Verlustübernahme durch Belastung der Gesellschafterverrechnungskonten (Darlehenskonten) der Kommanditisten
Leitsatz
Durch die bloße Erklärung der Übernahme des Verlusts der KG durch die Kommanditisten wird auch dann keine Erhöhung der Kapitalkonten i. S. des § 15a EStG bewirkt, wenn die Verlustanteile vereinbarungsgemäß den Gesellschafterverrechnungskonten belastet werden. Eine wirtschaftliche Belastung tritt bei dem zur Verlustübernahme Verpflichteten nämlich erst dann ein, wenn die Forderung geltend gemacht wird oder wenn er zumindest ernsthaft mit ihrer Geltendmachung rechnen muss. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn die Forderung an einen Gesellschaftsgläubiger abgetreten wird.
Gesetze: EStG § 15a, EStG § 15b, BGB § 364, HGB § 171
Instanzenzug:
Gründe
I. Die im Jahr 2002 gegründete Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH und Co. KG. Das haftende Kommanditkapital beläuft sich auf insgesamt 30 000 €. Die Kapitalanteile der Gesellschafter sind fest. Im Rumpfwirtschaftsjahr bis erlitt die Klägerin einen Verlust in Höhe von 179 554,85 €. In der Gesellschafterversammlung vom fassten die Gesellschafter der Klägerin einstimmig einen Beschluss, in dem es hieß:
"Die Gesellschafter erklären hiermit, dass sie den Verlust quotal nach dem Beteiligungsverhältnis mit Wertstellung übernehmen. Die Verlustanteile sind den einzelnen Gesellschaftern per auf ihren Gesellschafterverrechnungskonten zu belasten.”
Offenbar infolge dieses Beschlusses wies die Klägerin in der Bilanz auf den unter dem Gliederungspunkt „Umlaufvermögen/sonstige Vermögensgegenstände” Forderungen gegen die Kommanditisten in Höhe von insgesamt 206 736,85 € aus.
Bei der Veranlagung für das Jahr 2003 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die die Hafteinlage übersteigenden Verlustanteile der Kommanditisten lediglich als verrechenbar i.S. des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch und die nachfolgende Klage hatten keinen Erfolg. Die Revision gegen sein Urteil ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht in zulässiger Weise gerügt.
Offenbar soll mit der Beschwerdebegründung ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt werden, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Zur Darlegung eines solchen Verstoßes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) wären u.a. Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG von Amts wegen hätte erheben müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694; , BFH/NV 2005, 43, unter 2.b der Gründe; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Die Frage, ob die Leistung einer Einlage auch durch Eingehen einer neuen Verbindlichkeit erbracht werden kann, wenn die Eingehung der neuen Verbindlichkeit eine Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) darstellt, bedarf keiner Entscheidung durch den BFH in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH mit ausreichender Sicherheit beantworten.
a) Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Kommanditeinlage i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG erst dann „geleistet” ist, wenn sie tatsächlich erbracht ist. Ob eine Einlage tatsächlich erbracht ist, ist nach handelsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (BFH-Beschlüsse vom VIII B 44/96, BFHE 182, 26, m.w.N., und vom VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577; , BFHE 196, 103, BStBl II 2002, 339, und vom IX R 24/00, BFH/NV 2003, 894).
b) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Bestimmung der Außenhaftung wegen noch nicht voll erbrachter Hafteinlage nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG, sondern auch für die Bestimmung des Kapitalkontos i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG anhand der tatsächlich geleisteten bedungenen Einlage.
c) Wie der Senat mit den vom FG zur Begründung seines Urteils herangezogenen Entscheidungen (, BFHE 204, 268, BStBl II 2004, 231, und , BFH/NV 2005, 533) ausgeführt hat, kann der Kommanditist eine Einlage je nach gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung u.U. auch durch Übernahme eines Verlustes der KG erbringen. Die Einlageverpflichtung kann dann als Erhöhung der bisherigen Einlage geschuldet sein oder als Sacheinlage an die Stelle einer anderen Einlageverpflichtung treten. In beiden Fällen stellt die bloße Erklärung der Verlustübernahme aber noch keine tatsächliche Leistung der Einlage dar, die eine Erhöhung des Kapitalkontos i.S. des § 15a EStG bewirken würde. Eine wirtschaftliche Belastung tritt bei dem zur Verlustübernahme Verpflichteten nämlich erst dann ein, wenn die Forderung geltend gemacht wird oder wenn er zumindest ernsthaft mit ihrer Geltendmachung rechnen muss. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn die Forderung an einen Gesellschaftsgläubiger abgetreten wird. Solange die Forderung aber nur im Innenverhältnis besteht und nicht geltend gemacht wird, trifft den verpflichteten Kommanditisten noch keine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung. Dies gilt in besonderem Maße —aber nicht nur—, wenn der Kommanditist seinerseits eine mit beschränktem Haftungssubstrat ausgestattete Personengesellschaft ist.
d) Inwiefern diese der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegenden Erwägungen nicht auch für den Streitfall gelten sollen, ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Klägerin die Belastung der Darlehenskonten ihrer Kommanditisten entgegen der Vermutung des § 364 Abs. 2 BGB an Erfüllungs statt angenommen haben sollte, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass die Einlage i.S. des § 15a EStG erbracht wäre. Für die Beantwortung der Frage, ob beim Kommanditisten eine wirtschaftliche Belastung eingetreten ist, spielt § 364 Abs. 1 BGB keine Rolle. Dasselbe gilt für die —wie eingangs ausgeführt— zur Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG maßgebliche handelsrechtliche Betrachtung. Handelsrechtlich ist zu fragen, ob die Ersetzung der Einlageverpflichtung (Hafteinlage) durch eine Darlehensverpflichtung zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger dazu führen könnte, dass die unmittelbare Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs (HGB) ausgeschlossen ist. Das ist indessen offenkundig nicht der Fall. Aus der Sicht des Gläubigers unterscheidet sich der Anspruch der Gesellschaft auf Zahlung der Einlage nicht von der an ihre Stelle tretenden Forderung auf „Rückzahlung” eines Darlehens. Die Bedeutungslosigkeit des Umstands, dass die Gesellschaft und die Kommanditisten sich im Innerverhältnis darüber einig sind, dass das Darlehen an Erfüllungs statt an die Stelle der Einlageverpflichtung treten soll, zeigt sich besonders deutlich an dem von der Klägerin für vergleichbar gehaltenen Fall, dass der Kommanditist seine Einlage durch die Abtretung einer ihm zustehenden Forderung gegen einen Dritten erbringt. In einem solchen Fall kann die Haftungsbefreiung nach § 171 Abs. 1 2. Halbsatz HGB nur insoweit eintreten, als die Forderung werthaltig ist, und zwar auch dann, wenn die Gesellschaft bereit ist, sie in voller Höhe an Erfüllungs statt anzunehmen (einhellige Meinung; vgl. nur K. Schmidt in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 171 Rz 54, m.w.N.). Im Übrigen zeigt die in § 364 Abs. 2 BGB enthaltene Vermutung, dass eine zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers übernommene neue Verbindlichkeit im Zweifel nicht an Erfüllungs statt angenommen wird, den von der Klägerin in Abrede gestellten Unterschied zwischen der Abtretung der Forderung gegenüber einem Dritten an den Gläubiger (hier die Gesellschaft) einerseits und der Übernahme einer eigenen neuen Verbindlichkeit andererseits.
e) Die Klägerin legt auch nicht in ausreichendem Maße dar, weshalb der BFH seine Rechtsprechung ändern sollte. Hierzu reicht nicht aus, wenn die Beschwerdebegründung unter Bezugnahme auf Hallerbach (in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15b EStG Rz 26) darauf hinweist, dass die Einführung des § 15b EStG § 15a EStG überflüssig gemacht habe. Zum einen trifft diese Auffassung nicht zu; denn die Anwendung des § 15b EStG ist —anders als § 15a EStG— auf Fälle beschränkt, in denen steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte auf Grund einer modellhaften Gestaltung erreicht werden sollen (§ 15b Abs. 2 EStG). Zum anderen ist § 15b EStG auf Verluste, die im Wirtschaftsjahr (2002/2003) entstanden sind, noch nicht anwendbar (§ 52 Abs. 33a EStG).
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 10
XAAAC-65370