BFH Beschluss v. - VIII B 198/06

Zulässigkeit der Beschwerde bei Verfahren wegen Fortsetzungsfeststellungsklage

Gesetze: FGO § 41, FGO § 100 Abs. 1 Satz 4, AO § 164 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schätzungsbescheides über Umsatzsteuer 2002. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Künstler (Musiklehrer). Er bedient sich bei der Abgabe seiner Steuererklärungen seit Jahren der Hilfe des Prozessbevollmächtigten. Für mehrere einander folgende Veranlagungszeiträume wurden die Erklärungen mit erheblicher Verspätung abgegeben, teilweise erst im Klageverfahren.

Wegen Nichtabgabe der Steuererklärung für das Streitjahr (2002) erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) am einen Umsatzsteuerbescheid mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA durch Entscheidung vom zurück, da die Umsatzsteuererklärung nicht vorgelegt wurde.

Erst danach, am , ging die Steuererklärung beim FA ein, das daraufhin am einen der Erklärung entsprechenden Änderungsbescheid erließ. Mit der bereits kurz zuvor, am , erhobenen Klage begehrte der Kläger die ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung, hilfsweise die Aufhebung des Bescheides über die Umsatzsteuer und wiederum —höchst— hilfsweise eine Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

Auf die Anfrage des Finanzgerichts (FG), ob im Hinblick (u.a.) auf den Änderungsbescheid über Umsatzsteuer eine prozessbeendende Erklärung abgegeben werde, beantragte der Kläger sinngemäß die Aufhebung der Steuerfestsetzung im Änderungsbescheid, da dieser eine nichtige Steuerfestsetzung ändere (und deshalb auch nichtig sei), hilfsweise im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage festzustellen, dass das FA verpflichtet gewesen sei, die Unterlagen der Besteuerung mitzuteilen und die Schätzung unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage werde mit Wiederholungsgefahr begründet. Das FA habe unter Anwendung seiner strittigen Rechtsansichten die Besteuerungsgrundlagen auch für 2003 geschätzt und auch für 2004 sei zu erwarten, dass das FA wiederum rechtswidrig verfahren werde. Zudem habe sich der Kläger entschlossen, wegen des willkürlichen Handelns des FA Schadensersatz im Wege der Amtshaftungsklage geltend zu machen.

Das FG wies die Klage wegen Umsatzsteuerfestsetzung zum Hauptantrag wie auch zu den Hilfsanträgen ab.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Soweit der Kläger nunmehr selbst erklärt, durch die Steuerfestsetzung nicht mehr beschwert zu sein, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für eine revisionsrechtliche Überprüfung des FG-Urteils, soweit darin über den Hauptantrag des erstinstanzlichen Verfahrens befunden worden ist.

2. Auch soweit sich die Beschwerde des Klägers gegen die rechtliche Beurteilung seiner Fortsetzungsfeststellungsanträge richtet, hat sie keinen Erfolg.

Zu Unrecht hat das FG den ausdrücklich so bezeichneten und offensichtlich auch als solchen gewollten Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers in dessen Schriftsatz vom als Antrag auf Feststellung nach § 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgelegt.

Der Antrag war nur teilweise statthaft. Er war gerichtet auf die Feststellungen, dass

a) das FA zur Mitteilung der Unterlagen der Besteuerung verpflichtet war, und

b) das FA verpflichtet war, die Schätzung unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen.

Nur der Antrag zu b) berührt jedoch den Inhalt und damit möglicherweise die Rechtmäßigkeit des vorbehaltlos ergangenen Schätzungsbescheides. Ein Vorbehalt der Nachprüfung ist unselbständige Nebenbestimmung zum Steuerbescheid und Inhaltsbestandteil. Da die Fortsetzungsfeststellungsklage verwaltungsaktbezogen ist (s. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 100 Rz 56, m.w.N.), kann deshalb das Begehren auf Beifügung eines Nachprüfungsvorbehalts bei Erledigung des betreffenden Bescheides grundsätzlich zum Gegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage werden – gleich, ob man den ursprünglichen Antrag auf Beifügung als Anfechtungsantrag begreift oder als Verpflichtungsantrag (für Letzteren gilt § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO analog, s. , BFH/NV 1998, 1400, 1402; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz 55, m.w.N.). Anders verhält es sich beim Antrag zu a), der sich nur auf das Verfahren beim Erlass des Verwaltungsakts bezieht, nicht jedoch den Inhalt des Verwaltungsakts, d.h. seine Regelungswirkung, betrifft.

Es bedarf jedoch keiner weiteren Prüfung, ob einer der geltend gemachten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt ist. Denn jedenfalls ist die Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil es im Streitfall an der Darlegung des für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichen berechtigten Interesses des Klägers an der Feststellung fehlt. Berechtigtes Interesse in diesem Sinne kann jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein (s. Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz 60, m.w.N.). Gründe für ein vernünftigerweise anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse im Streitfall hat der Kläger jedoch nicht substantiiert dargetan (zu diesem Erfordernis s. etwa , BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593; BFH-Beschlüsse vom VII B 221/99, BFH/NV 2000, 1229; vom V B 172/02, BFH/NV 2003, 1080; vom VII B 35/03, BFH/NV 2004, 652; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz 60).

Zwar kann eine Schadensersatzklage vor den Zivilgerichten ein schutzwürdiges Interesse begründen, wenn die beim FG begehrte Entscheidung hierfür von Bedeutung ist. Die Rechtsprechung verlangt insoweit aber, dass eine solche Klage bereits anhängig oder doch mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (s. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1080; in BFH/NV 2004, 652; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 100 FGO Rz 57, m.w.N.; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz 61, m.w.N.). Der Kläger hat zwar die Absicht behauptet, eine Schadensersatzklage erheben zu wollen, diese Behauptung aber durch keinerlei weitere Ausführungen untermauert. Es fehlt zudem an jeder Darlegung der Art und der Höhe eines Schadens. Ohne Kenntnis dieser Umstände ist das zur Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage berufene Gericht nicht in der Lage, die Erfolgsaussichten eines Schadensersatzprozesses abzuschätzen (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 652, m.w.N) und daraus eine etwaige Berechtigung des Interesses abzuleiten.

Auch die vom Kläger beschworene Wiederholungsgefahr ist nicht hinreichend substantiiert dargetan. Eine Verfahrenskonstellation, wie sie dem Streitfall zugrunde lag, nämlich eine vorbehaltlose Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, wäre nur zu besorgen, wenn der Kläger seinen Erklärungspflichten auch weiterhin nicht bzw. nicht fristgerecht genügen sollte. Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter ein solches pflichtwidriges Verhalten für die Zukunft ankündigen. Sollte dies allerdings ihrem Vortrag konkludent zu entnehmen sein, sähe der Senat kein vernünftigerweise anzuerkennendes und damit berechtigtes Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung, die ihm eine Hilfe bieten würde, sich auf eine weiterhin pflichtwidrige Vorgehensweise einzurichten.

Fundstelle(n):
RAAAC-67034