Leitsatz
[1] Im Verhältnis der Eisenbahnbetriebsunternehmer zueinander ist die Versperrung des Fahrwegs allein dem Risikobereich des Eisenbahninfrastrukturunternehmens zuzurechnen.
Gesetze: HPflG § 1 Abs. 1; HPflG § 1 Abs. 2; HPflG § 13
Instanzenzug: AG Bautzen 21 C 250/05 vom LG Bautzen 1 S 113/05 vom
Tatbestand
Die Klägerin, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, begehrt von der Beklagten, die als Eisenbahninfrastrukturunternehmen den Gleisbetrieb unterhält, Schadensersatz wegen eines Bahnunfalls.
Am befuhr ein Triebwagen der Klägerin den von der Beklagten betriebenen Streckenabschnitt Görlitz-Bautzen. Nach Durchfahren einer Kurve kollidierte er mit einer von mehreren auf dem Gleis stehenden Kühen, die zuvor von einer Weide auf das Bahngleis gelaufen waren.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden an dem Triebwagen auf insgesamt 3.691,50 € und verlangt davon nach Anrechnung ihrer eigenen Betriebsgefahr zwei Drittel, also 2.461 €, von der Beklagten ersetzt. Das Amtsgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.218,26 € zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und der Klägerin hälftigen Schadensersatz, also 1.845,75 € zuerkannt; die Anschlussberufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin verfolgt mit der Anschlussrevision ihre Klage weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat.
Gründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte als Eisenbahninfrastrukturunternehmerin der Klägerin aus § 1 Abs. 1 HaftpflG. Ein Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt nach § 1 Abs. 2 HaftpflG greife nicht ein.
Nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 HaftpflG sei eine hälftige Aufteilung der Haftungsverantwortung zwischen den Parteien gerechtfertigt. Eine Kuh auf den Gleisen sei zwar ein die Betriebsgefahr erhöhender Umstand zu Lasten der Beklagten. Zu Lasten der Klägerin sei aber gefahrerhöhend zu berücksichtigen, dass sich ihr Zug in Reisegeschwindigkeit bewegt und dies ein rechtzeitiges Abbremsen unmöglich gemacht habe. Außerdem sei in Rechnung zu stellen, dass die Beklagte für Risiko erhöhende Umstände einstehen müsse, die sie auch bei Anwendung jeder praktisch möglichen Sorgfalt nicht habe vermeiden können. Anders als bei in die Fahrtrasse hineinreichenden Steinen oder Bäumen habe es der Eisenbahninfrastrukturunternehmer bei Tierunfällen praktisch nicht in der Hand, die Fahrbahn wirksam gegen Hindernisse abzusichern. Hier sei die Fahrtrasse aus Sicht des Unternehmers vielmehr technisch in Ordnung und "eigentlich Hindernis frei". Ein praktisches Bedürfnis, Maßnahmen zur Beseitigung des Hindernisses zu ergreifen, entstehe in aller Regel nicht, weil sich die Tiere wieder entfernten, bevor ein Eingreifen möglich sei.
Das Berufungsgericht erkennt der Klägerin demgemäß hälftigen Ersatz des von ihr geltend gemachten Schadens zu. Den Vortrag, mit dem die Beklagte den von der Klägerin nach Ansicht des Berufungsgerichts in erster Instanz schlüssig vorgetragenen Schaden mit Nichtwissen bestritten hat, hat es nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen, weil das Bestreiten durch die Beklagte erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am erfolgt und deswegen nach § 296a ZPO ausgeschlossen gewesen sei. Das der Beklagten gewährte Schriftsatzrecht habe nicht zum Einreichen neuen Vortrags oder erstmaligen Bestreiten früheren Vortrags der Klägerin gedient.
II.
Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Anschlussrevision rügt mit Recht die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Bildung der Haftungsquote als rechtsfehlerhaft. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift ebenfalls durch.
1. Zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 HaftpflG dem Grunde nach hafte.
a) Dieser von der Revision nicht angegriffene Ausgangspunkt entspricht der Rechtsprechung des Senats, nach der das den Gleisbetrieb unterhaltende Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Betriebsunternehmer im Sinne von § 1 Abs. 1 HaftpflG anzusehen ist (Senat BGHZ 158, 130, 133 ff. sowie Urteil vom - VI ZR 8/04 - juris Rn. 4; ebenso Filthaut, Haftpflichtgesetz, 7. Aufl., § 1 Rn. 55 m.w.N.). Auch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen kann im Verhältnis zu dem den benutzten Gleisbetrieb unterhaltenden Eisenbahninfrastrukturunternehmen jedenfalls dann Geschädigter im Sinne von § 1 Abs. 1 HaftpflG sein, wenn die den Unfall auslösenden Ursachen im Bahnbetrieb liegen und dem Risikobereich des Infrastrukturunternehmens zuzuordnen sind (Senat BGHZ 158, 130, 137 ff. m.w.N.; ebenso - VersR 2003, 648, 649).
b) Nicht gefolgt werden kann der Revision, soweit sie in Zweifel zieht, ob sich der Bahnunfall "bei dem Betrieb" der Eisenbahninfrastruktur im Sinne von § 1 Abs. 1 HaftpflG ereignet hat.
aa) Ein Betriebsunfall im Sinne des § 1 Abs. 1 HaftpflG liegt vor, wenn ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung der Bahn besteht oder wenn der Unfall durch eine dem Bahnbetrieb eigentümliche Gefahr verursacht worden ist (Senat BGHZ 158, 130, 132 m.w.N.). Ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn sich der Unfall, wie im Streitfall, bei der eigentlichen Beförderungstätigkeit ereignet hat (Filthaut, aaO, § 1 Rn. 68). Darüber hinaus steht der Unfall auch in innerem Zusammenhang mit einer der von der Beklagten betriebenen Infrastruktur eigentümlichen Gefahr, weil sich in dem Unfall das Risiko einer Versperrung des Fahrwegs in Zusammenhang mit einem Beförderungsvorgang verwirklichte (vgl. Senat BGHZ 158, 130, 138 f.; Filthaut, aaO, Rn. 76 ff.).
bb) Im Verhältnis der Betriebsunternehmer zueinander ist die Versperrung des Fahrwegs allein dem Risikobereich des Eisenbahninfrastrukturunternehmens zuzurechnen (Senat BGHZ 158, 130, 142). Das gilt entgegen der Auffassung der Revision gleichermaßen für einen den Fahrweg versperrenden Stein oder Baum wie auch im Streitfall, in dem Weidevieh die Trasse versperrte (ebenso OLG Jena, Urteil vom - 1 U 1049/05 -; OLG Dresden, Urteil vom - 12 U 2215/05). In allen diesen Fällen ist die jederzeitige uneingeschränkte Nutzbarkeit der Trasse für den Schienenverkehr nicht gewährleistet. Auch in der Versperrung des Fahrwegs durch ein nur kurzfristig bestehendes, eine dauerhafte Gleisblockade nicht darstellendes Hindernis in Form von Weidetieren verwirklicht sich eine der Gefahren, die die Beklagte erlaubtermaßen schafft, wenn sie einen Verkehrsweg zum Zwecke des Befahrens durch Schienenfahrzeuge eröffnet und unterhält. Daraus rechtfertigt sich die Gefährdungshaftung aus § 1 HaftpflG, die die Beklagte auch bei Einhaltung aller Sorgfalt grundsätzlich bis zur Grenze der höheren Gewalt trifft (vgl. Senat BGHZ 158, 130, 140 f.).
2. Einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt nach § 1 Abs. 2 HaftpflG hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Höhere Gewalt im Sinne des § 1 Abs. 2 HaftpflG ist ein "betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist" (vgl. - VersR 1967, 138, 139; vom - VI ZR 115/87 - NJW-RR 1988, 986; ferner RGZ 171, 104, 105 f.; BGHZ 7, 338, 339). Das Berufungsgericht hat von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass das Entlaufen einer Kuh von eingezäuntem Gelände und deren Auftauchen auf der Bahntrasse in ländlichen Gebieten nicht derart ungewöhnlich sei, dass dies als außergewöhnlich und schicksalhaft einzustufen sei, und dass sich der Unfall im Streitfall in einem solchen ländlichen Gebiet ereignet habe. Dies trägt die Annahme, ein Haftungsausschluss nach § 1 Abs. 2 HaftpflG greife nicht ein (vgl. zur fehlenden Außergewöhnlichkeit von Zusammenstößen mit Weidevieh bzw. Wildtieren auf Bahnkörpern Senatsurteil vom - VI ZR 42/54 - VersR 1955, 346, 347; OLG München NZV 1991, 189, 190; OLG Jena, Urteil vom - 1 U 1049/05 -; OLG Dresden, Urteil vom - 12 U 2215/05 -; Filthaut, aaO, § 1 Rn. 177 m.w.N.).
3. Nicht frei von Rechtsfehlern sind dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verantwortungsanteile nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 HaftpflG.
a) Die Entscheidung über die Haftungsverteilung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Kriterien zu Grunde gelegt worden sind, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. -, VersR 2003, 783, 785 f.; vom - VI ZR 68/04 -, VersR 2006, 369, 371, jeweils zu § 254 BGB und § 17 StVG m.w.N.). Dies gilt auch für § 13 HaftpflG. Die Abwägung ist auf Grund aller festgestellten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. - und vom - VI ZR 68/04 -, jeweils aaO; Filthaut, aaO, § 4 Rn. 17, § 13 Rn. 12).
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht in jeder Hinsicht beachtet.
aa) Unbedenklich ist allerdings, dass das Berufungsgericht zu Lasten der Klägerin das Gefahrenpotenzial, das von ihrem Fahrzeug ausgeht, namentlich für in Fahrt befindliche Züge die fehlende Ausweichmöglichkeit als Folge der Schienengebundenheit und den langen Bremsweg infolge des hohen Gewichts des Zuges, als allgemeine Betriebsgefahr in die Abwägung eingestellt hat (vgl. -, VersR 1970, 1049, 1050; OLG Dresden, Urteil vom - 12 U 2215/05; Filthaut, aaO, § 4 Rn. 22 m.w.N.).
bb) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht als allgemeine Betriebsgefahr der Beklagten die Gefahren berücksichtigt, die sich aus dem Bereithalten und dem Eröffnen eines Verkehrs auf der von der Beklagten unterhaltenen Trasse ergeben, insbesondere das Risiko, dass die Trasse nicht hindernisfrei ist. Denn mit der Aufnahme eines dualistischen Eisenbahnbegriffs in das Allgemeine Eisenbahngesetz vom (BGBl. I 2378, 2396; AEG) und der dauerhaften Verselbstständigung von Fahrbetrieb und Infrastruktur (§§ 2 Abs. 1, 3 AEG) ist Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen ein jeweils eigenständiger Gefahrenkreis zugeordnet, für den jeder auch im Verhältnis der Betriebsunternehmer untereinander eigenständig die Verantwortung trägt; im Rahmen der von ihr wahrgenommenen Teilaufgabe des Bahnbetriebs hat die Beklagte gemäß §§ 2 Abs. 3, 4 Abs. 1 AEG insbesondere die Sicherheit der Schienentrasse zu gewährleisten und die Eisenbahninfrastruktur in betriebssicherem Zustand zu halten (Senat BGHZ 158, 130, 134 f., 140 f.; vgl. auch Filthaut, aaO, § 1 Rn. 55; ders. VersR 2001, 1348, 1351). Dazu gehört auch die Gewährleistung der Hindernisfreiheit der Trasse, indem diese von herabfallenden oder herabhängenden Gegenständen oder Tieren freigehalten wird.
cc) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Berufungsgericht eine Kuh auf der Trasse zu Lasten der Beklagten als gefahrerhöhenden Umstand eingestuft hat. Besondere Umstände, die nicht schlechthin und regelmäßig mit dem Betrieb verbunden sind und deshalb die mit ihm ohnehin schon verbundenen Gefahren vergrößern, begründen eine bei der Abwägung verstärkt ins Gewicht fallende erhöhte Betriebsgefahr (Filthaut, HaftpflG, 7. Aufl., § 4 Rn. 23; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., § 254 Rn. 113).
dd) Soweit das Berufungsgericht allerdings zu Lasten der Klägerin gefahrerhöhend berücksichtigt hat, dass sich ihr Fahrzeug bei Auftauchen der Kühe auf der Fahrtrasse in einer (zulässigen) Reisegeschwindigkeit bewegt habe, wodurch ein rechtzeitiges Abbremsen vor dem Hindernis unmöglich gewesen sei, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Wie oben ausgeführt begründen die hohe kinetische Energie eines sich in Reisegeschwindigkeit bewegenden Zuges und der entsprechend lange Bremsweg die Gefährdungshaftung der Klägerin im Sinne einer allgemeinen Betriebsgefahr, weswegen sie nicht zusätzlich anteilserhöhend auf die Abwägung einwirken können (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 203/60 - VersR 1961, 908, 909; -, aaO; OLG München, aaO; Filthaut, aaO, § 4 Rn. 26). Deshalb war es rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht auf Seiten beider Parteien eine erhöhte Betriebsgefahr in seine Abwägung eingestellt hat.
ee) Nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Gesichtspunkten des Verschuldens bzw. der Unabwendbarkeit des Unfallereignisses.
(1) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, auf Seiten der Beklagten sei ein Verschulden nicht zu berücksichtigen. Hierzu hat es festgestellt, dass sich der Unfall in ländlichem Gebiet und auf freier Strecke ereignet habe und die Kuh, mit der der Zug kollidiert sei, vor dem Unfall von einer Weide aus auf das Bahngleis gelaufen sei. Eine Verkehrssicherungspflicht des Inhalts, sämtliche von ihr betriebenen Trassen auf freier Strecke einzuzäunen, um weidendes Vieh am Betreten des Bahnkörpers zu hindern, besteht für die Beklagte nicht (vgl. - MDR 1963, 922; Filthaut, aaO, § 4 Rn. 54). Umstände, aus denen sich eine von der Anschlussrevision angesprochene Verpflichtung der Beklagten ergeben könnte, auf Landwirte, deren Weideflächen an die Bahnstrecke angrenzen, dahingehend einzuwirken, ihre Zaunanlagen in Ordnung zu halten, sind nicht vorgetragen.
(2) Rechtsfehlerhaft stellt das Berufungsgericht aber den Umstand zu Gunsten der Beklagten in seine Abwägung ein, dass das Unfallereignis im Streitfall für diese auch bei Anwendung jeder praktisch möglichen Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen sei.
(a) Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Gesichtspunkt, ob es sich um ein unabwendbares Ereignis handelte, überhaupt als für die Abwägung erheblich angesehen hat. Dass im Streitfall die etwaige Unabwendbarkeit des Unfallereignisses nicht schon einen gesetzlichen Haftungsausschlusstatbestand zu Gunsten der Beklagten darstellt, schließt die Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts bei der nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 HaftpflG vorzunehmenden Abwägung nicht aus. Im Haftungsrecht des Straßenverkehrs ist anerkannt, dass die Unabwendbarkeit des Unfallereignisses einen erheblichen Abwägungsfaktor im Rahmen der Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 BGB darstellen kann, auch wenn ihr nach §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG nicht die Bedeutung eines haftungsausschließenden Umstandes zukommt (vgl. Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/7752, S. 30; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 7 StVG Rn. 31; Lemcke, ZfS 2002, 318, 324; wohl auch Steffen, DAR 1998, 135, 137). Entsprechendes gilt auch hier.
(b) Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des Berufungsgerichts, dass es sich zwar bei der Kollision eines Triebwagens mit einem die Trasse versperrenden Tier, nicht aber bei der Kollision mit einem Stein oder Baum (s. hierzu Senatsurteile BGHZ 158, 130 ff. sowie vom - VI ZR 8/04 - juris) um ein für die Beklagte unabwendbares Ereignis handle (gegen eine derartige Differenzierung OLG Jena, Urteil vom - 1 U 1049/05 -; OLG Dresden, Urteil vom - 12 U 2215/05). Denn im einen wie im anderen Fall ist es bei Anwendung der höchstmöglichen Sorgfalt denkbar, Streckenabschnitte mit diesbezüglichem erhöhtem Gefährdungspotenzial zu erkennen und Abwehrmaßnahmen zu treffen. Zudem trifft es nicht zu, dass im Gegensatz zur Blockade durch Steine oder Bäume bei Auftreten von Weidevieh auf der Trasse diese "eigentlich Hindernis frei" ist. Vielmehr verwirklicht sich auch dann bei einer Kollision gerade das von der Beklagten zu tragende Risiko einer Versperrung des Fahrwegs. Nur darauf kommt es im Rahmen der Gefährdungshaftung der Beklagten an, nicht dagegen darauf, wie lange die Tiere bereits die Trasse versperrt hatten, bevor sich die Gefahr verwirklichte, oder ob sie sich gewöhnlich vor einer Kollision mit einem herannahenden Zug von der Bahntrasse bereits wieder entfernt haben.
(c) Dass das Berufungsgericht bei seiner Abwägung zu Gunsten der Beklagten in Rechnung gestellt hat, diese habe die Kollision im Streitfall auch bei Anwendung jeder praktisch möglichen Sorgfalt nicht vermeiden können, wird zudem von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Dem Berufungsurteil ist nichts darüber zu entnehmen, wie es zu dem Entlaufen der Kühe aus der Weide kam, oder dazu, ob der Beklagten keine konkreten Anhaltspunkte im Vorfeld der zu beurteilenden Kollision erkennbar waren, aus denen sie ein zumindest erhöhtes Risiko solcher Unfälle am Unfallort ableiten konnte. Ist dies nicht ausgeschlossen, kann das Vorliegen eines für die Beklagte unabwendbaren Ereignisses jedoch nicht angenommen werden. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht, wenn es die Unabwendbarkeit des Ereignisses zu Gunsten der Beklagten in seine Abwägung einstellt, erwägen müssen, ob das Schadensereignis nicht auch für die Klägerin unabwendbar war.
4. Rechtsfehlerhaft ist auch die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts, das Bestreiten der Schadenshöhe durch die Beklagte mit Nichtwissen sei ein nach §§ 531 Abs. 2, 296a ZPO unzulässiges neues Verteidigungsmittel.
Um neues Vorbringen handelt es sich, wenn dieses sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert, nicht jedoch, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. Senat BGHZ 159, 245, 251; 164, 330, 333; - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Beschluss vom - VII ZR 279/05 - NJW 2007, 1531, 1532). Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem erstmals ausdrücklich erklärten Bestreiten der Schadenshöhe mit Nichtwissen im erstinstanzlich nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom nicht um ein neues Vorbringen, das nach §§ 531 Abs. 2, 296a ZPO ausgeschlossen ist. Das ausdrückliche Bestreiten mit Nichtwissen verdeutlicht vielmehr nur die sich bereits aus dem Schriftsatz der Beklagten vom ergebende Absicht, die Schadenshöhe bestreiten zu wollen, nachdem die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom die Auffassung vertreten hat, die Beklagte habe das Tatsachenvorbringen der Klägerin nicht bestritten. Bereits aus dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom , dass sie den Vortrag der Klägerin zur Schadenshöhe als gänzlich unschlüssig und unsubstantiiert ansehe, hat sich zugleich ihre Absicht ergeben, die geltend gemachte Schadenshöhe nicht zu akzeptieren. Dies reichte gemäß § 138 Abs. 3, 4 ZPO als ausreichendes Bestreiten der Schadenshöhe aus.
III.
Das Berufungsurteil konnte im Hinblick auf die fehlerhafte Abwägung nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 HaftpflG und die Zurückweisung des Bestreitens des klägerischen Vortrags zur Schadenshöhe durch die Beklagte keinen Bestand haben. Das Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann. Dadurch erhält das Berufungsgericht auch Gelegenheit, seine Entscheidung über die Anschlussberufung der Beklagten im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen, was bisher, wie die Revision zu Recht rügt, unterblieben ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 335 Nr. 5
XAAAC-66141
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja