Einmalige Provision; die als Entgelt für eine Vermittlungstätigkeit entgegengenommen wird; zählt zu den Einkünften aus Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG
Leitsatz
Eine sonstige Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten der Steuerpflichtigen veranlasst ist. Ausreichend ist, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Tun gewährte Gegenleistung als solche annimmt. Auf diese Weise ordnet er sein Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu. Erhält der Innendienst-Mitarbeiter einer Lebensversicherungsgesellschaft von dieser für die einmalige Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrags mit seinem Ehegatten eine Provision, zählt diese zu den Leistungen i. S. des § 22 Nr. 3 EStG. § 22 Nr. 3 EStG ist hinreichend tatbestandlich bestimmt (Art. 20 Abs. 3 GG, Rechtsstaatsprinzip). Der Grundsatz der Normenklarheit ist nicht verletzt; der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG ermöglicht es insbesondere dem Steuerpflichtigen, seine sachliche Steuerpflicht zu erkennen. Die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG führt nicht zu einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Steuerbelastung der Ehegatten. Denn die Gleichheit im Belastungserfolg wird - anders als z. B. bei der Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 - nicht durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt .
Gesetze: EStG § 22 Nr. 3
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger schloss 1994 mit einer Lebensversicherungs-AG (AG), die sich wie der Arbeitgeber der Klägerin im Finanzverbund der X-Versicherungen befindet, eine Kapitallebensversicherung ab. Den Versicherungsvertrag hatte die Klägerin angebahnt, indem sie von der AG ein Antragsformular auf Abschluss eines Versicherungsvertrags anforderte, das der Kläger unterschrieb. Entsprechend dem sog. Mitarbeiterhandbuch des Gesamtvorstands der X-Versicherungen zahlte die AG der Klägerin über ihren Arbeitgeber nach Erhalt des Einlösungsbetrags seitens des Klägers eine Provision für diese Vermittlung in Höhe von 4 230 DM.
Hiervon erlangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) durch eine Kontrollmitteilung aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung beim Arbeitgeber der Klägerin Kenntnis, nachdem der Einkommensteuerbescheid für 1994 bestandskräftig geworden war. Das FA erhöhte die erklärten Einnahmen der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend und erließ einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid. Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch machte die Klägerin geltend, dass es nicht zu ihren dienstlichen Obliegenheiten gehöre, Versicherungen zu vermitteln, da sie im Innendienst beschäftigt sei. Sie halte keinen Kontakt zu potentiellen Kunden. Die streitige Zahlung stelle eine nicht steuerbare sog. Eigenprovision dar. Das FA wies den Einspruch zurück, wobei es offen ließ, ob die Einnahmen Arbeitslohn oder sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellten.
In der hiergegen gerichteten Klage begründeten die Kläger die Steuerfreiheit der streitigen Provision insbesondere damit, dass die Klägerin zusammen mit dem Kläger Nutznießerin des Versicherungsverhältnisses sei. Bei der Beurteilung der Steuerpflicht der Zahlung sei die bis 1995 geltende Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber der Klägerin habe —gestützt auf diese Ansicht— die ausgezahlten Provisionen für sog. Eigengeschäfte (Vertragsabschlüsse mit dem Mitarbeiter oder einem nahen Angehörigen) bis einschließlich 1995 nicht als steuerpflichtige Einnahmen behandelt. Bei der im Jahre 1997 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung sei man übereingekommen, diese Regelung bis 1995 beizubehalten und erst ab 1996 steuerpflichtigen Arbeitslohn unter Abzug von 4 v.H. anzunehmen. Die Kontrollmitteilung sei deshalb rechtswidrig und hätte vom FA nicht verwendet werden dürfen. Aus dem Rechtsgedanken des § 176 Abs. 2 AO ergebe sich, dass das FA an die damals vorherrschende Ansicht der Finanzverwaltung gebunden sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen und die Einkünfte als solche nach § 22 Nr. 3 EStG qualifiziert.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts sowie die Verfassungswidrigkeit von § 22 Nr. 3 EStG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits.
Sie berufen sich auf die Behandlung einer sog. Eigenprovision als Minderung des Preises für die Versicherung im (BFHE 205, 253, BStBl II 2004, 506). Diese Rechtsprechung sei im Lichte von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auf den Streitfall zu übertragen. Jedenfalls sei angesichts des dem Einkommensbegriff inhärenten Gegenleistungsprinzips § 22 Nr. 3 EStG nicht anzuwenden. Im Übrigen sei Besteuerungsgleichheit auch im Hinblick auf Verwaltungsanweisungen verschiedener Bundesländer zu gewährleisten. Im Streitfall verbiete darüber hinaus das Gebot von Treu und Glauben im finanzbehördlichen Verfahren eine Heranziehung der streitigen Kontrollmitteilung.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom i.d.F. des Änderungsbescheids vom die Einkommensteuer 1994 nach Maßgabe einer Kürzung der Einkünfte der Klägerin um 4 230 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass das FA den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern konnte. Es hat zutreffend die streitige Provision der Klägerin zu den sonstigen Einkünften i.S. von § 22 Nr. 3 EStG gezählt.
1. Über die Kontrollmitteilung wurde der Erhalt der Provision der Klägerin, eine gemäß § 22 Nr. 3 EStG steuererhöhende Tatsache, dem FA nachträglich bekannt (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO).
2. Die streitige Provision führt zu sonstigen Einkünften i.S. von § 22 Nr. 3 EStG. Danach sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Um eine solche gelegentliche Vermittlung handelt es sich im Streitfall.
a) Die Provision ist der Klägerin nicht als Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung —LStDV—) zugeflossen. Es fehlt am Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis. Ein solcher ist nur gegeben, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 213, 381, BStBl II 2006, 832, m.w.N.). So liegt es hier nicht. Denn die Vermittlungstätigkeit zählt nicht zum Kreis der der Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses übertragenen Aufgaben; sie ist nicht in das durch Arbeitspflicht und Weisungsabhängigkeit gekennzeichnete Arbeitsverhältnis einbezogen. Der Versicherer hat lediglich die sonst bei beruflich eingeschalteten Versicherungsvertretern anfallende Provision ausbezahlt.
b) Eine sonstige Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten der Steuerpflichtigen veranlasst ist. Ausreichend ist, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Tun gewährte Gegenleistung als solche annimmt. Auf diese Weise ordnet er sein Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu (vgl. , BFHE 207, 284, BStBl II 2005, 44, unter II. 1. a bb, m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen zählt auch die von der Klägerin erhaltene Provision zu den Einkünften aus Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG. Selbst wenn für die Klägerin bei der Anbahnung der Versicherung ihres Ehegatten der Gedanke der Eigenversorgung im Vordergrund stand, hat sie jedenfalls die Provision als Entgelt für ihre Vermittlungstätigkeit entgegengenommen.
c) Die streitige Provision der Klägerin stellt auch keine von einem Versicherungsvertreter lediglich weitergeleitete Provision dar, welche der BFH nicht zu den sonstigen Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG gezählt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 253, BStBl II 2004, 506).
Die Klägerin hat nicht lediglich einen Teil des Geldes von der Versicherung zurück bekommen, das sie über die Versicherungsprämien wirtschaftlich zu tragen hatte. Vielmehr ist sie ihrerseits aktiv als Vermittler tätig geworden, wenn auch gegenüber ihrem Ehemann und einmalig. In diesem Sinne hat der BFH eine steuerbare Leistung auch in einem Verhalten gesehen, das es einem anderen ermöglicht, einen Versicherungsvertrag abzuschließen, wenn ein derartiges Verhalten eingebettet ist in eine Vermittlungstätigkeit des Steuerpflichtigen (vgl. BFH in BFHE 205, 253, BStBl II 2004, 506, unter II. 1. a aa, m.w.N.).
d) Die Kläger berufen sich schließlich auch zu Unrecht darauf, dass die Provision der ehelichen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft und nicht individuell der Klägerin zugeflossen sei. Eine derartige gemeinsame Zurechnung des Zuflusses kennt das geltende Einkommensteuerrecht nicht. Denn die besondere Ehegattenbesteuerung setzt gemäß § 26b EStG erst nach der Einkünfteermittlung an. § 26b EStG berührt weder die subjektive Steuerpflicht des einzelnen Ehegatten noch die Einkünfteerzielung durch den jeweiligen Ehegatten (, BFH/NV 2003, 468, unter II. 1. a). Schon deshalb kann sich die Klägerin für ihr Begehren bei der Einkünfteerzielung, im Hinblick auf ihre Ehe besser gestellt zu werden als andere Steuerpflichtige, nicht auf das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG berufen (vgl. , 1 BvF 2/01, BVerfGE 105, 313, BGBl I 2002, 3197, unter B. II. 1. c, m.w.N.).
e) Die Anwendung der Vorschrift des § 22 Nr. 3 EStG im Streitfall begegnet auch unter rechtsstaatlichen Aspekten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) § 22 Nr. 3 EStG ist hinreichend tatbestandlich bestimmt (Art. 20 Abs. 3 GG, Rechtstaatsprinzip). Der Grundsatz der Normenklarheit (vgl. , BStBl II 2007, 167, unter B. II., m.w.N.) ist nicht verletzt; der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG ermöglicht es insbesondere dem Steuerpflichtigen, seine sachliche Steuerpflicht zu erkennen (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 543; Beschluss vom 1 BvR 587/86, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 334). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als ein Regelbeispiel —gelegentliche Vermittlung— erfüllt ist.
bb) Die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG führt nicht zu einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Steuerbelastung der Kläger. Denn die Gleichheit im Belastungserfolg wird —anders als z.B. bei der Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 (, BGBl I 2004, 591, BStBl II 2005, 56; vgl. auch , BVerfGE 84, 239, zur Zinsbesteuerung)— nicht durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt (, BFHE 207, 305, BStBl II 2005, 167, unter II. 3.). Gerade § 194 Abs. 3 AO eröffnet den Finanzbehörden die Möglichkeit, auch im Rahmen einer Außenprüfung bei dem Leistungsempfänger Feststellungen über die Verhältnisse des Leistenden zu treffen und diese auszuwerten, ohne dass strukturell gegenläufige Erhebungsregelungen entgegenstünden.
f) Auch die von den Klägern geltend gemachte unterschiedliche Behandlung der streitigen Provision in der Nordrhein-Westfälischen und der Niedersächsischen Finanzverwaltung kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung besteht. Jedenfalls gebietet der Aspekt einer tatsächlichen Besteuerungsgleichheit bei Verwirklichung gleicher Sachverhalte in unterschiedlichen Ländern keine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Nr. 3 EStG in dem Sinne, dass die streitige Provision nicht steuerbar wäre. Bei einer ggf. landesunterschiedlichen Anwendung der Norm auf Einzelfälle geht es lediglich um die Ebene der Sachverhaltssubsumtion im Rahmen der Gesetzesanwendung, nicht hingegen um ein ggf. verfassungsrechtlich relevantes strukturelles Erhebungsdefizit.
3. Das FA durfte die Tatsache des Erhalts der Provision seitens der Klägerin auch verwerten; denn ein Verwertungsverbot besteht nicht.
Die streitige Kontrollmitteilung findet in § 194 Abs. 3 AO eine hinreichende Rechtsgrundlage. Danach können Inhalt von Kontrollmitteilungen tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse Dritter sein, deren Kenntnis für die Besteuerung dieser anderen Personen möglicherweise von Bedeutung sein können (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 190, unter II. 1. a; , BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665, 667). Da im Rahmen der Kontrollmitteilung die tatsächliche Bedeutung für die Besteuerung des Dritten noch nicht abschließend zu prüfen ist, kommt es darauf, dass sich das FA ggf. über die tatsächliche und rechtliche Einordnung der Provision der Klägerin geirrt hat, nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2263 Nr. 12
EStB 2007 S. 448 Nr. 12
HFR 2008 S. 65 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2008 S. 3675
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2007 S. 3942
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 11
ZAAAC-61535