BGH Urteil v. - V ZR 284/06

Leitsatz

[1] a) Ist zwischen dem Verkäufer und dem Käufer im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken ein Beratungsvertrag zustande gekommen, genügt der Verkäufer seiner Beratungspflicht nicht schon dann, wenn er zwar die Funktionsweise eines Mietpoolvertrags erläutert und dem Käufer vor Augen führt, dass sich im Falle von Leerständen der Ertrag sämtlicher Mietpoolmitglieder mindert, er jedoch nicht darauf hinweist, dass in dem dem Käufer vorgerechneten Mietertrag ein angemessenes Mietausfallrisiko nicht einkalkuliert ist.

b) Steuervorteile sind nicht im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen, wenn der Geschädigte die Schadensersatzleistung wieder zu versteuern hat; in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Ersatzleistung auswirkt, braucht in der Regel nicht festgestellt zu werden.

c) Erstattete Werbungskosten sind auch dann im Jahr ihres Zuflusses als Einkünfte aus der Einkommensart zu qualifizieren, in der sie zuvor geltend gemacht worden sind, wenn sie bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags Bestandteil der zurückzugewährenden Leistung oder als Rechnungsposten in einer Schadensersatzleistung enthalten sind.

Gesetze: BGB § 249 Cb; BGB § 675 Abs. 1; EStG § 11 Abs. 1; EStG § 21 Abs. 1; EStG § 23 Abs. 1

Instanzenzug: LG Bielefeld 1 O 50/05 vom OLG Hamm 22 U 28/06 vom

Tatbestand

Die Beklagte zu 1, deren Komplementär der Beklagte zu 2 ist, kauft Altwohnbestände an und veräußert diese nach Durchführung von Renovierungsmaßnahmen als Wohnungseigentum weiter. Im Jahr 1997 erwarben der Kläger und seine Ehefrau (im Folgenden Käufer) eine solche - in B. belegene -Wohnung und traten einem Mietpool bei. Finanziert wurde der Kauf von der B. Bausparkasse im Wege eines Vorausdarlehns mit zwei nachgeschalteten Bausparverträgen. Den Vertragsabschlüssen waren Beratungsgespräche u.a. mit dem von der Beklagten zu 1 eingeschalteten Zeugen W. vorangegangenen, der den Eheleuten eine Musterberechnung vorgelegt und auch die gewählte Finanzierungsalternative vorgeschlagen hatte.

Der Kläger verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens verpflichtet sind. Hierzu macht er geltend, seine Ehefrau und er seien zu ihrem Nachteil in mehrfacher Hinsicht falsch beraten worden. Mit der Drittwiderklage erstreben die Beklagten die Feststellung, dass der Ehefrau des Klägers im Zusammenhang mit den Verhandlungen der Repräsentanten der Beklagten zu 1. keine Ansprüche zustehen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihre Anträge weiter. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Schadensersatzklage sei unter dem Blickwinkel der Schlechterfüllung des zwischen der Beklagten zu 1 und den Käufern konkludent zustande gekommen Beratungsvertrages begründet, wobei die Haftung des Beklagten zu 2 aus § 161 Abs. 2 i.V.m. § 128 Satz 1 HBG folge. Die Beklagte zu 1 habe die Käufer nicht vor Vertragsschluss über die sich abzeichnende Verschlechterung der Ertragssituation informiert. Das Abrutschen des Mietpools in die Verlustzone sei für die Beklagte zu 1 als ein im Bereich der Wohnungswirtschaft erfahrenes Unternehmen ohne weiteres voraussehbar gewesen. Die Kausalität zwischen Beratungspflichtverletzung und Kaufvertragsschluss sei zu bejahen. Die Beklagten hätten nicht den Beweis geführt, dass die Käufer auch bei zutreffender Information den Kaufvertrag geschlossen hätten. Die Widerklage sei unbegründet.

II.

Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach bejaht.

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Verletzung der den Verkäufer treffenden Beratungspflicht schon dann vorliegt, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie gibt (Urt. v. , V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 207), und dies auch dann gilt, wenn der Käufer auf Empfehlung des Verkäufers einem Mietpool beitritt. In solchen Fällen muss das Risiko erhöhter Instandsetzungskosten und das Vermietungsrisiko fremder Wohnungen nicht nur angesprochen, sondern auch - etwa durch Abschläge bei den Einnahmen oder durch Zuschläge bei den monatlichen Belastungen - angemessen bei der Darstellung der Erträge berücksichtigt werden (Urt. v. , V ZR 66/06, WM 2007, 174, 176 f. m.w.N.). Daher genügt der Verkäufer seiner Beratungspflicht nicht schon dann, wenn er zwar die Systematik des Mietpoolvertrags erläutert und den Käufern vor Augen führt, dass im Falle von Leerständen sämtliche Mitglieder des Mietpools "etwas weniger bekommen", er jedoch nicht darauf hinweist, dass in dem den Käufern vorgerechneten Mietertrag ein angemessenes Mietausfallrisiko nicht einkalkuliert ist.

Bei der Beratung über den Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken bildet die Ermittlung des monatlichen Eigenaufwands das Kernstück. Sie soll den Käufer nicht nur von der Möglichkeit überzeugen, mit seinen finanziellen Mitteln das Objekt erwerben, sondern - worauf es hier ankommt - auch halten zu können (Senat, BGHZ 156, 371, 377; Urt. v. aaO). Vor diesem Hintergrund darf der Käufer trotz Erläuterung der Funktionsweise des Mietpools davon ausgehen, dass der Verkäufer das - immer bestehende - Mietausfallsrisiko (Senatsurt. v. , V ZR 281/06, Umdruck S. 5) einkalkuliert hat und nicht schon jeder Leerstand oder sonstiger Mietausfall dazu führt, dass die vorgerechnete Rendite nicht mehr erzielt werden kann.

Gemessen daran hat die Beklagte zu 1 die Ertragslage zu positiv dargestellt. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie nach Abzug der Verwaltungskosten eine Nettomiete von 6,90 DM/qm zugrunde gelegt, in die ein Mietausfallswagnis nicht einkalkuliert worden ist, das Mietausfälle, mit denen üblicherweise gerechnet werden muss, hätte auffangen können. Die Nichtberücksichtigung dieses Risikos bildet den Beratungsfehler, während die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Abgleiten des Mietpools in die Verlustzone in den Folgejahren nur veranschaulichen, dass sich das Leerstands- und Mietausfallrisiko auch realisiert hat (vgl. dazu auch Senatsurt. v. , V ZR 227/06, NZM 2007, 821, 822). Auf die Frage, ob das Berufungsgericht Verluste des Mietpools in jedem Folgejahr zutreffend angenommen hat, kommt es daher nicht an. Im Übrigen räumt auch die Revision nicht aus, dass der Erwerb der Eigentumswohnung jedenfalls in der Gesamtschau für die Käufer nachteilig war.

b) Die Verletzung der Beratungspflicht hat die Beklagte zu 1 zu vertreten, wobei ihr das Verschulden der von ihr eingeschaltenen Berater und deren Beauftragten nach § 278 BGB zuzurechnen ist. Die Verschuldensvermutung entsprechend § 282 BGB a.F. (nunmehr § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) hat sie nicht entkräftet. Dabei kommt es auf das unter Sachverständigenbeweis gestellte Vorbringen, Fachkreise hätten eine unmittelbar bevorstehende Trendwende auf dem Wohnungsmarkt vorausgesagt, ebenso wenig an wie auf das Vorbringen, gemäß der eingereichten "Wohnungsmarktbeobachtung 1997 für das Land Nordrhein-Westfalen" habe man von gleich bleibenden Ergebnissen auf der Mieteinnahmeseite ausgehen können, Unterdeckungen wären nicht aufgetreten, wenn auch in den Folgejahren die Jahresmiete des Verkaufsjahres 1997 hätte erzielt werden können und die Mieten trotz der bis Ende 1997 bestehenden Wohnungsbindung hätten erhöht werden können, wenn es nicht zu einem drastischen Einbruch auf dem Mietmarkt gekommen wäre. Denn ausschlaggebend ist, dass mit Leerständen stets gerechnet werden muss.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss vermutet wird (dazu Senat, Urt. v. , V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; Urt. v. , V ZR 223/03, NJW 2005, 983, 985; Urt. v. , V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 207). Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Senats liegt darin nicht. Zwar greift diese Vermutung nur ein, wenn es für den anderen Teil vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts ausscheidet (vgl. Senatsurt. v. , V ZR 402/99, NJW 2001, 2021 f.). Für die Möglichkeit eines solchen Konflikts fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt. Die von der Revision ins Feld geführte Kündbarkeit des Mietpools gibt hierfür schon deshalb nichts her, weil mit der Kündigung zwar die anteilige Mithaftung für die anderen Poolwohnungen entfallen, dafür aber das Ausfallrisiko bei der eigenen Wohnung erhöht worden wäre. Dass sich die Kläger hierauf eingelassen hätten, liegt mehr als fern. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Mitgliedschaft im Mietpool nach § 3 des Darlehensvertrages ohnehin nur mit Zustimmung der B. hätte gekündigt werden dürfen.

2. Ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, die Käufer müssten sich auf den Schaden die von ihnen erzielten Steuervorteile anrechnen lassen. Eine solche Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung scheidet nämlich aus, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt (std. Rspr., vgl. BGHZ 74, 103, 114; , NJW 2004, 1868, 1870; Urt. v. , III ZR 350/04, NJW 2006, 499; jeweils m.w.N.). So liegt es hier.

a) Allerdings folgt dies nicht schon aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der gegenteiligen Rechtsauffassung - wonach ein Veräußerungsgewinn im Sinne der genannten Vorschrift darin liegen soll, dass der zurückgezahlte Kaufpreis höher sei als die um die Gebäudeabschreibungen verminderten Anschaffungskosten (so etwa OFD Frankfurt a.M., Rundverfügung v. , S 2256 A-19-St II 27, DStR 2001, 1753, 1754) - ist der Bundesfinanzhof mit der überzeugenden Erwägung entgegen getreten, dass die schadensersatzrechtliche Rückgewähr eines Wirtschaftsgutes nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung darstellt und damit nicht als "marktoffenbarer Vorgang" angesehen werden kann, der für eine Veräußerung nach § 23 EStG kennzeichnend ist (BFHE 214, 267, 268 f.; vgl. auch , NJW 2006, 499, 501; jeweils m.w.N.). Das ändert indessen nichts daran, dass erstattete Werbungskosten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes im Jahr ihres Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) als Einkünfte aus der Einkommensart zu qualifizieren sind, in der sie zuvor geltend gemacht wurden (vgl. nur BFHE 171, 183, 184; 175, 546, 547; 198, 425, 427 f.; BFH/NV 1991, 316; 2005, 188, 189 f. m.w.N.; ebenso , NJW-RR 1988, 788, 789; vgl. auch aaO, NJW 2006, 499, 500) und dies auch dann gilt, wenn eine solche Erstattung als Rechnungsposten in einen Rückkaufpreis eingegangen ist (BFH, BFH/NV 1995, 499, 500). Erforderlich ist nur, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Zahlung und den Einnahmen besteht (BFH, BFH/NV 2005, 188, 190). Dieser liegt hier vor, weil den Käufern sämtliche Schäden und damit auch die Werbungskosten zu ersetzen sind, die ihnen infolge des Erwerbs entstanden sind.

b) Soweit die Revision argumentiert, die Käufer hätten nicht dargetan, dass die Schadensersatzleistung zu versteuern sei, wird nicht bedacht, dass die Erwerber - anders als in dem vom III. Zivilsenat des entschiedenen Fall (III ZR 350/04, NJW 2006, 499 ff.) - bereits in der Berufungsinstanz vorgebracht haben, ihnen würden die Steuervorteile wegen des in der Schadensersatzzahlung enthaltenen Werbungskostenrückflusses wieder genommen. Dass sie weder die erzielten Steuervorteile noch die aus einer Versteuerung der ihnen im Zuge von Schadensersatzzahlungen resultierenden Nachteile konkret dargestellt und rechnerisch gegenüber gestellt haben, ist schon deshalb unschädlich, weil Feststellungen dazu, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der zu erstattenden Werbungskosten auswirkt, in der Regel nicht getroffen werden müssen (vgl. nur BGHZ 74, 103, 114; , NJW 2004, 1868, 1870; Urt. v. , III ZR 350/04, NJW 2006, 499; jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger besondere Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch nach einer Anrechnung der aus der Ersatzleistung resultierenden Steuerlast außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben (vgl. IVa ZR 231/82, NJW 1984, 2524; Urt. v. , II ZR 257/88, NJW-RR 1990, 229, 230 m.w.N.). Die Revision verweist auf keinen Tatsachenvortrag, aus dem sich dies ergeben könnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 358 Nr. 8
BFH/NV-Beilage 2008 S. 256 Nr. 3
DB 2008 S. 701 Nr. 13
NJW 2008 S. 649 Nr. 10
WM 2008 S. 350 Nr. 8
LAAAC-68060

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja