BFH Beschluss v. - VII B 296/06

Entstehung der Mineralölsteuer

Gesetze: MinöStG § 19 Abs. 2; EnergieStG § 15; EnergieStG § 17

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt ein Speditionsunternehmen. Im Zeitraum von April 2002 bis Januar 2004 ließ er die Kraftstoffbehälter firmeneigener LKW in Belgien mit Dieselkraftstoff betanken. Der Kraftstoff wurde mit den LKW über die Grenze nach Deutschland verbracht und auf dem Gelände der Spedition in einen Betriebskraftstofftank umgefüllt. Aus diesem Tank wurden dann andere Fahrzeuge des Fuhrparks betankt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) sah diesen Vorgang als Erfüllung des Steuerentstehungstatbestandes des § 19 Abs. 2 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) an und erhob für die umgefüllte Menge an Dieselkraftstoff die Mineralölsteuer. Sowohl der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch als auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) wurden als unbegründet zurückgewiesen. Auch der beim Finanzgericht (FG) nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellte Antrag auf AdV hatte keinen Erfolg. Die gegen die Entscheidung des FG eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom VII B 139/05 (BFH/NV 2006, 827) als unbegründet zurückgewiesen.

Unter Bezugnahme auf diesen Senatsbeschluss hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Mengenberechnung des HZA nicht zu beanstanden sei. Sie ergebe sich eindeutig aus den für die Tankanlage des Klägers geführten Tanklisten. Die vom Kläger vorgelegten Tankrechnungen könnten diese Berechnungen nicht erschüttern, denn sie würden nicht belegen, welche Mengen an Dieselkraftstoff von den Fahrzeugtanks in die Tankanlage umgepumpt worden seien. Zudem sei die Vollständigkeit der vorgelegten Tankrechnungen nicht sichergestellt.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Der Rechtssache komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil es um die richtlinienkonforme Auslegung eines nationalen Gesetzes zu Lasten eines einzelnen Bürgers gehe. Dem MinöStG 1993 sei ein Steuerentstehungstatbestand nicht zu entnehmen, denn § 19 Abs. 2 Satz 3 MinöStG 1993 mache die Steuerbefreiung nicht vom Verbleib des Mineralöls in dem verbringenden Fahrzeug abhängig. Das Urteil des FG stütze sich vielmehr unmittelbar auf Art. 8a der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle —Mineralölstrukturrichtlinie— (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 316/12), der erst 1994 durch Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 94/74/EG des Rates vom zur Änderung mehrerer Richtlinien —Änderungsrichtlinie— (ABlEG Nr. L 365/46) in die Mineralölstrukturrichtlinie eingefügt worden sei. Eine Umsetzung von Art. 2 Nr. 5 der Änderungsrichtlinie und von Art. 24 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom —Energiesteuerrichtlinie— (ABlEG Nr. L 283/51) in nationales Recht sei erst durch § 15 Abs. 4 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 des am in Kraft getretenen Energiesteuergesetzes (EnergieStG) erfolgt. In § 17 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG sei nunmehr die Entnahme von Kraftstoffen aus Hauptbehältern ausdrücklich als Steuerentstehungstatbestand geregelt. Somit sei die Steuerbefreiung des in Hauptbehältern von Kraftfahrzeugen in das Steuergebiet verbrachten Kraftstoffs erst seit dem an eine bestimmte Verwendung des Mineralöls geknüpft. Aus der verspäteten Umsetzung von Richtlinien dürften sich jedoch keine Nachteile für den Bürger ergeben. Eine unmittelbare Wirkung von nicht umgesetzten Richtlinienbestimmungen zu Lasten des Einzelnen komme nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nicht in Betracht. Die Pflicht zur Steueranmeldung bei Entnahme von Kraftstoffen aus dem Hauptbehälter hätte der Bürger erst nach Inkrafttreten des EnergieStG erkennen können. Bis dahin könne das Umfüllen des Kraftstoffs nicht zur Steuerentstehung führen. Wolle der Senat der nicht umgesetzten Änderungsrichtlinie im Rahmen der Gesetzesauslegung Geltung verschaffen, so werde beantragt, an den EuGH ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen zu richten.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten und hält diese unter Hinweis auf den Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 827 für unbegründet.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat einen Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

1. Ohne eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren, beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung des erstinstanzlichen Urteils und stellt dabei die Behauptung auf, dass Deutschland Art. 8a der Mineralölstrukturrichtlinie bis zum Inkrafttreten des EnergieStG nicht in nationales Recht umgesetzt habe und dass dem MinöStG 1993 ein Steuerentstehungstatbestand für den Fall der Entnahme von Kraftstoffen aus dem Hauptbehälter eines in einem anderen Mitgliedstaat betankten Fahrzeugs nicht zu entnehmen sei. Im Kern seines Vorbringens wendet er sich mit diesen Ausführungen gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG und die vermeintlich rechtsfehlerhafte unmittelbare Anwendung von Art. 8a der Mineralölstrukturrichtlinie, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann (Senatsbeschluss vom VII B 144/03, BFH/NV 2004, 651, m.w.N.). Auch der nicht näher substantiierte Hinweis, dass das Umtanken aus dem Hauptbehälter von LKW im grenzüberschreitenden Verkehr kein Einzelfall sei und dass eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu noch nicht vorliege, vermag das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise zu belegen. Dies gilt auch für den nicht ausreichend substantiierten Antrag, dem EuGH eine Frage zur Zulässigkeit der Auslegung einer deutschen Rechtsnorm vorzulegen.

2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er in seinem Beschluss in BFH/NV 2006, 827 nicht ausdrücklich die Entnahme des Kraftstoffs aus dem Tank des LKW, sondern die sich anschließende gewerbliche Verwendung des aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates in das Steuergebiet verbrachten Mineralöls —nämlich zum Antrieb eines anderen Fahrzeugs— als einen die Steuerentstehung begründenden Umstand gewertet hat. Dieser Entstehungstatbestand ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Satz 1 MinöStG 1993. Nur solange sich der Kraftstoff im Hauptbehälter des im Ausland betankten Fahrzeugs befindet, kann nach der in § 19 Abs. 2 Satz 3 MinöStG 1993 getroffenen Regelung der Entstehungstatbestand des § 19 Abs. 2 Satz 1 MinöStG 1993 keine Anwendung finden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers enthält das MinöStG 1993 damit einen Steuerentstehungstatbestand für den Fall, dass in Hauptbehältern in das Steuergebiet verbrachte Kraftstoffe außerhalb dieser Behältnisse gewerblich verwendet werden.

Nunmehr hat der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG eine weitergehende Regelung getroffen und die Steuerentstehung bereits im Zeitpunkt der Entnahme angeordnet, sofern für diese keine technische Notwendigkeit besteht. Aus dieser Neuregelung, die den allgemeinen Steuerentstehungstatbeständen des § 15 Abs. 1 und 2 EnergieStG als Spezialregelung vorgeht, lässt sich für den Streitfall jedoch nichts gewinnen. Jedenfalls kann aus der Aufnahme eines speziellen Entstehungstatbestandes „Entnahme aus Hauptbehältern” nicht der Schluss gezogen werden, dass vor Inkrafttreten dieser Regelung die Entnahme und die Verwendung des in Hauptbehältern aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates in das Steuergebiet verbrachten Kraftstoffs nicht bereits nach § 19 Abs. 2 MinöStG 1993 zur Entstehung der Mineralölsteuer führen konnte.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 115 Nr. 1
HAAAC-64347