Änderung bestandskräftiger Verwaltungsakte wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen; Rüge einer Divergenz; Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Finanzamts
Gesetze: AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, AO § 88, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beschwerde ist unzulässig und mit der klarstellenden Maßgabe, dass die aus den Herren A & B bestehende GbR Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist, durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO; , BFH/NV 2006, 803; , BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306).
Die angefochtene Einspruchsentscheidung vom ist gegen die vorgenannte GbR erlassen worden. Ebenso ist die Klage (vgl. Schriftsatz vom ) namens der GbR erhoben worden. Eine Vollbeendigung dieser GbR ist weder geltend gemacht noch festgestellt worden. Damit ist die GbR als solche als Prozessstandschafterin, vertreten durch ihre Gesellschafter als vertretungsberechtigte Geschäftsführer, Klägerin (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative FGO).
II.
Die Beschwerde legt die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 2. Alternative FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dar (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. neben einer hinreichend genauen Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Darüber hinaus ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
Allerdings müssen die voneinander abweichenden Rechtssätze nicht stets ausdrücklich als solche gekennzeichnet sein. Sie können sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen des FG ergeben (, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.). Eine Abweichung kann deshalb auch vorliegen, wenn das FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der BFH zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat (, BFH/NV 1999, 741). Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (, BFH/NV 2003, 191).
b) Nach diesem Maßstab hat das FG weder einen von den in der Beschwerde zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen abweichenden tragenden abstrakten Rechtssatz ausdrücklich gebildet, noch ist ein solcher abweichender konkludenter Rechtssatz zu der von der Beschwerde benannten Rechtsfrage, wann eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) vorliegt, dem angefochtenen Urteil zu entnehmen. Vielmehr hat das FG aufgrund der von ihm festgestellten, mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angefochtenen und deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO für das Beschwerdeverfahren bindenden Tatsachen, ausgeführt, warum aufgrund der gesamten Umstände die entscheidungserhebliche Tatsache, dass nicht die aus den Herren A und B bestehende, klagende GbR, sondern die aus deren Ehefrauen ursprünglich gebildete GbR den steuerrechtlich maßgebenden Einkünftetatbestand in den Streitjahren 1995 bis 1997 verwirklicht habe, erst nach Erlass der für die Gesellschafter der klagenden GbR erlassenen Feststellungsbescheide für die betreffenden Feststellungszeiträume der zuständigen Sachbearbeiterin beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) bekannt geworden ist. Dies hat das FG zum einen aus dem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin auf dem Schreiben des Steuerberaters der GbR an das FA vom geschlossen sowie aus den weiteren eingereichten Unterlagen. Nach Ansicht des FG hat sich erst durch die Steuerfahndung herausgestellt, dass die Vertragsunterlagen rückdatiert umgeschrieben worden sind. Das FG ist in Würdigung des Aktenvermerks vom auch nicht, wie die Beschwerde vorträgt, von einer Auflösung der Ehefrauen-GbR und mithin von einem für die zuständige Sachbearbeiterin bereits bei Erlass der Feststellungsbescheide für 1995 bis 1997 an die Gesellschafter der klagenden GbR vom 28. April und offenkundigen rückwirkenden Umschreiben der maßgebenden Vertragsunterlagen ausgegangen. Nichts anderes ergibt sich aus der Behandlung des Beweisantrags zum Beweisthema a durch das FG. Damit hat das FG lediglich angenommen, dass die Unterlagen unter dem vom Steuerberater dem FA übersandt worden seien. Dies steht indes nicht in Widerspruch zu der vorangegangenen Würdigung.
c) Ebenso wenig hat das FG einen ausdrücklichen oder auch nur stillschweigend von den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen des BFH abweichenden abstrakten tragenden Rechtssatz gebildet, einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stehe grundsätzlich nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, also auch dann nicht, wenn die Finanzbehörde trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen ihren aus § 88 AO folgenden Ermittlungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei (vgl. dazu , BFHE 197, 526, BStBl II 2004, 444; vom IV R 9/04, BFHE 211, 1, BStBl II 2006, 581). Haben sowohl Steuerpflichtiger als auch Finanzbehörde es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, so trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden darf.
Zum einen sind die an die Ermittlungen der Finanzbehörde nach § 88 AO zu stellenden Anforderungen nicht allgemein festzulegen. Die Finanzbehörde verletzt ihre Amtsermittlungspflicht nur dann, wenn sie offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht und Ermittlungsmöglichkeiten nicht nutzt, deren Ergiebigkeit sich ihr hätten aufdrängen müssen (, BFHE 196, 317, BStBl II 2002, 44; vom XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835; vom XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911). Werden Steuererklärungen abgegeben, so muss die Finanzbehörde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eventuellen Unklarheiten und Zweifelsfragen nachgehen, die sich aus der Erklärung oder den dazu eingereichten Unterlagen aufdrängen. Grundsätzlich darf sie aber davon ausgehen, dass der steuerliche erhebliche Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich angegeben worden ist. Sie muss den Angaben des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen begegnen (BFH-Urteil in BFHE 197, 526, BStBl II 2004, 444).
Nach den bindenden Feststellungen des FG war das FA wegen der von dem Steuerberater angegebenen Finanzierungsschwierigkeiten von einem Nichtzustandekommen der Ehefrauen-GbR ausgegangen, was sich auch in dem entsprechend geänderten Feststellungsbescheid für 1995 und der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1995 niedergeschlagen hat.
Die Finanzbehörde ist ebenso wenig von einem Umschreiben der Unterlagen ausgegangen. Bei Zugrundelegung dieser Feststellung kann jedenfalls eine generell abweichende Rechtsauffassung des FG im Sinne der Divergenzrüge dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden, allenfalls eine nicht ausreichende Sachverhaltswürdigung.
2. a) Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
b) Einen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfordert, hat die Klägerin weder schlüssig dargetan noch sind angesichts der ausführlichen Würdigung des Sachverhalts durch das FG hierfür Anhaltspunkte ersichtlich.
Dafür kommen nur offensichtliche materielle oder formelle Fehler des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Dazu reicht indes nicht eine allenfalls fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls aus (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2006, 799; vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632; vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
3. a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 709, m.w.N.).
b) Die Beschwerde kleidet die den konkreten Streitfall betreffenden Divergenzrügen in das Gewand des Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Gerade aus den im Zusammenhang mit den beiden Divergenzrügen herangezogenen BFH-Entscheidungen wird jedoch deutlich, dass die Behauptung auch einer grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Kern die Rüge einer unzutreffenden Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den konkreten Fall betrifft.
4. Die Klägerin hat in vollem Umfang gegen das angefochtene Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (vgl. Schriftsatz vom ). Eine Einschränkung auf die Feststellungszeiträume 1995 bis 1997 enthält auch nicht der Schriftsatz vom , mit dem eine Verlängerung der Begründungsfrist beantragt worden ist und ebenso wenig der Schriftsatz vom , mit welchem die Beschwerdebegründung eingereicht worden ist.
Die geltend gemachten Zulassungsgründe betreffen indes ausschließlich die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO durch das FG. Die Aufhebung der Feststellungsbescheide für 1998 sowie für 2000 und 2001 ist jedoch auf § 164 Abs. 2 AO gestützt worden. Insoweit hat die Beschwerde keine Zulassungsgründe dargetan, so dass die Beschwerde insoweit bereits wegen fehlender, fristgerechter Begründung unzulässig ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KÖSDI 2008 S. 15925 Nr. 3
BAAAC-62528