Leitsatz
1. Der Wechsel eines Unternehmens in die Zuständigkeit eines anderen Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung erfordert auch im Fall einer Zuständigkeitsänderung durch Gesetz eine Überweisung durch den bisherigen Träger, es sei denn, das Gesetz selbst sieht etwas anderes vor.
2. Soweit es zur Herbeiführung des Zuständigkeitswechsels einer Überweisung bedarf, fehlt für eine mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung des zuständigen Unfallversicherungsträgers geführte Klage das Rechtsschutzbedürfnis.
3. Ein beigeladener Versicherungsträger kann nicht zu einer Leistung verurteilt werden, die sich nach Anspruchsgrund und Rechtsfolgen von der ursprünglich mit der Klage geforderten Leistung wesentlich unterscheidet.
Gesetze: SGG § 55; SGG § 75 Abs 5; SGB VII F: § 129 Abs 3 ; SGB VII F: § 129 Abs 1 Nr 1a ; SGB VII § 136 Abs 1 S 4; SGB VII § 136 Abs 1 S 5; SGB VII § 136 Abs 2; SGB VII § 218d
Instanzenzug: SG Aachen S 9 U 2/01 vom LSG Essen L 15 U 81/02 vom
Gründe
I
Streitig ist, ob die Klägerin als rechtlich selbständiges Kommunalunternehmen bei der für ihren Gewerbezweig zuständigen Berufsgenossenschaft oder bei dem für Gemeinden und Gemeindeverbände zuständigen Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zu versichern ist.
Bis zum erlaubte § 129 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) den Ländern, solche Unternehmen aus der Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft in die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers im kommunalen Bereich zu übernehmen, wenn Gemeinden oder Gemeindeverbände allein oder zusammen mit dem Land an dem Unternehmen überwiegend beteiligt waren oder auf seine Organe einen ausschlaggebenden Einfluss hatten. Mit Wirkung vom 1. Januar 2005 ist diese Vorschrift geändert worden. Nach der Neufassung des § 129 SGB VII bedarf es keiner Übernahme durch das Land mehr; vielmehr sind für Unternehmen, die in selbständiger Rechtsform betrieben werden und an denen Gemeinden oder Gemeindeverbände unmittelbar oder mittelbar überwiegend beteiligt sind oder auf deren Organe sie einen ausschlaggebenden Einfluss haben, die Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich unmittelbar kraft Gesetzes zuständig.
Die Klägerin, eine als GmbH geführte Finanzdienstleistungsgesellschaft, vermittelt Produkte und Dienstleistungen der Sparkassen-Finanzgruppe und deren Kooperationspartner. Ihre alleinige Gesellschafterin ist die "S mbH" (S-B GmbH), die ihrerseits eine hundertprozentige Tochter der Kreissparkasse D (Sparkasse) ist. Nach dem Gesellschaftsvertrag setzt sich die Gesellschafterversammlung der Klägerin aus den Vorstandsmitgliedern der Sparkasse zusammen. Die Gesellschafterversammlung bestimmt die Richtlinien der Geschäftspolitik, überwacht und beruft die Geschäftsführung und beschließt über Maßnahmen, die über den Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs hinausgehen oder für die Gesellschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind. Darüber hinaus hat sich die Klägerin in einem 1998 geschlossenen "Ergebnisabführungsvertrag" gegenüber der S-B GmbH verpflichtet, ihren Geschäftsbetrieb nach deren Anweisungen zu führen und ihren Gewinn an die S-B GmbH abzuführen; die S-B GmbH wiederum hat sich verpflichtet, einen etwaigen Jahresfehlbetrag der Klägerin zu übernehmen. Eine entsprechende Vereinbarung besteht zwischen der S-B GmbH und der Sparkasse.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1998 gehört die Klägerin der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Beigeladene zu 2) an und wird von dieser zur Beitragsleistung herangezogen. Ihren im Juni 1999 gestellten Antrag, in die Zuständigkeit des Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes (Beigeladener zu 1) übernommen zu werden, lehnte das beklagte Land mit Bescheid vom und Widerspruchsbescheid vom ab. Die Voraussetzungen des § 129 Abs 3 SGB VII seien nicht erfüllt, weil die Klägerin ihr Stammkapital nicht überwiegend aus Haushaltsmitteln einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes aufbringe. Da die Klägerin privatrechtlich organisiert sei, komme es nicht darauf an, ob eine Gemeinde auf sie einen ausschlaggebenden Einfluss habe. Ein solcher liege nach dem Gesellschaftsvertrag auch nicht vor.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Verurteilung zur Übernahme in die Zuständigkeit des Gemeindeunfallversicherungsverbandes gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom ). Nachdem sich während des Berufungsverfahrens das Gesetz geändert hatte, hat sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) damit einverstanden erklärt, dass sie bis Ende 2004 bei der Beigeladenen zu 2 verbleibt. Auf ihren Antrag hat das LSG das Urteil des SG geändert und festgestellt, dass ab der Beigeladene zu 1 der für die Klägerin zuständige Träger der Unfallversicherung ist (Urteil vom ). Zur Begründung hat es ausgeführt, der öffentliche Träger der Sparkasse habe auf die Organe der Klägerin einen - über die S-B GmbH vermittelten - ausschlaggebenden Einfluss iS des § 129 Abs 1 Nr 1a Buchst b SGB VII. Aus den Vorschriften des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes (SpkG-NW) ergebe sich, dass sie bei wichtigen Entscheidungen der Sparkasse nicht überstimmt werden könnten. Die Sparkasse ihrerseits bestimme über ihre Vertreter in den Gesellschafterversammlungen die Geschäftspolitik der S-B GmbH und der Klägerin. Damit seien die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand erfüllt.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 machen mit ihren Revisionen eine Verletzung des § 129 Abs 1 Nr 1a SGB VII geltend. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen ausschlaggebenden Einfluss des Gemeindeverbandes auf die Klägerin angenommen. Nach dem SpkG-NW seien die Mitglieder der Sparkassenorgane weisungsfrei und unabhängig und könnten auch gegen den Willen der Gemeinden entscheiden. Ohnehin sei ein bloß mittelbarer ausschlaggebender Einfluss nach dem Gesetz nicht ausreichend. Da das Stammkapital der Klägerin nicht aus Haushaltsmitteln stamme, seien Gemeinden an ihr auch nicht iS des § 129 Abs 1 Nr 1a Buchst a SGB VII überwiegend beteiligt.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1 beantragen,
die Revisionen zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Revision des Beklagten für unzulässig, da dieser durch das angefochtene Urteil nicht beschwert sei. Zudem habe das LSG in Auslegung des Landesrechts und des Gesellschaftsvertrages bindend festgestellt, dass die Gemeinden trotz Weisungsfreiheit der Mitglieder der Sparkassenorgane einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Sparkasse ausüben könnten.
Der Beigeladene zu 1 macht geltend, das Kriterium des ausschlaggebenden Einflusses bezwecke, die Unternehmensbindung an die öffentliche Hand zu sichern. Von daher müsse auch ein mittelbarer Einfluss ausreichen. Die Mitglieder der Sparkassenorgane seien aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Treue- und Pflichtenverhältnisses zur Sparkasse nur theoretisch weisungsfrei.
II
Die Revision des Beklagten ist unzulässig. Die Revision der Beigeladenen zu 2 führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
A. Die Revision des Beklagten ist unzulässig, weil für sie kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Das Rechtsschutzinteresse bildet allerdings keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern ergibt sich im allgemeinen ohne weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht (BGHZ 57, 224, 225 = NJW 1972, 112). Indessen gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann in seltenen Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (BGH aaO; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, vor § 143 RdNr 5 mwN). Unnütz und deshalb unzulässig ist ein Rechtsmittel insbesondere dann, wenn durch die angefochtene Entscheidung keine Rechte, rechtlichen Interessen oder sonstigen schutzwürdigen Belange des Rechtsmittelführers betroffen sind und die weitere Rechtsverfolgung ihm deshalb offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Der Beklagte hat kein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil sich die ursprüngliche Klage auf Aufhebung seines Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom durch die in der Berufungsverhandlung abgegebenen Prozesserklärungen erledigt hat und ihn der auf den Zeitraum ab beschränkte Feststellungsausspruch des LSG rechtlich nicht berührt. Denn § 129 SGB VII idF des zum in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen (UVSchVerbG) vom (BGBl I 3299) sieht ein Übernahmeverfahren unter Beteiligung des Landes nicht mehr vor. Mit der Aufhebung des § 129 Abs 3 SGB VII zum (Art 1 Nr 9b Buchst b, Art 2 UVSchVerbG) ist hierfür die Rechtsgrundlage entfallen. Stattdessen hat § 129 Abs 1 Nr 1a SGB VII bei den Unfallversicherungsträgern im kommunalen Bereich eine gegenüber § 121 SGB VII originär wirkende Regelzuständigkeit für Unternehmen begründet, die in selbständiger Rechtsform betrieben werden und an denen Gemeinden oder Gemeindeverbände unmittelbar oder mittelbar überwiegend beteiligt sind oder auf deren Organe sie einen ausschlaggebenden Einfluss haben (vgl BT-Drucks 15/4051 S 13 zu Nr 9b Buchst a und b).
Nachdem die früher bestehenden Entscheidungsbefugnisse der Länder bei der Bestimmung des für selbständige Kommunalunternehmen zuständigen Unfallversicherungsträgers durch die Rechtsänderung weggefallen sind, ist nicht erkennbar, welches schützenswerte Interesse der Beklagte an der Beseitigung des auf die Zeit ab beschränkten Urteilsausspruchs haben könnte. Entgegen seiner Auffassung kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht damit begründet werden, dass wegen der aus § 218d SGB VII ersichtlichen Befristung der derzeitigen Fassung des § 129 SGB VII der frühere Rechtszustand ab dem Jahr 2010 unter Umständen wieder aufleben und für diesen Fall die angestrebte Revisionsentscheidung weiterführende rechtliche Erkenntnisse bringen könnte. Wie sich die Rechtslage im Jahr 2010 darstellen wird, lässt sich nicht absehen. Die bei Vorhersagen über die zukünftige Rechtsentwicklung ohnehin bestehende Ungewissheit wird hier dadurch erhöht, dass die Bundesregierung eine umfassende Reform der gesetzlichen Unfallversicherung plant, in deren Gefolge auch die Zuständigkeiten der Unfallversicherungsträger neu geregelt werden sollen (siehe dazu: Tiemann, SozSich 2007, 22, 23 f unter Bezugnahme auf das Eckpunkte-Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der gesetzlichen Unfallversicherung vom ). Prognosen über die mögliche Rechtslage im Jahre 2010 sind daher spekulativ und können ein Rechtsschutzbedürfnis für das jetzige Revisionsverfahren nicht rechtfertigen.
Hinzu kommt, dass die für die Feststellungsklage maßgebende Fassung des § 129 SGB VII für die Zugehörigkeit rechtlich selbständiger Kommunalunternehmen zum Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand andere materielle Voraussetzungen normiert, als sie nach der bis zum geltenden Fassung der Vorschrift für die Übernahmeentscheidung des Landes gegolten haben. Während § 129 Abs 3 SGB VII aF bestimmte, dass Unternehmen, die erwerbswirtschaftlich betrieben werden, nicht übernommen werden sollten (aaO Satz 2), hat der Gesetzgeber in § 129 Abs 1 Nr 1a SGB VII nF auf diese Einschränkung verzichtet. Anders als der Wortlaut des § 129 Abs 3 SGB VII aF lässt derjenige des § 129 Abs 1 Nr 1a SGB VII nF eine bloß mittelbare überwiegende Beteiligung der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes an dem Unternehmen ausreichen. Die nach früherem Recht vorgesehene Ermessensentscheidung des Landes ist mit der Begründung der Regelzuständigkeit des Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand entfallen. Auch mit Blick auf diese abweichenden rechtlichen Gegebenheiten kann mit dem Hinweis auf eine denkbare Rückkehr zu dem alten Rechtszustand ab dem Jahr 2010 kein Rechtsschutzinteresse des beklagten Landes an der Überprüfung des angefochtenen Urteils begründet werden.
B. Die Revision der Beigeladenen zu 2 ist zulässig und begründet. Das LSG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.
Die im Berufungsverfahren zuletzt noch erhobene Feststellungsklage betreffend die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 ab ist unzulässig, was ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten ist (vgl BSGE 10, 218, 219; 42, 212, 215). Zwar hat das LSG die Umstellung des Klageantrags für zulässig erachtet (§ 99 Abs 3 Nr 2 iVm § 153 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Insoweit ist der Senat hieran gebunden (vgl § 99 Abs 4 SGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen hat das Revisionsgericht aber von Amts wegen zu prüfen.
Die Klage ist schon deshalb unzulässig, weil sie sich gegen den falschen Beklagten richtet. Nach den im Berufungsverfahren gestellten und im Revisionsverfahren aufrecht erhaltenen Anträgen ist Gegenstand der begehrten Feststellung das Bestehen eines Rechtsverhältnisses (Versicherungsverhältnisses) zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 bzw - als Kehrseite - das Nichtbestehen eines entsprechenden Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der unstreitig bis zum für sie zuständig gewesenen Beigeladenen zu 2. An beiden Rechtsverhältnissen ist der Beklagte nicht beteiligt. Er ist somit für die Feststellungsklage nicht passiv legitimiert.
Ihr Ziel, die Zuständigkeitsfrage mit Hilfe einer Feststellungsklage klären zu lassen, kann die Klägerin auch nicht durch einen Beklagtenwechsel erreichen, denn auch eine gegen die Beigeladene zu 2 gerichtete Feststellungsklage wäre unzulässig. Es kann deshalb offen bleiben, ob über eine solche Klage im laufenden Revisionsverfahren nach § 75 Abs 5 SGG entschieden werden könnte oder ob der Rechtsstreit zur Durchführung der notwendigen Klageänderung an das LSG zurückverwiesen werden müsste (§ 168 SGG).
Einer Feststellungsklage gegen die Beigeladene zu 2 steht der Grundsatz der Subsidiarität dieser Klageart gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen bzw ihren Sonderformen, den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, entgegen. Obwohl § 55 SGG, anders als § 43 Abs 2 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs 2 der Finanzgerichtsordnung, ein Nachrangverhältnis zwischen den Klagearten nicht ausdrücklich festlegt, ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren anerkannt, dass der Kläger eine gerichtliche Feststellung nicht verlangen kann, soweit er die Möglichkeit hat, seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Ein Feststellungsinteresse ist regelmäßig zu verneinen, wenn bereits im Rahmen der genannten anderen Klagearten über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen (ständige Rechtsprechung; vgl BSGE 58, 150, 152 f = SozR 1500 § 55 Nr 27 S 23 mwN; BSGE 73, 83, 84 = SozR 3-4100 § 58 Nr 5 S 11; BSG SozR 3-4427 § 5 Nr 1 S 6).
Mit einer Feststellungsklage allein kann die Klägerin den angestrebten Wechsel von der Beigeladenen zu 2 in die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 nicht erreichen. Zwar hat das UVSchVerbG die Notwendigkeit einer durch das Land zu treffenden Übernahmeentscheidung bei privatrechtlich organisierten Kommunalunternehmen beseitigt und es bei der Regelung der materiellen Voraussetzungen der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers im kommunalen Bereich in § 129 Abs 1 Nr 1a SGB VII belassen. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass ein aufgrund der Vorschrift erforderlicher Zuständigkeitswechsel unmittelbar kraft Gesetzes eintritt und eine dies feststellende Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung nur deklaratorische Bedeutung hätte. Schweigt das Gesetz zu der Frage, ab welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen zu einem materiell zuständig gewordenen Unfallversicherungsträger wechselt, die gesetzlich begründete Zuständigkeit also vollzogen wird, so erfolgt der Wechsel der Zugehörigkeit wegen des Grundsatzes der Katasterstetigkeit nicht automatisch mit Inkrafttreten der Norm, welche die materiellrechtliche Zuständigkeit ändert. Ebenso wie bei einer tatsächlichen Änderung eines Unternehmens bedarf es vielmehr einer Überweisung durch den bisher zuständig gewesenen Unfallversicherungsträger gemäß § 136 Abs 1 Satz 4 und 5 SGB VII (aA - Notwendigkeit einer gesetzlichen Festlegung des Zuständigkeitswechsels bei Rechtsänderungen - Leube in: Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, § 136 RdNr 27). Ein Leistungsbegehren auf Überweisung ist indes vorrangig gegenüber der erhobenen Feststellungsklage.
Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt allerdings bei Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt, weil angenommen werden kann, dass diese die Leistungsberechtigten angesichts ihrer in der Verfassung verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen werden (BSGE 10, 21, 24; BSGE 12, 44 46 = SozR Nr 73 zu § 54 SGG; BSGE 36, 111, 115 = SozR Nr 40 zu § 539 RVO; BSG SozR 3-2500 § 311 Nr 6 S 42; kritisch: Ulmer in: Hennig, SGG, Stand: 2005, § 55 RdNr 10, 11). Diese Ausnahme ist jedoch auf Fallgestaltungen beschränkt, bei denen erwartet werden kann, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt wird, die Gerichte also nicht noch einmal mit der Sache befasst werden müssen, um über weitere streitige Punkte zu entscheiden, die von der begehrten Feststellung nicht erfasst werden (BSG SozR 3-3300 § 38 Nr 2 S 13 mwN). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.
Ein feststellendes Urteil mit dem von der Klägerin beantragten Inhalt würde sich nur zur materiellrechtlichen Zuständigkeit der beteiligten Unfallversicherungsträger äußern, die formellen Voraussetzungen eines Zuständigkeitswechsels aber nicht behandeln. Im Falle einer rechtskräftigen Feststellung der Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 wäre deshalb ein weiterer Streit der Beteiligten darüber, ob das Unternehmen zu überweisen ist, nicht auszuschließen. Denn ein Unternehmen ist nicht bereits dann zu überweisen, wenn sich herausstellt, dass ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig ist, sondern erst dann, wenn die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig war oder sich die Zuständigkeit für das Unternehmen ändert (§ 136 Abs 1 Satz 4 iVm Abs 2 SGB VII). Dabei ist besonders zu beachten, dass § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII den Begriff der Unrichtigkeit erheblich einschränkt. Danach hat die Überweisung nur zu erfolgen, wenn die unrichtige Zuständigkeitsfeststellung den Zuständigkeitsregelungen "eindeutig" widerspricht oder das Festhalten daran zu "schwerwiegenden Unzuträglichkeiten" führen würde. Vor diesem Hintergrund erscheint es beispielsweise möglich, dass die Beigeladene zu 2 in einem die Klägerin betreffenden Überweisungsverfahren einwenden würde, dass sie ihre Zuständigkeit nicht "unrichtig" festgestellt (§ 136 Abs 1 Satz 4 Alt 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGB VII) und eine durch das Inkrafttreten des UVSchVerbG begründete Zuständigkeitsänderung die Zuständigkeit für das Unternehmen nicht iS des § 136 Abs 1 Satz 4 Alt 2 iVm Abs 2 Satz 2 SGB VII geändert habe. Die von der Klägerin geführte Feststellungsklage ist nach alledem nicht geeignet, den Streit zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen und bleibt deshalb unzulässig.
Die Klägerin könnte ihr Prozessziel schließlich auch nicht durch Umstellung auf einen gegen die Beigeladene zu 2 gerichteten Leistungsantrag auf Überweisung an den Beigeladenen zu 1 erreichen. Denn auch eine solche Klage wäre unzulässig. Sie müsste jedenfalls daran scheitern, dass die Beigeladene zu 2 zur Frage einer etwaigen Überweisung der Klägerin bisher keine Entscheidung getroffen hat. Ergibt sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses oder, wie im Fall des § 136 Abs 1 SGB VII, unmittelbar aus dem Gesetz, dass über den geltend gemachten Anspruch durch Verwaltungsakt zu befinden ist, scheidet eine direkte Leistungsklage aus (§ 54 Abs 5 SGG).
Eine Entscheidung durch Verwaltungsakt ist hier nicht ausnahmsweise im Hinblick auf die Regelung des § 75 Abs 5 SGG entbehrlich. Diese Vorschrift ermöglicht die Verurteilung eines beigeladenen Versicherungsträgers, wenn die Prüfung durch das Gericht ergibt, dass er und nicht der ursprünglich beklagte Versicherungsträger passiv legitimiert ist. Da in den Fällen des § 75 Abs 5 SGG allein das Gesetz die Grundlage für die Verurteilung abgibt, brauchen insoweit die Sachurteilsvoraussetzungen für eine Klage gegen den Beigeladenen nicht vorzuliegen, und einer vorherigen Ablehnung der begehrten Leistung durch Verwaltungsakt bedarf es nicht (BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG). Der Anwendungsbereich des § 75 Abs 5 SGG ist auch nicht auf Leistungsklagen beschränkt (BSGE 22, 174 = SozR Nr 28 zu § 75 SGG), so dass die prozessuale Ausgangssituation einer gegen den Beklagten gerichteten Feststellungsklage die Verurteilung der Beigeladenen zu 2 nicht hindern würde. Indessen erlaubt § 75 Abs 5 SGG dem Kläger nicht jede gewünschte Rechtsverfolgung gegen den beigeladenen Versicherungsträger. Nach Sinn und Zweck der Regelung kommt dessen Verurteilung nur in Betracht, wenn der gegen ihn gerichtete Anspruch an die Stelle des ursprünglich gegen den Beklagten gerichteten Anspruchs tritt. Die in Frage kommenden Ansprüche müssen in einer Wechselbeziehung derart stehen, dass bei Unzuständigkeit des einen Versicherungsträgers der andere die Leistung zu erbringen hat. Inhaltlich müssen sich die Leistungen zwar nicht decken, doch müssen Anspruchsgrund und Rechtsfolgen im Kern übereinstimmen, weil der in § 75 Abs 5 SGG verwirklichte Grundsatz der Prozessökonomie einen Verzicht auf das ansonsten zwingend vorgeschriebene Verwaltungsverfahren nur zu rechtfertigen vermag, wenn im Prozess gegen den Beigeladenen im Wesentlichen über dieselben Tat- und Rechtsfragen wie im Ausgangsverfahren gegen den Beklagten zu entscheiden ist (in diesem Sinne bereits BSGE 49, 143, 145 f = SozR 5090 § 6 Nr 4 S 4 f).
Nach diesen Maßstäben käme eine Verurteilung der Beigeladenen zu 2 zur Überweisung der Klägerin an den Beigeladenen zu 1 nicht in Betracht. Die (materielle) Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1, deren Feststellung mit der Klage begehrt wird, ist lediglich ein - wenn auch zentrales - Element des weiterreichenden Anspruchs auf Herbeiführung des erstrebten Zuständigkeitswechsels. Das gegen den Beklagten gerichtete Feststellungsbegehren unterscheidet sich nach Rechtsgrund und Rechtsfolgen wesentlich von einem gegen die Beigeladene zu 2 zu richtenden Anspruch auf Begründung der (formellen) Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 mittels Überweisung. Eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen den beiden Ansprüchen besteht nicht. Der in § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII geregelte Anspruch auf Überweisung setzt zwar das Bestehen der materiellen Zuständigkeit des aufnehmenden Versicherungsträgers voraus, hängt aber von weiteren Voraussetzungen ab, die im Rahmen der Feststellungsklage nicht zu prüfen waren. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Anspruch selbst dann zu verneinen, wenn die materielle Zuständigkeit des anderen Trägers gegeben ist. In dieser Situation ist für eine Anwendung des § 75 Abs 5 SGG kein Raum.
Das angegriffene Urteil konnte nach alledem keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum geltenden Fassung, die im vorliegenden Fall noch anzuwenden ist, weil die Klage vor dem SG vor dem 1. Januar 2002 rechtshängig geworden ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-61410