BVerwG Urteil v. - 3 C 19.06

Leitsatz

§ 6 Abs. 6a Satz 2 VermG ist im Bereich der Vermögenszuordnung im Regelfall in der Weise Rechnung zu tragen, dass die Zuordnungsbehörde dem Rückgabeberechtigten gleichzeitig mit dem restituierten Vermögensgegenstand auch die zugehörigen Verbindlichkeiten zuordnet.

§ 6 Abs. 6a Satz 2 Teilsatz 5 VermG ist im Vermögenszuordnungsrecht nicht anwendbar.

Gesetze: EV Art. 21 Abs. 3; EV Art. 22 Abs. 1 Satz 7; VZOG § 1a Abs. 1; VZOG § 11 Abs. 2; VermG § 6 Abs. 6a

Instanzenzug: VG Berlin VG 27 A 47/03 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Zuordnung von unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten nach einer Restitution von Grundstücken eines ehemaligen Landwirtschaftsbetriebs.

Die Klägerin war bis Kriegsende Eigentümerin des sog. Stadtguts L., das sie jedenfalls seit Ende des 19. Jahrhunderts regelmäßig verpachtet hatte. Ausweislich des angefochtenen Bescheides betrug die Gesamtfläche 120,9132 ha. Dieses Gut wurde nach dem Krieg zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt in Volkseigentum überführt und in die Rechtsträgerschaft des Volkseigenen Guts (VEG) St. gegeben. Das VEG bewirtschaftete daneben weitere Flächen in St., R., St. und V., insgesamt (bis 1990) 663,9505 ha. Auf den Flächen des vormaligen Stadtguts L. wurden 1950 Wohngebäude errichtet; 1970 kamen Anlagen für eine Schweinemast hinzu.

Das VEG St. wurde nach dem als Treuhandunternehmen von der Agrarproduktions GmbH Gut St. fortgeführt. Nach dem Jahresabschlussbericht 1992 lief die Schweineproduktion im Betriebsteil W.-L. 1991 aus; der Betriebsteil wird als "stillgelegt" bezeichnet. Nach einem von der Klägerin vorgelegten Wertermittlungsgutachten wurde die Schweinemast bereits 1989/90 aufgegeben.

Mit bestandskräftigem Sammelbescheid vom wurden der Klägerin auf ihren Antrag hin 13 Grundstücke mit der Bezeichnung "Liegenschaften (ohne LPG-Gebäude)" gemäß Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV zugeordnet, darunter 12 Grundstücke, die das ehemalige Stadtgut L. ausmachten. Die Zuordnung umfasste "dem Grunde nach" zugehörige Forderungen und Verbindlichkeiten sowie Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen, hierbei insbesondere die Übernahme laufender Wirtschafts- und Nutzungsverhältnisse sowie die Übernahme etwa beschäftigter Arbeitnehmer.

Mit einem weiteren - hier angefochtenen - Bescheid vom stellte die Beklagte fest, dass im Zuge der "Restitution des früheren Stadtgutes" unter anderem folgende Verbindlichkeiten der Gut St. GmbH auf die Klägerin übergegangen seien:

1. 248 660,69 € aus einem Vor-Wende-Kredit der vormaligen Bank für Landwirtschaft und Nahrungswirtschaft der DDR an das VEG - vor dem Verwaltungsgericht beschränkt auf die der Höhe nach noch festzustellenden Mittel zur Errichtung einer Gülleanlage des Schweinemastbetriebes -,

2. 16 535,66 € aus Abfindungszahlungen an ausgeschiedene Arbeitnehmer sowie

3. 114 902,40 € aus einem Nach-Wende-Kredit (2. Hälfte 1990) der Alleingesellschafterin (THA) an die GmbH. Dieser Kredit wurde der Klägerin nach Flächen anteilig belastet; dabei lag der Anteilsberechnung die Gesamtfläche des Guts im Jahr 1992 zugrunde.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das der Klägerin entzogene Stadtgut L. sei ein landwirtschaftliches Unternehmen gewesen. Dass das Gut seinerzeit von Pächtern bewirtschaftet worden sei, sei unschädlich. Darum seien der Klägerin durch den Bescheid vom auch nicht lediglich Grundstücke, vielmehr sei ein Unternehmen restituiert worden. Dem stehe nicht entgegen, dass der Schweinemastbetrieb zuvor bereits eingestellt worden sei (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VermG). In derartigen Fällen erfolge die Unternehmensrestitution durch Rückgabe der noch vorhandenen Unternehmensbestandteile nach § 6 Abs. 6a VermG. Dieser Restitutionsanspruch sei gemäß § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG belastet mit der Pflicht zur Zahlung eines Betrages in Höhe der im Bescheid näher beschriebenen Verbindlichkeiten. Der Grundmittelkredit (1.) betreffe die Gülleanlage und damit Zubehör der klägerischen Grundstücke. Die Abfindungszahlungen (2.) seien an sieben Arbeitnehmer gezahlt worden, die infolge der Einstellung der Schweinemast entlassen worden seien. Das Liquiditätsdarlehen (3.) sei zwar an das Gut St. als Ganzes vergeben worden; gleichwohl hafte die Klägerin entsprechend ihrem Flächenanteil.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision im Wesentlichen vor, hinsichtlich der Zuordnung von Verbindlichkeiten seien § 11 Abs. 2 VZOG und die §§ 3, 4 und 6 Abs. 6a VermG rechtsfehlerhaft angewendet worden. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Vermögenszuordnungsgesetzes und vom Sinn und Zweck der vermögensrechtlichen Regelungen sei zunächst zu beachten, was überhaupt Gegenstand der Rückübertragung durch den Zuordnungsbescheid vom gewesen sei. Selbst wenn es sich bei dem Stadtgut L. im Zeitpunkt der Enteignung um ein Unternehmen gehandelt haben sollte, sei es jedenfalls von § 11 Abs. 2 Satz 1 VZOG bei Erlass des Zuordnungsbescheides am nicht mehr vorhanden gewesen. Außerdem verkenne das Verwaltungsgericht, dass bei ausgeschlossener Rückgabe des Unternehmens nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG der Berechtigte gemäß § 6a Satz 1 VermG die Rückgabe derjenigen Vermögensgegenstände verlangen könne, die sich im Zeitpunkt der Schädigung in seinem Eigentum befunden hätten oder an deren Stelle getreten seien. Da sich im Zeitpunkt der Schädigung allein die Gebäude und Freiflächen des Stadtguts L. im Eigentum der Revisionsführerin befunden hätten und diese nach Stilllegung des Betriebsteiles noch vorhanden gewesen seien, seien allein diese Vermögensgegenstände zurückübertragen worden. Ausweislich des § 11 Abs. 2 Satz 2 VZOG finde ein Ausgleich von Verbesserungen und Verschlechterungen unbeschadet des Satzes 3 nicht statt. Diese Regelungen gingen als Besonderheiten des Vermögenszuordnungsrechts den Regelungen des Vermögensgesetzes, insbesondere § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG vor. Davon abgesehen hätten gemäß § 6 Abs. 6a Satz 2 letzter Halbsatz VermG die Verbindlichkeiten außer Betracht zu bleiben, die am unmittelbar oder mittelbar dem Bund, Ländern oder Gemeinden oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts zugestanden hätten. Das treffe für sämtliche hier geltend gemachten Forderungen zu.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

Die Beigeladene verteidigt das angefochtene Urteil. Sie trägt im Wesentlichen vor: Auch bei Restitution eines stillgelegten Unternehmens sei die Übertragung anteiliger betriebsbezogener Verbindlichkeiten möglich. § 1a Abs. 1 Satz 1 VZOG definiere parallel zur Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 VermG auch Unternehmen als zurückzugebenden Vermögenswert. § 6 Abs. 6a VermG bestätige den Grundsatz, dass sich der Inhalt des Restitutionsanspruches selbst nicht ändere, wenn Gegenstand der Restitution die Reste eines Unternehmens seien. Bei einer Anwendung des § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG seien jedoch die Besonderheiten der öffentlichen Restitution zu beachten. Einem öffentlich-rechtlichen Restitutionsgläubiger könnten die Begünstigungen, die § 6 Abs. 6a Satz 2 Teilsatz 5 VermG für private Restitutionsgläubiger enthalte, nicht zugute kommen.

II

Die Revision ist nicht begründet, da das angefochtene Urteil nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die auf § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG gestützte Zuordnung der Verbindlichkeiten aus Grundmittelkrediten, Abfindungszahlungen und Liquiditätsdarlehen an die Klägerin nicht zu beanstanden ist. Da der Klägerin mit dem bestandskräftigen Restitutionsbescheid vom nicht einzelne Grundstücke, sondern Reste eines landwirtschaftlichen Unternehmens restituiert wurden, sind damit zugleich nicht nur die grundstücksbezogenen, sondern auch unternehmensbezogene Verbindlichkeiten auf sie übergegangen.

1. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde der Klägerin mit dem "Stadtgut L." ein landwirtschaftlicher Betrieb und damit ein Unternehmen im Sinne des § 1a Abs. 1 Satz 1 VZOG entzogen.

Der Begriff des Unternehmens im Vermögenszuordnungsrecht (§ 1a Abs. 1 Satz 1 VZOG) stimmt mit demjenigen des Vermögensrechts (§ 2 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 VermG, § 1 URüV) überein. Nach § 1 Abs. 2 URüV liegt ein Unternehmen in diesem Sinne auch vor, wenn es nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderte und etwa den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zum Gegenstand hatte. Damit sollen gerade Landwirtschaftsbetriebe erfasst werden, die als Volkseigene Güter (VEG) fortgeführt wurden (BRDrucks 283/91 S. 25).

Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass das "Stadtgut L." bis zu seiner Eingliederung in das VEG St. ein landwirtschaftlicher Betrieb und damit ein Unternehmen war. Es hat ferner angenommen, dass die Gemeinde Weißensee Inhaberin des Unternehmens war, ungeachtet des Umstands, dass sie das Stadtgut regelmäßig verpachtet hatte und nur an den Pachteinnahmen interessiert war. Das wird von der Revision nicht (mehr) angegriffen und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Gemeinde kann auch dann Eigentümerin eines Unternehmens - also einer auf einen Erwerbszweck ausgerichteten und hierfür gewidmeten Sachgesamtheit - sein, wenn sie es als Ganzes verpachtet (vgl. VG 31 A 199.95 - und hierzu BVerwG 3 B 212.97 -). Das Verwaltungsgericht hat schließlich - ohne dass insoweit Verfahrensrügen erhoben worden sind und damit für den Senat bindend - festgestellt, dass der Gemeinde dieses Unternehmen als solches entzogen wurde und nicht nur die Grundflächen.

2. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Restitution, an die der umstrittene Übergang der Verbindlichkeiten anknüpft, als Unternehmensrestitution entsprechend § 6 Abs. 6a VermG angesehen hat; denn die rechtlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 6a Satz 1 Halbs. 1 VermG für einen solchen Fall der Unternehmensrestitution waren - wiederum ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - erfüllt.

Die Rückübertragung des landwirtschaftlichen Guts L. war nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG ausgeschlossen, weil es stillgelegt war und die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs fehlten. Zwar hat das Verwaltungsgericht den genauen Zeitpunkt der Stilllegung nicht ermittelt, sondern nur darauf verwiesen, dass die Schweinemast zwischen 1989 und 1991 aufgegeben worden ist. Es verweist jedoch insoweit auf den Jahresabschlussbericht 1992 der Agrarproduktions GmbH Gut St. und das Wertgutachten des Sachverständigen H., denen sich entnehmen lässt, dass der Betriebsteil W.-L. insgesamt stillgelegt worden war, die Gebäude ungenutzt leer standen sowie verschlissen und daher völlig wertlos waren. In diesen Feststellungen findet die auch von der Revision nicht in Zweifel gezogene Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht in Betracht kam, eine hinreichende Grundlage.

Das Unternehmen war im Zeitpunkt der Stilllegung - gleichgültig von welchem Zeitpunkt man insoweit ausgeht - auch dem entzogenen Unternehmen vergleichbar, so dass auch in dieser Hinsicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6a Satz 1 Halbs. 1 VermG vorlagen. Das Stadtgut diente der Landwirtschaft; dabei ist es auch nach seiner Eingliederung in das VEG St. geblieben. Die Aufnahme der Schweinemast im Jahre 1970 stellt unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung allenfalls eine unwesentliche Änderung des Produkt- oder Leistungsangebots dar (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 URüV).

3. Ist das Verwaltungsgericht somit rechtsfehlerfrei von einer Unternehmensresterestitution ausgegangen, war die Zuordnung der umstrittenen Verbindlichkeiten an die Klägerin rechtmäßig.

a) Gegenstand der öffentlichen Restitution nach Art. 21 Abs. 3 bzw. Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 EV ist der entzogene Vermögenswert, wie er steht und liegt. Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 VZOG werden Vermögenswerte in dem Zustand zurückübertragen, in dem sie sich im Zeitpunkt des Zuordnungsbescheides befinden. Unter "Zustand" versteht das Gesetz in erster Linie den rechtlichen Zustand (BTDrucks 12/5553 S. 171). Das schließt alle Verbindlichkeiten und Berechtigungen ein, die konkret auf den Vermögensgegenstand bezogen sind. § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG stellt hierbei klar, dass dies nicht nur dingliche Lasten und Berechtigungen umfasst, sondern auch Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen, soweit sie Gegenstand der Zuteilung nach Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV sind ( BVerwG 7 C 36.93 - BVerwGE 96, 231 <233 f.>; BVerwG 3 B 107.06 -).

§ 11 Abs. 2 Satz 2 VZOG lässt sich nicht entnehmen, dass der Übergang von Verbindlichkeiten ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift hat den tatsächlichen Zustand des Vermögensgegenstands im Blick (BTDrucks 12/5553 S. 171) und ordnet an, dass ein Ausgleich für Verbesserungen und Verschlechterungen, die der Verfügungsberechtigte in der Vergangenheit vorgenommen hat, zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten grundsätzlich nicht stattfindet. Das lässt den Grundsatz, demzufolge der Vermögenswert zurückzuübertragen ist, wie er steht und liegt, also einschließlich der zugehörigen Verbindlichkeiten, unberührt (Urteil vom a.a.O. S. 238).

b) Wurde dem Berechtigten ein Grundstück entzogen und wird dieses zurückübertragen, hat der Berechtigte demgemäß die grundstücksbezogenen Verbindlichkeiten zu übernehmen, allerdings auch nur diese. Selbst wenn das Grundstück nach seiner Entziehung in ein Unternehmen einbezogen worden sein sollte, haftet es nicht für betriebliche Verbindlichkeiten, die keinen konkreten Bezug zu dem restituierten Vermögenswert aufweisen (Urteil vom a.a.O. S. 237).

Anders verhält es sich, wenn - wie hier - ein Unternehmen entzogen und Betriebsgrundstücke als Unternehmensreste zurückgegeben wurden. Eine Unternehmensrückgabe umfasst stets alle Aktiva und Passiva des Unternehmens (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 URüV), also auch alle Unternehmensverbindlichkeiten, für die das Unternehmensvermögen haftet. An dieser Haftung ändert sich nichts, wenn statt des nicht rückgabefähigen Unternehmens nur dessen Reste restituiert werden. Auch diese Reste haften den Gläubigern des Unternehmens nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG für die Unternehmensschulden, weil es sich nach wie vor um einen Fall der Unternehmensrückgabe handelt (vgl. BTDrucks 13/7275 S. 47; BVerwG 7 C 5.93 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 4, sowie - grundlegend - BVerwG 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92; BVerwG 7 C 12.05 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 67 m.w.N.; - ZOV 2005, 163). Dass diese vermögensrechtlichen Regeln im Vermögenszuordnungsrecht gleichermaßen Anwendung finden, sofern die Besonderheiten des Vermögenszuordnungsrechts nicht zu Abweichungen zwingen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ( BVerwG 7 C 11.94 - BVerwGE 98, 154, <157 ff.>).

c) Da der in § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG zum Ausdruck kommende Gedanke des Gläubigerschutzes ohne Weiteres auf das Vermögenszuordnungsrecht übertragbar ist, sind der Klägerin zu Recht nicht nur die den restituierten Grundstücken direkt zurechenbaren Verbindlichkeiten, sondern auch die darauf entfallenden anteiligen Unternehmensschulden zugeordnet worden. Zwar trägt § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG dem Gläubigerinteresse in der Weise Rechnung, dass die Unternehmensreste nur gegen Zahlung eines Betrages in Höhe dieser Verbindlichkeiten zurückgegeben werden dürfen. In dieser Form lässt sich der Gläubigerschutz aber im Vermögenszuordnungsrecht nicht verwirklichen; denn die Zuordnungsbehörde entscheidet nicht über das Bestehen der Verbindlichkeiten. Eine Rückgabe Zug-um-Zug gegen die in § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG vorgesehene Ablösezahlung verbietet sich deshalb. Zudem geht es bei der Vermögenszuordnung grundsätzlich um die Verteilung des bisherigen volkseigenen Vermögens auf die verschiedenen Verwaltungsträger im gegliederten Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland; dem Gläubigerschutz ist daher schon mit der Bestimmung des neuen Schuldners genügt. Deshalb ist § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG im Bereich der Vermögenszuordnung im Regelfall in der Weise Rechnung zu tragen, dass die Zuordnungsbehörde dem Rückgabeberechtigten gleichzeitig mit dem restituierten Vermögensgegenstand auch die zugehörigen Verbindlichkeiten zuordnet.

d) Die Klägerin beruft sich auch zu Unrecht darauf, dass nach § 6 Abs. 6a Satz 2 Teilsatz 5 VermG Verbindlichkeiten, die am - dem Tag des Inkrafttretens des Privatisierungshemmnisbeseitigungsgesetzes - unmittelbar oder mittelbar dem Bund, Ländern oder Gemeinden oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts zustanden, außer Betracht bleiben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Gläubiger der Verbindlichkeiten überhaupt diese Voraussetzungen erfüllten, was die Beigeladene bestreitet; denn die Regelung des § 6 Abs. 6a Satz 2 Teilsatz 5 VermG ist von ihrer Zielrichtung her auf die private Restitution zugeschnitten und daher ohnehin nicht im Vermögenszuordnungsrecht anwendbar. Der Vorschrift liegt die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass das Befriedigungsinteresse dieser Gläubiger hinter dem Restitutionsinteresse des Berechtigten zurückstehen müsse (BTDrucks 12/103 S. 30). In diese Wertung fließt ein, dass die private Restitution in aller Regel der Wiedergutmachung staatlichen Unrechts dient (vgl. § 1 VermG) und dass dies nicht durch Ansprüche des Staates selbst geschmälert werden solle. Diese Wertung findet in der öffentlichen Restitution keine Entsprechung. Zwar liegt auch der öffentlichen Restitution eine Entziehung von Vermögenswerten zugrunde, die von den betroffenen Körperschaften durchaus als Unrecht angesehen werden konnte. Die öffentliche Restitution soll aber nicht vorrangig der Abrechnung mit der Vergangenheit dienen, sondern eine Grundlage für die Zukunft schaffen (Urteil vom a.a.O. S. 233). Ein Abgehen von der Regel, dass die öffentliche Restitution auch die dem Vermögenswert zugehörigen Verbindlichkeiten umfasst, lässt sich daher nicht rechtfertigen.

e) Auch die quotale Zuordnung der Verbindlichkeit aus einem Nach-Wende-Kredit ist nicht zu beanstanden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen zum Zeitpunkt der Kreditgewährung bereits stillgelegt war, da maßgebender Zeitpunkt für die zu übernehmenden Schulden auch bei der Unternehmensresterestitution nicht der Zeitpunkt der Stilllegung, sondern der Zeitpunkt der Rückgabe ist (vgl. Urteil vom a.a.O.). Zwar sind gemäß § 6 Abs. 6a Satz 2 Teilsatz 4 VermG für die quotale Zurechnung die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Stilllegung dieses Betriebsteils maßgeblich, den das Verwaltungsgericht nicht genau festgestellt hat. Dadurch wird die Klägerin jedoch nicht in ihren Rechten verletzt. Da der angegriffene Bescheid der Anteilsberechnung die Verhältnisse Ende 1992 und damit eine Gesamtfläche des Guts von 778,6834 ha zugrunde legt, geht er von Voraussetzungen aus, die günstiger für die Klägerin sind, als sie zuvor gegeben waren; denn im Jahre 1990 betrug die Gesamtfläche des Guts noch 663,9505 ha, so dass ihr Anteil daran deutlich höher ausfiele.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind der Klägerin aufzuerlegen, da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko einer für sie ungünstigen Entscheidung ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Fundstelle(n):
NAAAC-62349