Anforderungen an die Begründung des Urteils
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 119 Nr. 6
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beteiligte sich im August 1993 an dem von A inszenierten sog. „Unternehmensspiel .”. Im Klageverfahren gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 war streitig, ob der Kläger selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) war und ob die Voraussetzungen des § 19 UStG vorlagen.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage mit der Begründung ab, nach ständiger Rechtsprechung sei die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübe, anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beantworten. Für den Streitfall sei entscheidend, dass die für den Kläger zum finanziellen Erfolg beitragende Tätigkeit allein darin bestanden habe, dass er aus seinem Umfeld, also seinen Bekannten, Freunden, Verwandten neue Mitspielinteressenten geworben habe. Diese werbende Tätigkeit habe der Kläger selbständig ausgeübt. Nicht entscheidend sei der Umstand, dass es zusätzlich straff organisierte Werbeveranstaltungen des A oder dessen Mitarbeiter gegeben habe, welche dem Ziel gedient hätten, die vom Kläger geworbenen Interessenten davon zu überzeugen, dass die Beteiligung am Spiel sinnvoll sei. Denn die erfolgsabhängige Tätigkeit des Klägers habe gerade darin bestanden, die neuen Interessenten beizubringen. Hierbei sei keine Weisungsabhängigkeit des A erkennbar, denn der Kläger sei in der Frage der Auswahl und Werbung seiner Interessenten frei gewesen.
Zu der neben der Frage der Unternehmereigenschaft des Klägers zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG anzuwenden sei, führt das FG lediglich aus, diese Regelung komme nicht in Betracht, „weil der Kläger bei Beginn seiner Tätigkeit im August 1993 erkennbar davon ausging, dass er mit seiner Mitgliedschaft voraussichtlich Erlöse von mehr als 27.000 DM, bezogen auf einen Gesamtjahresumsatz, erzielen würde.”
Der Kläger stützt die Nichtzulassungsbeschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
II. Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO).
Mit der Rüge, das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil die Begründung nicht erkennen lasse, weshalb im Streitfall nicht die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) anwendbar sei, rügt der Kläger sinngemäß, die Entscheidung des FG sei insoweit „nicht mit Gründen versehen” (§ 119 Nr. 6 FGO). Diese Rüge ist begründet.
1. Eine Entscheidung ist im Sinne dieser Vorschrift nicht mit Gründen versehen, wenn diese ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen sowie wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Verteidigungsmittel übergangen hat. Die Rüge einer zu kurzen, lücken- oder fehlerhaften Begründung berechtigt hingegen nicht zu einer Zulassung einer Revision (vgl. dazu , BFH/NV 1994, 646, m.w.N.). Der Sinn des in § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO angeordneten Begründungszwangs liegt darin, den Prozessbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Januar 2006 XI B 53/04, BFH/NV 2006, 792; vom 9. Februar 2000 VIII R 27/99, BFH/NV 2000, 968, m.w.N.).
a) Zwar führt auch der Umstand, dass die Begründung eines finanzgerichtlichen Urteils sehr kurz ausgefallen ist und sich das FG nicht im Einzelnen mit den vom Kläger vorgetragenen Argumenten auseinander gesetzt hat, nicht ohne Weiteres bereits zur Annahme, dem Urteil fehle die Begründung. Hinreichende Entscheidungsgründe liegen vielmehr schon dann vor, wenn sie den Gedankengang erkennen lassen, auf Grund dessen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist, mag die Begründung inhaltlich auch angreifbar sein (, BFH/NV 2004, 491; , BFH/NV 2005, 1324). An derartigen Gründen zu § 19 UStG fehlt es jedoch vorliegend.
b) Weder aus dem Tatbestand, in dem insoweit lediglich erwähnt ist, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) davon ausgegangen sei, „dass der Kläger regelbesteuernder Unternehmer” gewesen sei, noch aus den Urteilsgründen ergibt sich ein Anhaltspunkt für die Feststellung des FG, dass der Kläger „erkennbar davon ausging, dass er mit seiner Mitgliedschaft voraussichtlich Erlöse von mehr als 27.000 DM, bezogen auf einen Gesamtjahresumsatz, erzielen würde”.
c) Entgegen der Auffassung des FA reicht es insoweit nicht aus, dass sich Anhaltspunkte hierfür aus dem eigenen Vortrag des Klägers im Einspruchsverfahren und in seiner Klageschrift ergeben könnten; denn das FG hat im angefochtenen Urteil weder diesen Sachvortrag des Klägers wiedergegeben noch sich damit auseinander gesetzt, noch andere Feststellungen getroffen, die seine Feststellung rechtfertigen könnten; darüber hinaus hat es insoweit auch die für seine Entscheidung maßgebenden rechtlichen Überlegungen nicht dargelegt. Das FG hat auch nicht von den Begründungserleichterungen nach § 105 Abs. 5 FGO Gebrauch gemacht. Dies hätte nicht nur vorausgesetzt, dass es sich im Urteil auf eine vorausgehende genau bezeichnete Verwaltungsentscheidung bezogen und dies im Urteil ausdrücklich feststellt hätte.
2. Da die Revision bereits aus diesem Grund zuzulassen war, kann der Senat offenlassen, ob er sich der Auffassung des Klägers anschließen könnte, die Revision sei deswegen zuzulassen, weil der Beweisantrag des FA, A zu vernehmen, entscheidungserheblich gewesen sei und weiter das FG diesen zu Unrecht übergangen habe.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2311 Nr. 12
QAAAC-62173