Bundesministerium der Finanzen - IV B 7 - S 2800/07/0001 BStBl I 2007 S. 766 Nr. 17

Steuersatz für Gewinne EU/EWR-ausländischer Kapitalgesellschaften nach dem Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren;
Folgen aus der EuGH-Entscheidung in Sachen „CLT-UFA”

Bezug:

Der BStBl I 2007 S. … als Reaktion auf das (CLT-UFA) entschieden, dass der von einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft durch eine Zweigniederlassung im Inland erzielte Gewinn unter Anwendung der Grundsätze der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 48 EG bzw. vormals Art. 52 und 58 EGV) mit dem Steuersatz zu besteuern ist, der unter vergleichbaren Umständen bei Gewinnen einer inländischen Tochtergesellschaft, die ihre Gewinne voll ausschüttet („Ausschüttungsfiktion”), angewandt würde.

Die Grundsätze des BFH-Urteils sind nach dem Ergebnis einer Erörterung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nach Maßgabe der folgenden Ausführungen über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden.

1. Geltungsbereich

Die Urteilsgrundsätze sind in allen offenen Fällen von beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften anzuwenden, deren Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU/EWR-Mitgliedstaat liegt (EU/EWR-Kapitalgesellschaft) und die Gewinne in einer inländischen Betriebsstätte erzielen.

2. Steuerbelastung der Betriebsstätteneinkünfte

Die Steuerbelastung für inländische Betriebsstätteneinkünfte von EU/EWR-Kapitalgesellschaften ergibt sich auf der Grundlage des maßgebenden Ausschüttungssteuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen zuzüglich darin nicht enthaltener Betriebsvermögensänderungen im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F., einer zusätzlichen Körperschaftsteuerbelastung auf nichtabziehbare Aufwendungen, der Kapitalertragsteuer auf den als ausgeschüttet geltenden Gewinn und dem maßgebenden Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer.

Sie berechnet sich wie folgt:

  • Auf das zu versteuernde Einkommen zuzüglich der darin nicht enthaltenen Betriebsvermögensänderungen im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. für das laufende Wirtschaftsjahr (z.B. Investitionszulagen) = Bemessungsgrundlage (BMG) ist der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgebende Steuersatz nach § 27 Abs. 1 KStG a.F. (Ausschüttungssteuersatz) anzuwenden (zuzüglich maßgebender Solidaritätszuschlag).

  • Die Steuerbelastung erhöht sich, sofern im zu versteuernden Einkommen nichtabziehbare Ausgaben i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 KStG a.F. enthalten sind. Zu diesen rechnet auch der Solidaritätszuschlag. Die nichtabziehbaren Ausgaben stehen für eine Ausschüttung im Sinne der „Ausschüttungsfiktion” des BFH-Urteils nicht zur Verfügung. Die Steuererhöhung auf die nichtabziehbaren Ausgaben ergibt sich aus der entsprechenden Spalte der nachfolgend enthaltenden Tabelle. Auf die Ermittlung eines Solidaritätszuschlags auf diesen Mehrbetrag wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet.

  • Nach der „Ausschüttungsfiktion” des BFH-Urteils gilt der Unterschiedsbetrag zwischen dem handelsrechtlichen Betriebsvermögen am Schluss des letzten im maßgebenden Veranlagungszeitraum endenden Wirtschaftsjahrs der Betriebsstätte und dem handelsrechtlichen Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs als zum Ende des Veranlagungszeitraums ausgeschüttet. Bei abweichenden Wirtschaftsjahren oder bei Rumpfwirtschaftsjahren gilt der Schluss des Wirtschaftsjahrs als Ausschüttungszeitpunkt.

    Der Ausschüttungsbetrag unterliegt – unter Berücksichtigung der Mutter/Tochter/Richtlinie oder eines im Einzelfall maßgebenden Doppelbesteuerungsabkommens – der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgebenden Kapitalertragsteuer für Dividenden.

    Für Ausschüttungen im Veranlagungszeitraum 1996 an Gesellschaften, die Muttergesellschaften i.S.d. Mutter/Tochter/Richtlinie sind, gilt der Ausschüttungsbetrag im Hinblick auf § 44d Abs. 1 Satz 3 EStG in der für 1996 geltenden Fassung als anteilig zugeflossen, sofern die beschränkte Steuerpflicht nicht erst im zweiten Halbjahr eintrat; siehe auch Beispiel 2.

Die Steuerbelastung darf den Betrag nicht übersteigen, der sich unter Berücksichtigung des Betriebsstättensteuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen oder für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 unter Berücksichtigung des Steuersatzes nach § 23 Abs. 1 KStG auf das zu versteuernde Einkommen ergibt.

Die Gesamtsteuerbelastung einer Betriebsstätte nach den Urteilsgrundsätzen berechnet sich wie folgt:

Gesamtsteuerbelastung E = A + B + D, wobei


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D I
=
Differenzbetrag von dem maßgebenden
Thesaurierungssteuersatz i.S.d. § 23 Abs. 1
KStG a.F. und dem maßgebenden Ausschüt-
tungssteuersatz
D II
=
Differenzbetrag von 100 und dem maßgeben
den Thesaurierungssteuersatz i.S.d. § 23
Abs. 1 KStG a.F.
BMG * Ausschüttungssteuersatz
=
A (vorläufige Steuerbelastung)
na A [1] * (D I/D II)
=
B (Körperschaftsteuererhöhung)
BMG – A – B – na A
=
C (fiktive Ausschüttung)
C * Kapitalertragsteuersatz
=
D (Kapitalertragsteuer)
A + B + D
=
E (Gesamtsteuerbelastung)

Bei der Berechnung sind folgende Steuersätze zu Grunde zu legen:


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Veranla-
gungszeitraum
Ausschüt-
tungssteu-
ersatz
Thesaurie-
rungssteuer-
satz
Betriebs-
stättensteu-
ersatz [2]
Steuererhöhung
auf na A
Kapitalertrag-
steuer [3] [4]
Bis 1989
36 %
56 %
50 %
20/44 [5] * na A
25 %
1990/1991
36 %
50 %
46 %
14/50* na A
15 % Regelfall
1992/1993
36 %
50 %
46 %
14/50* na A
5 %
1994–06/1996
30 %
45 %
42 %
15/55* na A
5 %
07/1996–1998
30 %
45 %
42 %
15/55* na A
0 %
1999/2000 [6]
30 %
40 %
40 %
10/60* na A
5 %

Beispiel 1

Eine britische Ltd. unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte. Dort erzielt sie 1993 einen Gewinn von 800. Nichtabziehbare Ausgaben liegen i.H.v. 200 vor (zvE/BMG damit 1.000). Folgende Steuersätze gelten in diesem Jahr:


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Thesaurierungssteuersatz:
50 %
Ausschüttungssteuersatz:
36 %
Betriebsstättensteuersatz
46 %
Kapitalertragsteuer
5 %

(D I = Thesaurierungssteuersatz – Ausschüttungssteuersatz = 14;
D II = 100 – Thesaurierungssteuersatz = 50)

Die BMG beträgt 1000. Darauf ist der Ausschüttungssteuersatz von 36 % anzuwenden. Es ergibt sich auf die BMG eine Steuerbelastung von 360. Bezogen auf den Thesaurierungssteuersatzes von 50 % ergibt sich eine zusätzliche Körperschaftsteuerbelastung auf die nichtabziehbaren Ausgaben i.H.v. 56 ((D I/D II) * na A = 14/50 * 200 = 56).

Es ergibt sich somit eine Steuer von 416 (360 + 56). Auf den Ausschüttungsbetrag von 384 (800 – 360 – 56 = 384) entfällt eine KapESt von 5 % = 384 * 5 % = 19,20. Damit ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung von 435,20 (360 + 56 + 19,20) = 43,52 %.

Dieser Steuersatz von 43,52 % liegt unter dem Betriebsstättensteuersatz des Jahres 1993 und ist somit maßgebend.

Beispiel 2

Eine britische Ltd. unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte. Dort erzielt sie 1996 einen vorläufigen Gewinn von 950. Es liegen nichtabziehbare Ausgaben (noch ohne Soli) in Höhe von 50 vor.

Folgende Steuersätze gelten in diesem Jahr:


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Thesaurierungssteuersatz:
45 %
Ausschüttungssteuersatz:
30 %
Betriebsstättensteuersatz
42 %
Kapitalertragsteuer bis 30.6.:
5 %
Kapitalertragsteuer ab 1.7.:
0 %
Solidaritätszuschlag:
7,5 %

(D I = Thesaurierungssteuersatz – Ausschüttungssteuersatz = 15;
D II = 100 – Thesaurierungssteuersatz = 55)

Die BMG beträgt 1000. Darauf ist der Ausschüttungssteuersatz von 30 % anzuwenden. Es ergibt sich auf die BMG eine KSt-Belastung von 300 zuzüglich einem Solidaritätszuschlag von 300 * 7,5 % = 22,50. Bezogen auf den Thesaurierungssteuersatz von 45 % ergibt sich eine zusätzliche Körperschaftsteuerbelastung auf die nichtabziehbaren Ausgaben (50 + 22,50 = 72,50) i.H.v. 19,80 ((D I/D II) * na A = 15/55 * 72,50 = 19,80).

Es ergibt sich somit eine Steuer von 342,30 (300 + 22,50 + 19,80). Für den Zeitraum  –  ergibt sich hierauf eine KapESt von 5 % (bezogen auf 607,70/2 * 5 %) = 15,20.

Es ergibt sich damit eine Gesamtsteuerbelastung von 357,50 (342,30 + 15,20) = 35,75 %. Dieser Steuersatz von 35,75 % liegt unter dem Betriebsstättensteuersatz des Jahres 1996 und ist somit maßgebend.

3. Zeitlicher Geltungsbereich

Die Urteilsgrundsätze sind in allen Fällen anzuwenden, in denen das zu versteuernde Einkommen der EU/EWR-Kapitalgesellschaft in einem Veranlagungszeitraum erzielt wurde, in dem das Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren gilt. Dies betrifft bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr die Veranlagungszeiträume vor 2001, bei abweichendem Wirtschaftsjahr einer eingetragenen Niederlassung einschließlich 2001.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.

Bundesministerium der Finanzen v. - IV B 7 - S 2800/07/0001


Fundstelle(n):
BStBl 2007 I Seite 766
DStR 2007 S. 1961 Nr. 44
DStR 2007 S. 1961 Nr. 44
FR 2007 S. 1082 Nr. 22
GmbHR 2007 S. 1231 Nr. 22
IStR 2007 S. 827 Nr. 22
StB 2007 S. 446 Nr. 12
StBW 2007 S. 9 Nr. 23
WPg 2007 S. 945 Nr. 21
NAAAC-61578

1Nichtabziehbare Ausgaben

2Jeweils noch zuzüglich Solidaritätszuschlag (VZ 1991 und VZ 1992 in Höhe von 3,75 %, VZ 1995 bis 1997 in Höhe von 7,5 % und für VZ ab 1998 5,5 %)

3Ausschüttung an Muttergesellschaften i.S.d. Mutter/Tochter/Richtlinie

4Ein Solidaritätszuschlag hierauf entfällt analog § 5 SolZG

5Jeweils D I geteilt durch D II

6Bei abweichendem Wirtschaftsjahr einschließlich 2001