Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Finanzamts
Gesetze: AO § 26
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Rechtsanwalt, reichte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) am mit dem Hinweis, die Angaben seien nur vorläufig, weil diverse Unterlagen derzeit nicht zugänglich seien, unter der Adresse H-Strasse in K die Umsatzsteuererklärung für 2003 ein. Die nach Abzug von Vorsteuerbeträgen verbleibende Umsatzsteuer ermittelte er mit 3 960 €. Mit Schreiben vom übersandte das FA dem Kläger eine Mitteilung zur Umsatzsteuer und forderte neben der Hauptschuld noch Säumniszuschläge. Im Laufe des nach erfolglosem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid erhobenen Klageverfahrens machte der Kläger geltend, das FA sei im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung, am , nicht mehr zuständig gewesen, weil er seine Anwaltstätigkeit von der H-Straße in K verlegt habe; dies bestätige die Feststellung des Vollziehungsbeamten des FA, der anlässlich einer vom FA gewünschten Anschriftenüberprüfung am festgestellt habe, die Büroräume seien vollständig leer geräumt gewesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte hierzu im Wesentlichen aus, auch wenn dem FA im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung bekannt gewesen sei, dass in den Büroräumen keine Anwaltstätigkeit mehr ausgeübt werde, bleibe die Zuständigkeit deswegen erhalten, weil der Kläger dem FA keine Verlegung mitgeteilt habe und das FA deshalb habe davon ausgehen können, dass der Betrieb eingestellt worden sei. In diesem Fall bleibe es bei der bisherigen Zuständigkeit.
Außerdem sei nach § 127 der Abgabenordnung (AO) ein Verwaltungsakt nicht allein wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit aufzuheben, wenn materiell-rechtlich keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. Dies sei hier der Fall, denn Gegenstand der Klage sei keine Ermessensentscheidung, sondern die Steuerfestsetzung, die —wie das FG anschließend ausführt— rechtmäßig sei.
Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) gestützte Beschwerde des Klägers.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Gemäß § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
2. Hat das FG —wie hier— seine Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 163/03, BFH/NV 2005, 835; vom V B 172/03, BFH/NV 2004, 1677, m.w.N.). Hieran fehlt es.
a) Der Kläger meint in Bezug auf die zweite Begründung des FG: „Auch insoweit, wie das Finanzgericht in Köln in der angefochtenen Entscheidung hilfsweise darauf abstellt, daß im vorliegenden Fall keine Ermessensentscheidung vorliege, was, selbst bei Unzuständigkeit des Beklagten im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung, zudem zur Unbegründetheit der Klage führe, werden die Urteilsgrundlagen verkannt.
Auch hierbei geht das Finanzgericht in Köln von einem unzutreffenden, einen Verfahrensfehler begründenden Sachverhalt aus.”
Übergangen worden sei sein Schriftsatz an das FA, in dem er auf die Unvollständigkeit der eingereichten Erklärung hingewiesen und Fristverlängerung beantragt habe. „Hiernach ist vorliegend eine Ermessensentscheidung schon alleine insoweit gegeben, wie es die Frage betrifft, ob, jedenfalls zumindest vorläufig, von einer weiteren Veranlagungstätigkeit abgesehen wird.”
b) Diese Rüge des Klägers, eine nach den Akten klar feststehende Tatsache, sein Fristverlängerungsantrag sei unberücksichtigt geblieben, war nach der insoweit maßgeblichen und im Übrigen zutreffenden Rechtsauffassung des FG zur Auslegung des § 127 AO nicht entscheidungserheblich. Schon deshalb kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Zu Recht geht der Kläger zwar davon aus, dass die Entscheidung über einen Fristverlängerungsantrag eine Ermessensentscheidung ist (z.B. , BFHE 201, 399, BStBl II 2003, 550). Die Frage, ob das FA die Fristverlängerung zu Unrecht nicht gewährt hat —wie der Kläger meint—, war jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn im Klageverfahren, mit dem der Kläger sich gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 wandte, geht es um die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung für 2003. Durch Zustimmung des FA gilt diese —wie andere Steueranmeldungen— nach §§ 167, 168 AO als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung i.S. des § 164 Abs. 1 AO (z.B. , BFHE 202, 403, BStBl II 2003, 904, m.w.N.). Die Steuerfestsetzung ist jedoch keine Ermessensentscheidung.
3. Im Übrigen hätte auch die Rüge des Klägers keinen Erfolg, das FG habe gegen § 96 FGO verstoßen, weil ausreichende Feststellungen dazu fehlten, dass der Kläger seinen Betrieb im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung tatsächlich bereits aufgegeben hatte. Darauf kam es nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung nicht an. Nach § 26 Satz 1 AO tritt der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit wegen Veränderung der sie begründenden Umstände in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden betroffenen Finanzbehörden davon erfährt. Das FG geht zu Recht davon aus, dass, nachdem der Kläger dem FA keine Betriebsverlegung mitgeteilt hatte, das FA angesichts der Feststellung des Vollziehungsbeamten, die bisherigen Büroräume seien vollständig leer geräumt, davon ausgehen konnte, er habe seinen Betrieb aufgegeben.
Fundstelle(n):
WAAAC-62171