ist bisher nicht versucht worden, dieses Einverständnis zu erreichen. Erst wenn der Versicherte sein Einverständnis verweigert oder sich auf eine solche Anfrage nicht äußert, ist die Streitfrage überhaupt klärungsbedürftig (vgl Gebauer NJW 2003, 777).

3) Nach der Abweisung der Zwischenfeststellungsklage wegen Unzulässigkeit hat das SG nunmehr über den Antrag der Klägerin auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen nach § 120 SGG zu entscheiden.

Für Hinweise des Senats zur Entscheidung des Einsichtnahmeantrages im Falle der Nichterteilung der Zustimmung des Versicherten gibt es keinen Anlass, weil es sich insoweit nicht um einen Fall der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) handelt. Vielmehr hat das SG durch den Vorsitzenden erstmals über den Antrag nach § 120 SGG zu entscheiden. Dabei liegt ein "Ausschluss der Akteneinsicht durch die übersendende Behörde" iS des § 120 Abs 1 SGG, der das Gericht grundsätzlich bindet (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 120 RdNr 8 mwN), nicht vor. Die Beklagte, die zur Übersendung der Behandlungsunterlagen an das SG auch ohne Einverständniserklärung des Versicherten im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungslast nach § 202 SGG iVm § 142 ZPO berechtigt und verpflichtet war (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 106 RdNr 9 und 10 mwN), hat mit ihrem Hinweis, hier komme - entsprechend der Systematik der §§ 275 ff, 301 SGB V für den außergerichtlichen Bereich - allenfalls eine Einsichtnahme durch den MDK in Betracht, weil im Verhältnis zur Klägerin das Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 GG) in der Form des Sozialgeheimnisses (§ 35 SGB I) zu beachten sei, lediglich ihre Rechtsauffassung geäußert, der Antrag der Klägerin auf eigene Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen sei abzulehnen. Eine förmliche Ausschließung der Akteneinsicht war weder beabsichtigt noch überhaupt möglich, weil nach § 119 iVm § 120 Abs 1 SGG ein solches Recht nur übersendenden "Behörden" zusteht (§ 1 Abs 2 SGB X), zu denen die Beklagte als gemeinnützige GmbH nicht gehört. Daher ist das SG durch die Äußerungen der Beklagten nicht gehindert, der Klägerin die begehrte Einsicht zu gewähren, wenn es die sonstigen Voraussetzungen dieses Anspruchs für erfüllt ansieht.

4) Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Die Festsetzung auf ein Drittel des Wertes der Hauptsache erscheint der Bedeutung des Verfahrens angemessen.

Fundstelle(n):
HAAAC-68780