Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 212; StGB § 213; StGB § 213 Alt. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Tatwaffe mit Munition eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben. Die Strafzumessung des Landgerichts ist sowohl bei der Strafrahmenbestimmung als auch bei der konkreten Strafzumessung fehlerhaft.
1. Der 64 Jahre alte Angeklagte ist schwer krank. Das Landgericht hat hierzu festgestellt, der Angeklagte sei 2005 an Blasenkrebs erkrankt und es hätten sich bereits Metastasen gebildet. Aufgrund der Chemotherapie leide er an einer Anämie. Zudem bestehe inzwischen der Verdacht eines Leberkarzinoms. Zur Abklärung sei eine stationäre Aufnahme erforderlich.
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht den Strafrahmen des § 212 StGB wegen Versuchs und wegen alkoholbedingt erheblich verminderter Steuerungsunfähigkeit doppelt gemildert (§§ 23 Abs. 2, 21, 49 Abs. 1 StGB), so dass sich ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu acht Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe ergab. Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Strafkammer die besondere Haftempfindlichkeit des schwer erkrankten Angeklagten zu seinen Gunsten berücksichtigt und unter Berücksichtigung seiner besonderen Gesundheits- und Lebenssituation eine Freiheitsstrafe von vier Jahren für angemessen erachtet.
2. Unter den gegebenen Umständen hätte sich das Landgericht zu der Erörterung gedrängt sehen müssen, ob ein minder schwerer Fall des versuchten Totschlags im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB gegeben ist. Dabei wäre zunächst zu prüfen gewesen, ob schon allgemeine Strafmilderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falls gebieten. Hier ist insbesondere die schwere Erkrankung des Angeklagten von Bedeutung, die dazu führt, dass die Lebenserwartung regelmäßig deutlich herabgesetzt ist, so dass die Verbüßung der Freiheitsstrafe den Angeklagten härter trifft als einen gesunden Straftäter. Bei Annahme eines minder schweren Falls des versuchten Totschlags hätte der Strafrahmen des § 213 StGB wegen der beiden vertypten Strafmilderungsgründe noch zweimal gemildert werden können, so dass sich ein Strafrahmen von einem Monat Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe ergeben hätte.
Hätten nach der Bewertung des Tatrichters die allgemeinen Strafmilderungsgründe allein zur Begründung eines minder schweren Falls nicht ausgereicht, hätten - schrittweise - die beiden vertypten Strafmilderungsgründe (§§ 23 Abs. 2, 21 StGB) herangezogen werden müssen. Da schon das Vorliegen eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes allein zur Annahme eines minder schweren Falls führen kann, wäre in einem ersten Schritt zu prüfen gewesen, ob mit einem vertypten Strafmilderungsgrund und den allgemeinen Milderungsgründen (insbesondere die reduzierte Lebenserwartung) ein minder schwerer Fall gegeben ist. In diesem Fall hätte sich durch die dann mögliche Strafrahmenmilderung wegen des zweiten vertypten Milderungsgrundes für den Angeklagten ein günstigerer Strafrahmen von drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe ergeben. Nur dann, wenn die tatrichterliche Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hätte, dass beide vertypten Strafmilderungsgründe zur Begründung eines sonst minder schweren Falls im Sinne von § 213 StGB erforderlich sind, wäre der vom Landgericht zugrunde gelegte doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB für den Angeklagten günstiger.
3. Der Rechtsfehler bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des angenommenen Strafrahmens liegt darin, dass das Landgericht einen wesentlichen Umstand außer Acht gelassen hat. Das Landgericht hätte prüfen müssen, welche besonderen Wirkungen von der Strafe insgesamt für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind. Leidet ein Angeklagter - wie hier - unter einer schweren Erkrankung, die regelmäßig zu einer deutlich herabgesetzten Lebenserwartung führt, kann ihn die Freiheitsstrafe besonders hart treffen und ein Ausgleich der Schuld auch durch eine geringere als die sonst schuldangemessene Strafe erreicht werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 3, 7, 13; ). Diesen Gesichtspunkt hätte das Landgericht bei Beachtung auch der anderen Strafzwecke hier ausdrücklich erörtern müssen. Es genügt insoweit nicht, allgemein die besondere Haftempfindlichkeit des schwer erkrankten Angeklagten zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die festgesetzte Strafe auf den dargelegten Rechtsfehlern beruht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAC-66866
1Nachschlagewerk: nein