BFH Beschluss v. - I B 83/07

Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3

Instanzenzug: ,U

Gründe

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war Geschäftsführerin der X-GmbH (GmbH). Die GmbH betrieb verschiedene Gaststätten und Diskotheken im eigenen Namen. Alleiniger Gesellschafter der GmbH war Y. Y war alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH und zugleich alleiniger Kommanditist der Y-GmbH & Co. KG (GmbH & Co. KG). Zwischen der GmbH und der GmbH & Co. KG bestand eine „Franchise-Vereinbarung” über die gemeinsame Vermarktung eines Tanzlokals. Die GmbH zahlte in den dem Haftungsanspruch zugrunde liegenden Jahren aus dem eigenen Nettoumsatz abgeleitete Vergütungen an die GmbH & Co. KG in Höhe von 152 636 DM (1993), 160 673 DM (1994) bzw. 111 849 DM (1995). In 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet; das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Für die offenen Steuerschulden der GmbH (Körperschaftsteuer 1993 bis 1995 und Nebenleistungen; Umsatzsteuer Februar 2000 bis Januar 2001), die im Wesentlichen auf dem Ansatz der Franchise-Vergütungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) beruhen, wurden neben der Klägerin auch ihre Vorgänger im Amt als Geschäftsführer, ihre Mitgeschäftsführerin sowie Y als faktischer Geschäftsführer vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) im Wege der Haftung in Anspruch genommen. Die dagegen erhobene Klage blieb im Wesentlichen erfolglos (,U).

Die Klägerin trägt vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—); darüber hinaus lägen Verfahrensfehler vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Sie beantragt, die Revision gegen das angefochtene Urteil des FG zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 FGO).

1. Die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist nicht begründet.

a) Mit ihrem Vorbringen, das FG habe sich offensichtlich nicht in ausreichender Weise mit der nachgereichten Vereinbarung auseinander gesetzt bzw. es habe den Begriff „Geschäftssystem” —vielleicht wegen der langen Verfahrensdauer— nicht ausreichend analysiert, kann dem FG eine Verletzung seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) oder des Rechts der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht vorgehalten werden. Das FG hat die entsprechenden Sachumstände vielmehr bei seiner Würdigung, ob eine nach den Maßgaben des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) fremdübliche Vereinbarung vorliegt, herangezogen. Es hat im Rahmen seiner Prüfung einer Umdeutung der vertraglichen Vereinbarung in einen Miet- bzw. Pachtvertrag auch gewürdigt, dass die Leistungen der GmbH letztlich die Überlassung des Geschäftsbetriebs entgelten sollten. Mit der Darlegung der Klägerin, es sei von einer für die Leistung der GmbH & Co. KG angemessenen Vergütung und damit einer allein betrieblichen Veranlassung der Leistungen auszugehen, wird letztlich kein Verfahrensfehler gerügt, sondern die materiell-rechtliche Auffassung des FG angegriffen, was indessen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision rechtfertigt (z.B. , BFH/NV 2007, 1529).

b) Das FG hat seine Pflicht zur Sachaufklärung auch durch die Nichterhebung des angebotenen Beweises nicht verletzt. Im angefochtenen Urteil ist zum Beweisantrag der Klägerin ausgeführt, dass die unter Beweis gestellte Tatsache, die sich auf den Ablauf von Darlehensverhandlungen zwischen der GmbH und der Z-Bank bezieht, als wahr unterstellt werden könnte, ohne dass dies die Annahme eines Mitverschuldens des FA begründen könne. Denn es bestünden weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass das FA in qualifizierter Form von aussichtsreichen Darlehensverhandlungen unterrichtet worden sei. Letzteres sei mit dem Beweisantrag indes nicht unter Beweis gestellt worden. Das FG hat sich damit sowohl mit dem Beweisantrag der Klägerin als auch mit den Sachumständen im Zusammenhang mit dem Vorwurf eines Mitverschuldens des FA befasst. Dabei hat es auch zutreffend festgestellt, dass der von der Klägerin gestellte Beweisantrag den Umstand der Information des FA nicht umfasst. Ein solcher Beweisantrag wäre auch dann nicht entbehrlich gewesen, wenn der Berichterstatter beim FG entsprechend dem Beschwerdevorbringen in der mündlichen Verhandlung erklärt haben sollte, im Falle der Erteilung einer Darlehenszusage könne davon ausgegangen werden, dass das FA hiervon unterrichtet worden wäre. Denn eine solche Äußerung hätte der Klägerin keine Gewissheit darüber verschaffen können, dass das FG das Bestreiten der Unterrichtung durch das FA in der mündlichen Verhandlung letztlich als unbeachtlich ansehen würde.

2. Die Klägerin hat die von ihr behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

a) Die schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert ein konkretes und substantiiertes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. , BFH/NV 2006, 972). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein.

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Den Ausführungen der Klägerin ist zwar eine konkrete Rechtsfrage zu entnehmen; so soll die Frage von grundsätzlicher Bedeutung sein, „welche Mindestanforderungen für das Vorliegen eines Franchisevertrages gegeben sein müssen, damit Leistungen aufgrund eines solchen Vertrages nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind”. Ihre Ausführungen lassen aber keine über das eigene Interesse am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, allgemein interessierende, klärungsbedürftige und in diesem Rechtsstreit klärungsfähige Rechtsfrage erkennen. Die Entscheidung des FG beruht auf einer Zuordnung der konkreten vertraglichen Vereinbarung zur Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auf der Grundlage einer ausführlichen tatrichterlichen Würdigung. Gegenstand eines Revisionsverfahrens könnte es nicht sein, abstrakt die „Mindestanforderungen für das Vorliegen eines Franchisevertrages” aufzustellen, sondern nur die Frage, ob die bei der Würdigung verwendeten Maßgaben des FG den Maßgaben der aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Prüfung der betrieblichen Veranlassung entwickelten Rechtsgrundsätzen entsprechen.

c) Mit den weiteren Darlegungen —dass die Vereinbarung als Miet- oder Pachtvertrag oder als Unternehmenspachtvertrag anzusehen sei, dass die Voraussetzungen einer unzulässigen Doppelbesteuerung zu klären seien und dass ein grobes Verschulden des Geschäftsführers bei Nichtbezahlung von fälligen Steueransprüchen nicht vorliege— hat die Klägerin keine abstrakten Rechtsfragen formuliert, die Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein könnten. Im Kern richten sich die Einwendungen der Klägerin vielmehr allein gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen FG-Entscheidung. Dies kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht zu einer Revisionszulassung führen (z.B. , BFH/NV 2004, 52).

Fundstelle(n):
WAAAC-64796