BSG Urteil v. - B 1 KR 14/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB V § 13 Abs 3 Satz 1

Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen L 4 KR 78/05 vom SG Braunschweig S 6 KR 93/02

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer privatärztlichen Strahlenbehandlung am .

Die im August 1961 geborene Klägerin, bei der beklagten Ersatzkasse krankenversichert, erkrankte 1994 an einem Mamma-Carcinom. Im Mai 2000 und im April 2001 wurden ihr jeweils Hirnmetastasen operativ entfernt. Wegen einer neuen Hirnmetastase sahen die Ärzte der A. Kliniken S. im August 2001 eine stereotaktische Konvergenzbestrahlung als dringend indiziert an und empfahlen hierfür die Praxis des Radiologen und Strahlentherapeuten Dipl.-Phys. B. in H. . Stereotaktische Konvergenzbestrahlungen waren 2001 nicht Gegenstand des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen, da der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hierüber nicht entschieden hatte. Ungeachtet dessen hatte die Praxis B. bis 1999 einen Vertrag mit der Beklagten über die pauschale Abrechnung solcher Leistungen ohne vorangegangenes Bewilligungsverfahren im Kostenerstattungswege. Mit Kassenpatienten wie der Klägerin sprach der Radiologe B. generell ab, seine Privatrechnungen der Kasse zur Erstattung vorzulegen; die Beklagte mache die Kostenübernahme von einem positiven Votum des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung abhängig; bei definitiver Ablehnung einer Kostenübernahme sei er bereit, Zugeständnisse bezüglich des Honorars zu machen. Nach seinem Eindruck war es den Patienten klar, dass ein gewisses finanzielles Risiko mit dieser Absprache verbunden war.

Die Beklagte lehnte das Kostenübernahmegesuch der Klägerin vom für die Behandlung im August 2001 ab (Bescheid vom ), da es sich nicht um eine Vertragsleistung handele. Die Übernahme dieser Kosten steht nicht mehr im Streit, da der Radiologe B. später auf den Zahlungsanspruch verzichtet hat. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Wegen einer neuen Hirnmetastase (MRT ) bestrahlte der Radiologe B. die Klägerin am erneut stereotaktisch. Die Beklagte, die von der neuen Diagnose und Behandlung nichts wusste, wies die Klägerin darauf hin, sie hätte eine entsprechende Bestrahlung kostenlos stationär in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) erhalten können. Die Klägerin zahlte den Rechnungsbetrag für die Bestrahlung vom (3.998,94 DM = 2.044,63 Euro) und forderte im Widerspruchsverfahren erfolglos auch Erstattung dieses Betrags (Widerspruchsbescheid vom ).

Während die Klage beim Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben ist (Urteil vom ), hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte auf die Berufung der Klägerin antragsgemäß verurteilt, ihr 2.044,63 Euro zu erstatten. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, zwar liege kein Fall des § 13 Abs 2 oder 3 SGB V vor. Der Zahlungsanspruch folge aber aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der langjährige Krankheitsverlauf habe eine gesteigerte Beratungspflicht der Beklagten ausgelöst. Sie habe die Klägerin bereits im Bescheid vom darauf hinweisen müssen, zukünftig solche Leistungen kostenfrei in der MHH erhalten zu können (Urteil vom ).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V und der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der Kostenerstattungsanspruch scheitere, weil die Klägerin sich vor der Bestrahlung am nicht an die Beklagte gewandt und die Beklagte keine Pflicht zur Spontanberatung gehabt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die zulässige Revision der beklagten Ersatzkasse, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist begründet. Das LSG-Urteil ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende SG-Urteil ist zurückzuweisen, denn die Klägerin hat zwar zulässig Klage erhoben (dazu 1.), in der Sache gegen die Beklagte aber keinen Anspruch darauf, 2.044,63 Euro erstattet zu erhalten. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (dazu 2.) sind nicht erfüllt (dazu 3.).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere bedurfte es keines zusätzlichen Widerspruchsverfahrens über den Erstattungsanspruch der Klägerin, die ihren Antrag iS des Rechtsgedankens von § 99 Abs 3 Nr 2 SGG im Widerspruchsverfahren erweitert hat. Widerspruchsgrund war unverändert die Weigerung der Beklagten, für die Kosten stereotaktischer Bestrahlungen des Radiologen B. wegen Hirnmetastasen der Klägerin aufzukommen (vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3 RdNr 7 mwN; Abgrenzung zu - RegNr 26563, juris).

2. Einzige Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (hier anzuwenden in der seit geltenden Fassung des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom , BGBl I 1046; dazu a). Ein Herstellungsanspruch kommt hierfür nicht in Betracht (dazu b).

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 19; vgl auch - RdNr 9, zur Veröffentlichung vorgesehen) stellt sich der im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus der Zeit vor dem SGB V (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 57 S 107 f mwN; BSGE 53, 273, 276 f = SozR 2200 § 182 Nr 82 S 163; BSG SozR 2200 § 182 Nr 86 S 179; - USK 81179) in § 13 Abs 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar (in diesem Sinne auch BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 2 S 4 unter Hinweis auf BSGE 73, 271, 273 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 12). Seit Inkrafttreten des SGB IX teilt sich § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V diese Aufgabe zusammen mit dem hier nicht einschlägigen Kostenerstattungsanspruch aus § 15 SGB IX. Das entspricht Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und dem Zweck des Gesetzes (vgl zusammenfassend BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 20 mwN). Die Rechtsnorm hat, wie der Senat entschieden hat, nur den Zweck, den Versicherten so zu stellen, wie er bei Gewährung einer Sachleistung stehen würde (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; - RdNr 11 mwN - LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen; zuletzt zB - RdNr 10). Die Bestimmung kann folglich nur Kosten erfassen, die dem Versicherten bei regulärer Leistungserbringung nicht entstanden wären.

Andere Kosten, etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer (vgl dazu BSGE 80, 181 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 26 ff mwN, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) oder Zahlungen, die einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund zugewendet werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17; - RdNr 35 mwN - LITT), lösen keinen Kostenerstattungsanspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden könnte (vgl BSGE 79, 125, 127 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 52; BSGE 86, 66, 69 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21 S 90; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 20 mwN).

Deshalb hat der erkennende Senat herausgestellt, dass grundsätzlich ein Freistellungs- und Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 und 2 SGB V bereits dann ausgeschlossen ist, wenn der Leistungserbringer versucht, Unsicherheit über den eigenen Zulassungsstatus durch eine Honorarvereinbarung auf den Versicherten abzuwälzen (vgl näher BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 26 ff mwN; - USK 2006-79). Das gilt erst recht, wenn ein Leistungserbringer es unternimmt, seine fehlende Kassenzulassung oder Berechtigung zur Leistungserbringung dadurch zu unterlaufen, dass er Versicherte sehenden Auges in Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V treibt, um die - vom System an anderer Stelle angebotenen Leistungen - selbst zu Lasten der Krankenkassen (KK) erbringen zu können (vgl dazu auch - RdNr 16). Kostenerstattung kann in diesen Fällen schon deshalb nicht verlangt werden, weil eine Honorarforderung des Leistungserbringers nicht entsteht, getroffene Entgeltabreden vielmehr regelmäßig nichtig sind. Denn eine Vertragsgestaltung, die die Unsicherheit des Leistungserbringers hinsichtlich seines Rechtsstatus dem Versicherten anlasten will, der eine Kassenleistung außerhalb des Kostenerstattungsverfahrens nach § 13 Abs 2 oder 4 SGB V beansprucht, ist als Abweichung vom Prinzip kostenfreier Dienst- und Sach- (= Natural-)leistung regelmäßig gemäß § 32 SGB I nichtig (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 26).

Dem dargelegten Zweck und der gesetzlichen Ausgestaltung des Naturalleistungsprinzips, Versicherten grundsätzlich kostenfrei die zu beanspruchenden Leistungen zu verschaffen, widerspräche es, wenn zum Nachteil des Versicherten hiervon abweichende Honorarvereinbarungen getroffen werden dürften. Die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung erfasst regelmäßig nicht den restlichen Behandlungsvertrag. An Stelle von Honoraransprüchen kommen in solchen Situationen nach der Rechtsprechung des Senats auch keine gesetzlichen Ansprüche - insbesondere auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) - gegen den Versicherten in Betracht (vgl näher BSGE 89, 39, 43 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 25 S 120 mwN; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 26). Das würde ebenfalls die gesetzliche Regelung des Naturalleistungsprinzips unterlaufen.

An eine Ausnahme hiervon (eine wirksame Honorarvereinbarung) ist allenfalls zu denken, wenn ein Versicherter vollständig über die Risiken aufgeklärt ist und in dem Bewusstsein den Vertrag eingeht, dass er eine entsprechende Leistung gleicher Qualität ohne eigene Kosten bei einem zugelassenen Behandler in Anspruch nehmen könnte. In diesem Fall nimmt der Versicherte - sehenden Auges - einen Therapeuten mit zweifelhaftem Zulassungsstatus in Anspruch, bei dem es deshalb nahe liegt, dass er die Leistung selbst bezahlen muss, ohne die Kosten dafür erstattet zu erhalten. In einem solchen Fall schafft die Unklarheit über den Zulassungsstatus des Leistungserbringers keine Systemlücke, die mit Hilfe des § 13 Abs 3 SGB V zu schließen ist: Besteht eine Zulassung, darf vom Patienten kein Honorar gefordert werden. Fehlt sie, hat nicht das System versagt, sondern der Versicherte hat sich gezielt eines außerhalb des Systems stehenden Leistungserbringers bedient. Er ist dann aber auch nicht schutzwürdig (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 26).

b) Diese zweckentsprechende Eingrenzung des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V darf auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass weitergehende Rechte aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeleitet werden, wie es das LSG unternommen hat. Deshalb findet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der sozialrechtliche Herstellungsanspruch als Anspruchsgrundlage neben dem Naturalleistungen der GKV betreffenden Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V keine Anwendung (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 18, 22 mwN).

Hinzu kommt, dass die Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs für weitergehende Zahlungsansprüche nichts hergibt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr, vgl dazu zuletzt zB B 7a AL 12/06 R - RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 11 RdNr 16 mwN; BSGE 94, 26, 34 = SozR 4-2500 § 51 Nr 1 RdNr 20 mwN; BSG SozR 4-3100 § 60 Nr 1 RdNr 24 mwN; BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 8 mwN; BSGE 92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 RdNr 31; BSGE 87, 280, 283 = SozR 3-1200 § 14 Nr 31; BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 S 37 f, jeweils mwN). Als rechtmäßige Amtshandlung käme aber jeweils allenfalls die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in Betracht (BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 22).

Davon, dass § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V als abschließende Kostenerstattungsregelung über die Ersetzung von Naturalleistungen der GKV den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausschließt, geht der erkennende 1. Senat in Abstimmung mit dem 3. Senat des BSG aus. Soweit sich der 3. Senat in seinem Urteil vom (BSGE 89, 50, 55 = SozR 3-3300 § 12 Nr 1) darauf berufen hat, dass der Herstellungsanspruch auch auf Kostenerstattung gerichtet sein könne, hat er auf die BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung verwiesen (BSG SozR 2200 § 182 Nr 57 S 108 f). Der Gesetzgeber hat den seinerzeit durch die Rechtsprechung konzipierten Kostenerstattungsanspruch indessen nunmehr selbst in § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V abschließend normiert.

Auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch als richterrechtlich entwickeltes Rechtsinstitut ist nur dann zurückzugreifen, wenn spezielle gesetzliche Regelungen nicht zur Verfügung stehen (BSG SozR 4-4300 § 324 Nr 3 RdNr 13, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 92, 267, 282 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 S 17; BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 25 S 59 f). Dass der Herstellungsanspruch nur insoweit herangezogen werden darf, als sich nicht eine Lösung mit Hilfe des Gesetzesrechts ergibt (BSG SozR 4-4100 § 106 Nr 1 RdNr 13 unter Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 25), beruht darauf, dass dieses richterrechtliche Rechtsinstitut nur normergänzend wirken kann und den Zweck der speziellen gesetzlichen Regelungen zu achten hat (vgl dementsprechend zu den Grenzen zB BSG SozR 4-4300 § 131 Nr 3 RdNr 18-19 unter Hinweis auf = DBlR 2781a, AFG/§ 137).

3. Die Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs sind nicht erfüllt. § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die KK eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (dazu b) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden (dazu a), sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

a) Ein Fall des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V liegt nicht vor. Der Klägerin sind die geltend gemachten Kosten nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte zu Unrecht die Bestrahlung am beim Radiologen B. abgelehnt hat. Vielmehr hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über die Behandlung noch nicht entschieden und wusste nicht einmal davon. Ein auf die Verweigerung der Naturalleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet aber aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die KK einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (stRspr, vgl - RdNr 10 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). § 13 Abs 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der KK geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der GKV als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der KK begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die KK - wie hier - vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (stRspr des Senats; vgl zB BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105 f; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 10; zuletzt zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 23, 24; - RdNr 10).

§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der KK. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der GKV gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die KK, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht. Sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Es ist deshalb weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art eines zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die KK zuvor Gelegenheit hatte, über ihre Leistungspflicht zu entscheiden (vgl - RdNr 12).

Vorliegend kommt hinzu, dass nach den oben unter 2.a) dargelegten Grundsätzen mangels umfassender gebotener Aufklärung der Klägerin kein Zahlungsanspruch wegen der Bestrahlung entstanden ist. Auch aus diesem Grunde ist ein Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen.

b) Die Beklagte hätte die begehrte Bestrahlung zudem - anders als von § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 SGB V gefordert - rechtzeitig als Naturalleistung erbringen können.

aa) Grundsätzlich bestimmt sich die Fähigkeit der KK, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, nach objektiven Kriterien. Die Beklagte konnte die Klägerin nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) objektiv rechtzeitig in der MHH in stationärer Behandlung stereotaktisch bestrahlen lassen. Die Klägerin hätte dies von der Beklagten - die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Bestrahlung zeitnah zu diesem Termin unterstellt - beanspruchen können. Bei solch objektiver Leistungsfähigkeit der KK ist es für den Erstattungsanspruch grundsätzlich unerheblich, dass der Versicherte - hier: die Klägerin - von der konkreten Leistungsmöglichkeit des Systems keine Kenntnis hat, solange er sich nicht bei seiner KK erkundigt hat (vgl BSGE 79, 125, 127 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 52; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 35 mwN). Denn nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats scheidet bei einer auf persönlicher Unkenntnis beruhenden bloßen fehlenden "subjektiven Verfügbarkeit" der Leistung ein Unvermögen der KK, rechtzeitig eine unaufschiebbare Leistung zu erbringen, sogar ohne Ermittlung ihrer objektiven Verfügbarkeit aus, wenn der Versicherte seiner KK nicht die Prüfung ermöglicht hat, ob eine Systemlücke besteht (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22; - RdNr 22, USK 2006-79). So lag es hier: Die Klägerin hatte die Beklagte überhaupt nicht über die erneute Bestrahlung am informiert.

bb) Trotz objektiv bestehender Versorgungsmöglichkeit kann dennoch von einer unaufschiebbaren Leistung auszugehen sein, die die KK nicht rechtzeitig erbringen konnte, wenn die KK durch Fehlinformation bewirkt hat, dass der Versicherte die ihm objektiv bereitstehende Leistung subjektiv für nicht verfügbar hält und sie deshalb nicht in Anspruch nimmt. Dafür genügt es - wie dargelegt - nicht, dass der Versicherte einen zugelassenen Leistungserbringer sucht, aber nicht findet. Erforderlich ist vielmehr, dass die KK ihren Versicherten von dem ihm Obliegenden abgehalten hat, insbesondere etwa von der Erkundigung bei seiner KK. Daran fehlt es hier.

Die Beklagte hat der Klägerin weder einen irreführenden Hinweis erteilt noch eine gebotene Beratung unterlassen und dadurch bewirkt, dass die Klägerin nicht auf die objektiv im System verfügbare Bestrahlungsleistung zurückgreifen konnte. Auf eine Vertiefung der Frage nach der Gleichstellung eines unterlassenen Hinweises mit einer Irreführung kommt es danach vorliegend nicht an. Der Bescheid vom forderte die Klägerin nicht auf, ihre Obliegenheiten zu vernachlässigen, sondern verwies zutreffend darauf, die Radiatio sei keine Vertragsleistung der ambulanten Versorgung. Einen irreführenden Hinweis enthielt diese Entscheidung nicht, sondern führte nur unvollständig Gründe an, die für die Leistungsablehnung sprachen. Die Beklagte hatte auch keinen Anlass, am bei Ablehnung der Kostenübernahme wegen der ersten Bestrahlung durch den Radiologen B. ungefragt - gleichsam ins Blaue hinein - darauf hinzuweisen, die Klägerin könne für den Fall eines zukünftigen Rezidivs stereotaktische Bestrahlungen in der MHH erhalten. Denn es handelte sich jedenfalls nicht um eine sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängende Gestaltungsmöglichkeit.

In der BSG-Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Leistungsträger unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren gehalten ist, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (sog Spontanberatung, vgl BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 9 mwN; BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1 RdNr 26; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2 S 9; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 49 f; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 6 S 13, alle mwN). Ist das von den KKn zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf einem Gebiet bereitgestellte Leistungsangebot für die Versicherten so unübersichtlich, dass sich im Einzelfall nicht vermeiden lässt, einen konkreten Weg aufzuzeigen, der zu den gesetzlich möglichen Leistungen führt, ist dieses geboten (BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 14). Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus dem Verhalten eines Versicherten ergibt, dass er über die gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausreichend informiert ist (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 57 S 108 f). Das setzt aber voraus, dass der KK ein solcher Informationsbedarf überhaupt erkennbar ist. Bedarf es dazu medizinischer Kenntnisse, etwa hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Rezidivgefahr und der bei einem Rückfall indizierten Behandlung, können solche Kenntnisse ohne besonderen Anlass bei der Sachbearbeitung einer KK nicht erwartet werden.

Der Versicherte erhält die Leistungen nämlich nicht unmittelbar von der KK in Natur, sondern von den Leistungserbringern. Denn die KKn bedienen sich regelmäßig nur der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl § 2 Abs 2 Satz 3 SGB V idF durch Art 4 Nr 1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom , BGBl I 3022; zuvor § 2 Abs 2 Satz 2 SGB V). Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung Zugelassenen (Ärzte etc) frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 4 Nr 5 Gesetz vom , BGBl I 1050).

Grundsätzlich erbringt die KK den Versicherten danach ambulante Leistungen, indem sie - in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 73 Abs 2, § 75 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V) - ihnen eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 29). Das gilt für Krankenhausbehandlung nicht in gleicher Weise: Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen nach § 39 Abs 2 SGB V die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Hier ist grundsätzlich die ärztliche Einweisung maßgeblich.

Dem Wahlrecht der Versicherten entsprechen die ihnen erwachsenden Obliegenheiten, um Naturalleistungen zu erhalten. Sie haben regelmäßig einen der zugelassenen Ärzte etc auszuwählen und zur Behandlung unter Vorlage der Krankenversicherungskarte aufzusuchen. Dabei ist den Versicherten geläufig, dass sie die Leistungen abgesehen von gesetzlichen Zuzahlungen kostenfrei erhalten. Wenn sie dagegen eine Leistung außerhalb des Naturalleistungssystems in Anspruch nehmen wollen, etwa weil die Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern vermeintlich nicht sichergestellt ist, müssen sie vorher die KK aufsuchen, um ihr zu ermöglichen, die angebliche Versorgungslücke zu überprüfen. Die Prüfung der KK ist auf das Vorhandensein einer Versorgungslücke beschränkt, die aus dem konkreten ärztlich festgestellten Bedarf erwächst, und erstreckt sich lediglich auf die Möglichkeiten, sie zu schließen. Sie gibt der KK weder das Recht noch erzeugt sie die Pflicht, in das Behandlungsverhältnis des Versicherten mit dem behandelnden Leistungserbringer durch unerbetene Informationen einzugreifen und etwa ungefragt Konsequenzen einer künftigen, ohne Fachkenntnisse nicht absehbaren Verschlechterung der Gesundheitssituation zu diskutieren.

Die Beklagte hat - ausgehend von diesen Grundsätzen - die Klägerin nicht durch einen unterlassenen Hinweis davon abgehalten, sich vor Inanspruchnahme der Bestrahlung am bei ihr über die Leistungen der GKV zu erkundigen. Es fehlte bereits an einer sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängenden Gestaltungsmöglichkeit, um eine Pflicht zur Spontanberatung annehmen zu können. Anhaltspunkte für eine Rezidivgefahr nach der Radiatio im August 2001 hatte die Klägerin der Beklagten nicht vorgetragen und waren auch sonst nicht ersichtlich. Die Gefahr neuer Metastasen musste sich den medizinisch nicht vorgebildeten Sachbearbeitern der Beklagten bei Befassung mit dem nachträglich gestellten ersten Kostenübernahmeantrag nicht erschließen.

Es entspricht nicht dem eingeschränkten Aufgabenkreis der KKn, ihre Versicherten ungefragt auf einen Weg zu Therapieoptionen hinzuweisen, der auf die Versicherten evtl seelisch belastenden Spekulationen über die Bildung neuer Metastasen beruht, an auf reine Mutmaßungen gestützte Vorstellungen über die bei einem Metastasenrezidiv gebotene Therapie anknüpft und das Vertrauensverhältnis zwischen versichertem Patienten und seinem behandelnden Arzt missachtet. Nicht zuletzt dem Schutz der Arzt-Patienten-Beziehung dienen die Informationspflichten der Ärzte. Ihnen, nicht - ungefragt - den KKn, obliegt in einem solchen Fall die umfassende, auch wirtschaftliche Aufklärung der Patienten. Ärztliche Aufklärungsfehler - hier: über die kostenlosen KKn-Leistungen, insbesondere über die verfügbare Bestrahlung in der MHH, und über die Kosten privatärztlicher Leistung - begründen keinen Kostenerstattungsanspruch (anders noch der inzwischen nicht mehr für die GKV zuständige 4. BSG-Senat, BSGE 79, 190, 194 = SozR 3-2500 § 13 Nr 12 S 58 ff), sondern schließen - wie oben dargelegt - den ärztlichen Honoraranspruch und damit auch einen Kostenerstattungsanspruch gegen die KK aus (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 27 mwN; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 26 f mwN; - RdNr 35 mwN - LITT).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
RAAAC-67394