BAG Urteil v. - 9 AZR 321/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BAT-KF vom § 15b; TzBfG § 8; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 894

Instanzenzug: ArbG Krefeld 3 Ca 1405/05 vom LAG Düsseldorf 12 Sa 1603/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Verringerung der Arbeitszeit.

Die im Juni 1969 geborene Klägerin ist seit März 2000 bei dem Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags gelten für das Arbeitsverhältnis "die Ordnung über die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT-Anwendungsordnung - BAT-AO) vom in der jeweils geltenden Fassung" sowie die "sonstigen für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wie sie auf Grund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) vom (KABl. S. 223) und seinen Änderungen geregelt sind". Für Mitarbeiter, die im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind, gilt der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (künftig: BAT-KF). Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit wurde mit 38,5 Stunden/Woche vereinbart.

In § 15b BAT-KF heißt es:

"Mit vollbeschäftigten Angestellten soll auf Antrag eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit (§ 15 ...) vereinbart werden, wenn sie

a) mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder

b) einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

Die Teilzeitbeschäftigung nach Unterabsatz 1 ist auf Antrag auf bis zu fünf Jahre zu befristen. Sie kann verlängert werden; der Antrag ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zu stellen."

Der Beklagte ist Träger der Evangelischen Kinder- und Familienhilfe B. Bei dieser Einrichtung handelt es sich um ein Heim für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren. Sie umfasst fünf Wohnhäuser, in denen jeweils sechs bis zehn Kinder betreut werden. Im Einzelnen sind das:

Haus A Elternarbeitsgruppe. Dort werden täglich zehn Kinder/Jugendliche betreut und auf die Rückkehr in die Familie vorbereitet.

Haus B 5-Tage-Gruppe. Durchschnittlich ist das Haus mit zehn Kindern/Jugendlichen belegt; die Wochenenden sollen möglichst in der Familie verbracht werden.

Haus C Die Gruppe umfasst durchschnittlich zehn Kinder/Jugendlichen, die voraussichtlich nicht in die Familie zurückkehren.

Haus D Die Gruppe setzt sich aus bis zu acht verhaltensauffälligen Kindern/Jugendlichen zusammen.

Haus E Betrifft eine Intensivgruppe, deren Mitglieder besondere Aufmerksamkeit verlangen. Sie ist durchschnittlich mit sechs Kindern/Jugendlichen belegt.

Für jedes Haus stehen nach dem Stellenplan vier Erzieher in Vollzeit zur Verfügung. In dem Haus A arbeiten drei Erzieherinnen in Vollzeit und zwei Erzieherinnen in Teilzeit, in den übrigen Häusern jeweils vier Erzieherinnen/Erzieher mit 38,5 Stunden, darunter die Klägerin im Haus D. Zusätzlich arbeiten in den Häusern Praktikanten. Die Erzieher übernehmen dienstplanmäßig Tag- und Nachtdienste sowie Wochenenddienste; bei Wochenenddiensten wird Freizeitausgleich gewährt. Die Verweildauer der Kinder/Jugendlichen reicht von sechs Monaten bis zu sieben Jahren; im Durchschnitt beträgt sie 2,6 Jahre. Daneben existieren noch eine Tagesgruppe und eine Verselbstständigungsgruppe.

Die Klägerin ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern, geboren 2002 und 2005. Der Ehemann ist als Heimerzieher vollzeitbeschäftigt.

Im Juni 2002 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf § 15 BErzGG für die Dauer ihrer Elternzeit eine wöchentliche Arbeitszeit von 21,5 Stunden. Diesen Wunsch verfolgte die Klägerin nach einer schriftlichen Ablehnung des Beklagten nicht weiter.

Mit Anwaltsschreiben vom machte die Klägerin mit Wirkung zum die Verringerung ihrer bisherigen Arbeitszeit auf 20 Stunden wöchentlich geltend, nunmehr gestützt auf § 15b Abs. 1 Buchst. a BAT-KF. Vorsorglich beantragte sie eine Verringerung der Arbeitszeit "gem. § 8 TzBfG" zum , die sie gleichzeitig hilfsweise auf § 15b Abs. 1 Buchst. a BAT-KF stützte. Der Beklagte lehnte eine Verringerung der Arbeitszeit ab. Zur Begründung führte er aus:

"In unserem Schreiben vom war bereits darauf verwiesen worden, dass das einmalige Stellensplitting in Haus A eine Ausnahme bleiben soll, weil es in einer kurzfristig entstandenen Notsituation vorgenommen worden war. Mit Blick auf die besonderen pädagogischen Erfordernisse im Gruppendienst der Heimerziehung hatte das Kuratorium in diesem Zusammenhang einen früheren Grundsatzbeschluss bekräftigt, dass eine solche Teilung von Stellen im Gruppendienst weiterhin vermieden werden soll.

Zur Erläuterung ist dem hinzuzufügen, dass die pädagogische Ausrichtung des Hauses der emotionale Beziehungsaufbau zwischen Mitarbeitern und Kind ist. Nur wenn dieser Beziehungsaufbau geschieht, können Entwicklungsschritte erreicht werden. Um den Beziehungsrahmen so klein wie möglich zu halten, darf ein Betreuerteam nicht mehr als 4 Mitarbeiterinnen (mit Praktikant 5) umfassen. Jede weitere Erziehungskraft würde die Anforderungen an die Kinder, was die Beziehungsfähigkeit angeht, bei weitem übersteigen. Somit könnten wir unserem Erziehungsauftrag nicht gerecht werden. Praktisch würde die Einrichtung einer Halbtagsstelle die Teamgruppe um 25 % erweitern (5 statt 4 Mitarbeiterinnen). Im Extremfall würde also ein Pädagogenteam von 8 Kolleginnen entstehen, an Stelle von 4 Erzieherinnen. Dieser Zustand wäre pädagogisch nicht haltbar.

Die Ausnahme, die in unserer Einrichtung (Haus A) gemacht wurde, war notwendig, um die Schließung einer Gruppe zu vermeiden. Zum Einsatz der halbtagsbeschäftigten Gruppenleiterin gab es keine personelle Alternative; ansonsten wäre das Heim gezwungen gewesen, die dort lebenden Kinder auf andere Gruppen zu verteilen. Diese Lösung wäre den Kindern gegenüber nicht vertretbar gewesen."

Mit ihrer im April 2005 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten im Mai 2005 zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dringende betriebliche Gründe für eine Ablehnung der von ihr gewünschten Arbeitszeit bestünden nicht. Ein Stellensplitting sei unschwer möglich, wie die Besetzung des Hauses A zeige. Das pädagogische Konzept des Beklagten werde durch den zusätzlichen Einsatz einer Erzieherin in einem der Häuser nicht gefährdet.

Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, einer Verringerung der Wochenarbeitszeit der Klägerin beginnend mit Rechtskraft von bisher 38,5 Stunden/Woche auf 20 Stunden/Woche zuzustimmen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht,

der Arbeitsplatz der Erzieherinnen sei aus pädagogischen Gründen nicht teilbar. Die Kinder und Jugendlichen hätten vor ihrer Aufnahme in dem Heim in schwierigen bis katastrophalen Verhältnissen gelebt, so dass die Bildung von Vertrauen ebenso wichtig wie auch schwierig sei. Die traumatisierten, misshandelten, verunsicherten, enttäuschten und beziehungslosen Kinder bedürften besonderer Betreuung. Dem diene sein sog. Mentorenprinzip. Das bedeute, dass jedem Kind oder Jugendlichen ein Erzieher als Mentor zur Seite gestellt werde, der Ansprechpartner für alle persönlichen, schulischen und familiären Belange sei. Damit verbunden sei die Notwendigkeit, den Kreis der Bezugspersonen möglichst klein zu halten. Die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Bewohnern und Erziehern solle erleichtert werden. Die im Jahr 2001 erfolgte Einrichtung der beiden Teilzeitstellen spreche nicht gegen sein pädagogisches Konzept. Er habe sich hierzu nur entschieden, weil andernfalls eine Gruppe hätte geschlossen werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, das Mentorenprinzip rechtfertige die Ablehnung des Verringerungswunsches der Klägerin nicht, weil dieses Konzept auch mit Teilzeitkräften verwirklicht werden könne. Der weitere vom Beklagten genannte Grund, nämlich den Kreis der Bezugspersonen, sprich der Erzieher innerhalb eines Hauses möglichst klein zu halten, lasse sich jedoch nicht anders als durch den Einsatz von Vollzeitkräften realisieren.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.

Die Klägerin war im Anschluss an die Geburt des ersten Kindes vom bis (Entbindungstermin zweites Kind) arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom hat sie den Beklagten über die Geburt des Kindes informiert und sinngemäß mitgeteilt, sie nehme drei Jahre Elternzeit nur unter Aufrechterhaltung ihres Teilzeitwunsches in Anspruch.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

A. Die Klage ist zulässig; sie ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

I. Der Beklagte soll bei im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen verurteilt werden, der dauerhaften Verringerung der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 38,5 Stunden/Woche auf 20 Stunden/Woche zuzustimmen.

II. Der Hauptantrag enthält weder Angaben zur Verteilung der gewünschten verringerten Arbeitszeit (20 Stunden) auf die Wochentage noch eine Angabe zum Zeitpunkt, zu dem die Verringerung eintreten soll. Das macht ihn nicht iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unbestimmt. Die gebotene Auslegung ergibt, dass die Klägerin die Verteilung der Arbeitszeit dem Beklagten überlässt, der sie durch Ausübung seines Weisungsrechts festlegen soll. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin dies im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausdrücklich bestätigt. Unschädlich ist auch die Nichtangabe eines bestimmten Zeitpunktes, zu dem die Zustimmung wirken soll. Die Zustimmung gilt dann nach § 894 ZPO mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben. Einen rückwirkenden oder zukünftigen Zeitpunkt, zu dem davon abweichend die Zustimmung des Beklagten als erteilt gelten soll, hat die Klägerin nicht bezeichnet. Von daher muss davon ausgegangen werden, dass die Zustimmung zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft wirksam werden soll. Dieser Zeitpunkt ist bestimmbar. Das genügt für das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

B. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zu einer unbefristeten Verringerung ihrer bisherigen Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 20 Stunden.

I. Nach § 15b Abs. 1 Buchst. a BAT-KF soll mit Angestellten eine geringere Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen und dringende dienstliche oder betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

1. Die kirchenrechtliche Vorschrift ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anzuwenden. Die Klägerin betreut zwei Kinder unter 18 Jahren. Unerheblich ist, dass sie den Antrag auf Verringerung ihrer Arbeitszeit entgegen § 15b Abs. 2 BAT-KF nicht mindestens sechs Monate vor Beginn der gewünschten Verringerung erhoben hat. Die Mindestfrist dient dem Interesse des Arbeitgebers. Sie soll ihm ermöglichen, über den Antrag sachgerecht zu entscheiden und die für die Umsetzung des Verringerungswunsches erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen. Sie hat deshalb dann keine Bedeutung, wenn der Arbeitgeber - wie hier - sich vorbehaltlos auf den Verringerungswunsch einlässt und den Antrag des Arbeitnehmers deshalb ablehnt, weil der Arbeitsplatz nicht teilbar sei (vgl. Senat - 9 AZR 636/02 - BAGE 108, 103).

2. § 15b BAT-KF begründet, wie der Senat bereits zu der gleichlautenden Bestimmung des § 15b BAT entschieden hat, trotz der Formulierung als "Soll-Vorschrift" unter den in der Vorschrift näher bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Änderung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit (Senat - 9 AZR 126/02 - BAGE 105, 248). Die Verringerung der Arbeitszeit kann der kirchliche Arbeitgeber nur wegen entgegenstehenden dringenden dienstlichen oder betrieblichen Belangen ablehnen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat das Bestehen dringender entgegenstehender Gründe verneint. Es hat der Klage stattgegeben, weil der Beklagte nicht dargelegt habe, dass die Klägerin nur als Vollzeitkraft beschäftigt werden könne. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Mentorenprinzip werde auch gewahrt, wenn die Klägerin als Teilzeitkraft eingesetzt werde. Sie sei dann entsprechend der verringerten Arbeitszeit als Ansprechpartnerin für nur ein Kind oder einen Jugendlichen zu bestimmen. Weshalb das Erzieherteam vier Erzieher und nicht drei oder fünf Personen umfassen müsste, lasse sich den Darlegungen des Beklagten nicht entnehmen. Auf das von ihm gebildete "Extrembeispiel" einer Besetzung mit acht Erziehern komme es nicht an; im Streitfall gehe es ausschließlich um die Erhöhung von vier auf fünf Erzieher. Wie die im Jahr 2001 ohne "signifikante Besetzungsschwierigkeiten" erfolgte Stellenteilung zeige, praktiziere der Beklagte sein vorgetragenes pädagogisches Konzept nicht. Eine Teilzeitbeschäftigung sei mit ihm daher nicht unvereinbar.

4. Dem stimmt der Senat nur im Ergebnis zu.

a) Die von dem Landesarbeitsgericht offengelassene Frage, ob das von dem Senat zu den "betrieblichen" Ablehnungsgründen iSv. § 8 TzBfG entwickelte Prüfschema auch hier anzuwenden sei, ist bereits entschieden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es auch auf Verringerungsansprüche anzuwenden, die auf tariflicher oder einzelvertraglicher Grundlage erhoben werden ( - 9 AZR 319/03 -Rn. 122, BAGE 110, 356). Inhaltlich ergeben sich, abgesehen von dem unterschiedlichen Gewicht der Ablehnungsgründe, im Vergleich zu dem gesetzlichen Verringerungsanspruch keine Unterschiede.

aa) Danach ist zunächst festzustellen, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Das Organisationskonzept muss die Arbeitszeitregelung bedingen. Ob ein solches Konzept besteht, es auch tatsächlich durchgeführt wird und ob sich das daraus vorgetragene Arbeitszeitmodell ergibt, ist von den Gerichten für Arbeitssachen in vollem Umfang zu überprüfen. Nicht zu überprüfen ist die Entscheidung des Arbeitgebers, welche Aufgaben er betrieblich verfolgt und die sich daraus ergebenden Folgeentscheidungen, soweit sie nicht willkürlich sind.

In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist regelmäßig auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.

Können die beiderseitigen Interessen nicht in Einklang gebracht werden, so ist zuletzt das objektive Gewicht der vom Arbeitgeber vorgetragenen Beeinträchtigung zu prüfen (vgl. Senat seit - 9 AZR 164/02 - Rn. 68 ff., BAGE 105, 107).

bb) An das objektive Gewicht der betroffenen dienstlichen oder betrieblichen Belange iSv. § 15b BAT-KF sind erhebliche Anforderungen zu stellen, wie der Begriff "dringend" verdeutlicht. Mit ihm wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder auch sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Belange müssen mithin von erheblichem Gewicht sein. Sie müssen sich gleichsam als zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit darstellen (vgl. Senat - 9 AZR 126/02 - Rn. 42, BAGE 105, 248; - 9 AZR 319/03 - Rn. 126, BAGE 110, 356). Der kirchliche Arbeitgeber ist bei der Entscheidung nicht frei. Er ist gebunden. Gibt es keine derartigen Gründe, so hat er der Verringerung zuzustimmen, gibt es derartige Gründe, so kann der Arbeitnehmer keine vertragliche Verringerung seiner Arbeitszeit beanspruchen, so nachvollziehbar und wichtig sein Interesse an einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch sein mag. Dieses "Alles-oder-nichts-Prinzip" bedingt zugleich, dass nur wirklich objektiv wichtige Gründe des kirchlichen Arbeitgebers geeignet sind, die Ablehnung des Antrags auf Verringerung der Arbeitszeit zu rechtfertigen (st. Rspr. seit Senat - 9 AZR 126/02 - BAGE 105, 248).

b) Gemessen daran steht dem Teilzeitbegehren der Klägerin das pädagogische Konzept des Beklagten nicht als zwingendes Hindernis entgegen.

aa) Die Revision wendet sich allerdings zu Recht gegen die Bewertung seines pädagogischen Konzepts durch das Landesarbeitsgericht.

(1) Der Einrichtung und der Unterhaltung der Evangelischen Kinder- und Familienhilfe B liegt § 34 SGB VIII zugrunde. Auf dieser gesetzlichen Grundlage hat sich der Beklagte die Aufgabe gestellt, durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern. Entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen und den Bedingungen in seiner Familie bietet er Hilfe zur Erziehung an. Dem entspricht die unterschiedliche Ausrichtung der vom Beklagten unterhaltenen Häuser A, B, C, D und E.

(2) Ungeachtet der auf das einzelne Kind/den einzelnen Jugendlichen bezogenen Besonderheiten setzt nach der Erkenntnis des Beklagten jede erfolgreiche pädagogische Arbeit ein Vertrauensverhältnis zwischen den Erziehern und den Kindern und Jugendlichen voraus. Diese pädagogisch tragende Ausgangsüberlegung ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Das gilt auch für das sog. Mentorenprinzip, nach dem jedem Kind/jedem Jugendlichen ein bestimmter Erzieher als Mentor zuzuordnen und ihm damit eine spezielle Bezugsperson als Ansprechpartner an die Seite zu stellen ist. Es dient unmittelbar der Verwirklichung seines Erziehungsauftrags. Die von dem Landesarbeitsgericht angenommene "Ambiguenz" (gemeint ist: Ambiguität = Mehrdeutigkeit) des Begriffs "Bezugsperson" ändert nichts daran, dass die vom Beklagten angeführte Begründung in sich stimmig und nachvollziehbar ist. Das "Erzieherbezugssystem" entspricht anerkannten Grundsätzen der Heimerziehung. Es dient zunächst der Überbrückung der Eingewöhnungsschwierigkeiten. Das Kind/der Jugendliche soll nicht mit einer Vielzahl ihm fremder Personen konfrontiert werden, sondern sich an eine Person aus dem Team halten können, die es/ihn auch in der Folgezeit im Alltag begleitet.

(3) Zu respektieren ist auch die pädagogische Entscheidung des Beklagten, den Kreis der Erzieher möglichst klein zu halten, um nicht die Beziehungsfähigkeit der aufgenommenen Kinder und Jugendlichen zu überfordern. Da die Arbeitszeit von 38,5 Stunden des einzelnen Erziehers oder Praktikanten die (mögliche) Anwesenheit der Heimbewohner von Montag 0.00 Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr = 168 Stunden nur mit weniger als einem Viertel abdeckt, müssen sich die Kinder und Jugendlichen ohnehin bereits ständig auf wechselnde Personen einstellen. Teilzeitbeschäftigung erhöht die sich daraus für die Heimbewohner ergebende Belastung.

bb) Entgegen der Revision ist mit der Anerkennung des aufgestellten pädagogischen Konzepts jedoch noch nicht geklärt, ob es im Hinblick auf Planung und Durchführung der Arbeitszeiteinteilung der gewünschten Teilzeitarbeit als zwingendes Hindernis entgegensteht. Es bleibt danach zu prüfen, ob unter den im Betrieb der Beklagten bestehenden Bedingungen die Umsetzung des Konzepts - wie die Beklagte geltend macht - das Arbeitszeitmodell "ausschließlich Vollzeitbeschäftigung" erfordert. Diese wertende Beurteilung der tatsächlichen Möglichkeiten ist vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie ist von dem Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht sich mit dem Vorbringen der Parteien ausreichend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig sowie frei von Rechtsfehlern ist und nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungsgesetze verstößt.

(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht der von dem Beklagten reklamierten Unteilbarkeit des Vollzeitarbeitsplatzes der Klägerin auf zwei Teilzeitarbeitsplätze seine eigene Praxis entgegen. Er beschäftigt im Haus A auf einer im Stellenplan ausgewiesenen Vollzeitstelle zwei Teilzeitkräfte als Erzieherinnen. Den dort aufgenommenen Kindern/Jugendlichen stehen damit nicht nur vier sondern fünf Erzieherinnen gegenüber. Beide Erzieherinnen betreuen als Mentorin jeweils ein Kind, während die drei anderen sich um jeweils drei Kinder als Mentorin zu kümmern haben. Diese Feststellung greift der Beklagte nicht an.

(2) Er wendet sich vielmehr gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die tatsächliche Beschäftigung der beiden Erzieherinnen in Teilzeit mache deutlich, dass dieses Arbeitszeitmodell und damit auch der Wunsch der Klägerin nach einer Teilzeitbeschäftigung grundsätzlich mit dem pädagogischen Konzept des Beklagten vereinbar sei.

(a) Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Nach § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden, soweit nicht insoweit eine zulässige und begründete Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhoben worden ist. Diese muss nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung des Mangels enthalten, den die Revision geltend macht. Dabei sind strenge Anforderungen zu stellen. Das gilt auch für eine auf § 286 ZPO gestützte Rüge, das Tatsachengericht habe bei seiner Tatsachenfeststellung einen bestimmten Sachvortrag übersehen oder ihn nicht hinreichend berücksichtigt (vgl. - BAGE 69, 286). Es muss genau angegeben werden, auf Grund welchen Vortrags das Berufungsgericht zu welchen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen müssen (vgl. - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Weiter ist darzulegen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht, also bei richtigem Verfahren das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden hätte, sofern sich dies nicht aus der Art des gerügten Verfahrensfehlers von selbst ergibt.

(b) Hinsichtlich der Ursächlichkeit eines (zunächst zu unterstellenden) Verfahrensmangels ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass die Abweichung von einem als richtig erkannten Konzept nicht zwingend den Schluss darauf zulässt, das Konzept werde tatsächlich nicht praktiziert. Es sind Situationen denkbar, in denen eine Vollzeitstelle nicht besetzt werden kann und deshalb als Notlösung auf die Beschäftigung von zwei Teilzeitkräften zurückgegriffen werden muss mit der weiteren Folge, dass der Wunsch einer anderen Arbeitnehmerin nach Teilzeit berechtigt abgelehnt werden kann.

(c) Eine solche Situation lag nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor.

In dem Urteil (Seite 8) heißt es:

"[Der Beklagte] befand und befindet sich auch nicht in signifikanten 'Besetzungsschwierigkeiten'. Vielmehr trug er zum einen der betrieblichen Möglichkeit, eine Stelle (Haus A) mit zwei Teilzeitkräften zu besetzen, und zum anderen einem Wunsch von Frau H nach Teilzeit (Seite 3 des Schriftsatzes vom ) bzw. einer entsprechenden Bereitschaftserklärung von Frau V (Seite 4) Rechnung. Wenn der Beklagte ausführt, dass 'eine Neueinstellung mit einer Vollzeitkraft einen erneuten Beziehungsabbruch für die Kinder bedeutet hätte', gesteht er letztlich ein, dass die Beschäftigung von Teilzeitkräften nicht unvereinbar mit seinem pädagogischen Konzept ist."

Der Beklagte macht geltend, er habe mit der Berufungserwiderung auf den Seiten 3 und 4 ausführlich hierzu vorgetragen. Frau H sei ursprünglich als befristete Teilzeitkraft für die Zeit vom 1. Mai bis eingestellt worden. Als diese später den Wunsch geäußert habe, weiterhin nur in Teilzeit beschäftigt zu werden, habe das Kuratorium dies im Hinblick auf die sich daraus ergebenden pädagogischen Schwierigkeiten für den Gruppendienst abgelehnt. Der Grundsatz, in einem Haus vier Vollzeitkräfte zu beschäftigen, sei also lediglich auf Grund von Krankheit und Mutterschutz für die Dauer von ca. vier Monaten unterbrochen worden. Es sei dem Beklagten auch nicht möglich gewesen, für diese Zeit eine andere Ganztagskraft zu finden und einzustellen. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe dem Wunsch von Frau H Rechnung getragen, sei also unzutreffend. Auch hinsichtlich Frau V habe er auf die Besonderheiten hingewiesen. Auch hier sei ursprünglich nur eine vorübergehende befristete Tätigkeit geplant gewesen. Auf Grund personeller Besonderheiten sei es der Heimleitung nach Abwägung aller Umstände sodann sinnvoll erschienen, Frau V unbefristet halbtags zu beschäftigen, um größeres Unheil von den betroffenen Bewohnern abzuwenden.

Daraus ergibt sich kein Verfahrensverstoß. Aus der (zunächst) erfolgten Ablehnung des Wunsches von Frau H nach dauerhafter Teilzeitbeschäftigung ergibt sich nicht, dass diese ihren Wunsch aufgegeben hätte. Dass sich Frau V zu einer Teilzeittätigkeit bereitgefunden hat, wird vom Beklagten nicht in Frage gestellt. Welche "Besonderheiten" das Landesarbeitsgericht mit welchem Ergebnis hätte berücksichtigen müssen, hat die Revision nicht vorgebracht. Dass eine zunächst für einen nur vorübergehenden Zeitraum geplante Teilzeitbeschäftigung von Frau H der Überbrückung von Mutterschutz und Krankheit dienen sollte, ist für den Rechtsstreit ersichtlich unerheblich. Sie wurde und wird ebenso wie Frau V unbefristet in Teilzeit beschäftigt.

Im Ergebnis wendet sich der Beklagte gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte sei bewusst und nicht aus einer Notlage heraus von seinem pädagogischen Konzept abgewichen. Dafür, dass diese Würdigung rechtsfehlerhaft sein soll, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

II. Die Klage ist nicht auch deshalb unbegründet, weil die Klägerin nach der Geburt ihres zweiten Kindes Elternzeit in Anspruch genommen hat und infolgedessen bis zum Ablauf der Elternzeit vollständig von der Arbeit befreit ist. Wie der Beklagte das Schreiben verstanden hat, ist hier unerheblich. Maßgeblich ist, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit mit Rechtskraft des Senatsurteils geändert wird. Diese Änderung erfolgt unabhängig davon, dass die längstmögliche Elternzeit mit Vollendung des dritten Lebensjahres des am geborenen Kindes endet.

C. Der Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2007 S. 2846 Nr. 51
FAAAC-64686

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein