BSG Urteil v. - B 11a AL 23/06 R

Leitsatz

Für den Nichteintritt der Erstattungspflicht wegen Erfüllung der Voraussetzungen für eine anderweitige Sozialleistung ist maßgebend, ab welchem Zeitpunkt der Arbeitslose bei rechtzeitiger Antragstellung die Zahlung der anderweitigen Leistung erhalten kann.

Gesetze: AFG F: § 128 Abs 1 S 1 ; AFG F: § 128 Abs 1 S 2 ; AFG § 118 Abs 1 Nr 4; AFG § 242x Abs 6; SGB III § 147a Abs 1 S 1; SGB III § 147a Abs 1 S 2; SGB III § 142 Abs 1 Nr 4; SGB III § 431 Abs 1; SGB VI § 99 Abs 1 S 1

Instanzenzug: SG München S 34 AL 928/02 vom LSG München L 8 AL 36/05 vom

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Der am geborene Arbeitnehmer P. H. (H) war bei der Klägerin bzw ihrer Rechtsvorgängerin von April 1961 bis Ende Januar 1997 als Entwicklungsingenieur beschäftigt. H schied aus dem Arbeitsverhältnis auf Grund eines am geschlossenen Auflösungsvertrages aus.

Die Beklagte bewilligte und zahlte an H ab bis einschließlich Alg. Seit dem bezieht H Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Mit zwei Bescheiden vom 26. September 2001 forderte die Beklagte von der Klägerin Erstattung des an H gezahlten Alg sowie der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 59.220,50 DM (= 30.278,96 €) für den Zeitraum Februar bis Dezember 1997 und in Höhe von 71.816,04 DM (= 36.718,96 €) für den Zeitraum Januar 1998 bis einschließlich . Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom erklärt hatte, sie halte ihren Widerspruch nur noch aufrecht, soweit die Beklagte die Erstattung des Alg für den Zeitraum vom 24. bis geltend mache, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom den Widerspruch als unbegründet zurück.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom ). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Berufung sei zulässig; ein Ausschließungsgrund nach § 144 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liege nicht vor. Sie sei aber unbegründet; denn die Beklagte habe gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 AFG auch Anspruch auf Erstattung der an H für die Zeit 24. bis erbrachten Leistungen (677,16 DM Alg, 275,60 DM und 134,64 DM sowie 17,34 DM Beiträge zur Renten- und Kranken- bzw Pflegeversicherung, insgesamt 564,84 €). Die Erstattungspflicht sei nicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG ausgeschlossen. Auf die Ausnahmetatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 und Nr 5 AFG könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Beklagte habe auch zu Recht die Erstattung der nach dem erbrachten Leistungen gefordert; der Ausnahmetatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG wegen Erfüllung der Voraussetzungen für eine anderweitige Sozialleistung (hier Altersrente nach Vollendung des 60. Lebensjahres) greife nicht ein. § 128 Abs 1 Satz 2 AFG könne nicht so ausgelegt werden, dass die Erstattungspflicht bereits dann entfalle, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Sozialleistung erfüllt seien, ohne dass es, die Antragstellung unterstellt, auf einen Zahlungsanspruch ankomme. Unter Berücksichtigung des (BVerfGE 81, 156) liege eine Verantwortung des Arbeitgebers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht vor, wenn der Arbeitnehmer durch entsprechenden Antrag bei einem Sozialleistungsträger bewirken könne, dass er eine andere Sozialleistung mit der Folge des Ruhens des Alg-Anspruchs erhalte. Ein Ruhen des Anspruchs auf Alg trete im Falle der vorgezogenen Altersrente des H erst ab dem , dem Zahlungsbeginn nach § 99 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), ein. Hieraus folge zwingend, dass es auf den Zahlungsbeginn ankomme, der sich bei rechtzeitiger Antragstellung ergebe, nicht aber auf den Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die alternative Sozialleistung erfüllt seien.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift bestimme, dass die Erstattungspflicht bereits dann entfalle, wenn die Voraussetzungen für eine der bezeichneten Leistungen erfüllt seien. Damit werde ausdrücklich nicht darauf abgestellt, ob bzw ab wann die Leistungen tatsächlich gewährt würden. Der Gesetzgeber habe bewusst die sprachliche Differenzierung zwischen dem Eintritt der Voraussetzungen einerseits und dem Eintritt der Rechtsfolgen andererseits gewählt. Aus den Materialien zu § 128 AFG sei ersichtlich, dass es unerheblich sei, ob der Arbeitslose eine anderweitige Sozialleistung beziehe oder nicht. Wenn schon nicht erforderlich sei, dass überhaupt eine anderweitige Leistung fließe, dann könne erst recht nichts anderes gelten, wenn eine Altersrente auf Grund von § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI erst einige Tage nach Vollendung des maßgeblichen Geburtstages tatsächlich gewährt werde. Auch die systematische Auslegung spreche gegen die Auffassung des LSG, da sich der in § 128 AFG enthaltene Verweis allein auf § 118 Abs 1 AFG, nicht aber auf andere Vorschriften wie etwa § 99 SGB VI und auch nicht auf § 118 Abs 2 AFG beziehe. Diese systematische Auslegung werde gerade auch den Hinweisen des auf die besondere Verantwortung des Arbeitgebers gerecht; denn durch die verzögerte Auszahlung der Rente gemäß § 99 SGB VI werde der Staat begünstigt, was nicht zu Lasten des an diesem Vorgang prinzipiell unbeteiligten Arbeitgebers gehen könne (Hinweis auf Sozialgericht <SG> Bremen, Urteil vom , S 13 AL 132/00). Die gegenteilige Auffassung verstoße gegen Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG). Die Auffassung der Klägerin werde auch durch § 41 SGB VI gestützt, wonach ein Arbeitgeber mit seinem Arbeitnehmer vereinbaren könne, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Mitarbeiters ende. Dies bedeute, dass mit diesem Zeitpunkt und nicht dem Ablauf des Monats die arbeitgeberseitige Verantwortung ende. Wolle man demgegenüber bei § 128 AFG auch noch den Zeitraum zwischen Vollendung des 65. Lebensjahres und dem tatsächlichen Rentenbezug in die Verantwortung des Arbeitgebers einbeziehen, würde dies zu einem Wertungswiderspruch führen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das und das aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom insoweit aufzuheben, als Erstattung auch für die Zeit vom 24. bis verlangt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, auch in Bezug auf den Zeitraum 24. bis rechtmäßig.

Das LSG ist zu Recht von der Zulässigkeit der Berufung der Klägerin ausgegangen. Der vorliegende Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung der Beklagten fällt unter § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl, § 144 RdNr 10, 11). Der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt mit 564,84 € über der Grenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG. Die in diesem Betrag enthaltenen Beiträge sind im Rahmen der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung der Beklagten - anders als zB beim Streit um einen Anspruch auf Alg (vgl BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 2) - in die Wertberechnung einzubeziehen.

Das LSG hat auch zu Recht die allein noch streitige Frage bejaht, ob die Klägerin der Beklagten zur Erstattung des an H für die Zeit vom 24. bis gezahlten Alg bzw der hierauf entfallenden Beiträge in der Gesamthöhe von 564,84 € verpflichtet ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin liegen vor.

Grundlage für die Verpflichtung der Klägerin, Alg und hierauf entfallende Beiträge zu erstatten, ist § 128 Abs 1 und 4 AFG (idF, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom , BGBl I 1824, erhalten hat). Dies folgt trotz der Aufhebung des § 128 AFG durch Art 11 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) mit Wirkung ab (Art 83 Abs 3 AFRG) und der Einführung des § 147a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erst ab aus § 431 Abs 1 SGB III, der die Geltung der Übergangsvorschrift zum AFRG in § 242x Abs 6 AFG weiterhin anordnet; § 431 Abs 2 SGB III ist demgegenüber nicht anwendbar (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom , B 7a AL 32/05 R, SozR 4-4100 § 128 Nr 5, RdNr 13). Nach § 242x Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG ist § 128 AFG weiterhin anzuwenden, wenn die Erstattung Leistungen für Personen betrifft, die innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage vor dem in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden haben. Dies war bei H der Fall.

Nach § 128 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 AFG iVm § 431 Abs 1 SGB III erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (BA) - inzwischen Bundesagentur für Arbeit - vierteljährlich das Alg unter Einschluss darauf entfallender Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- sowie zur sozialen Pflegeversicherung für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 728 Tage (§ 431 Abs 1 Satz 2 SGB III). Der im Januar 1939 geborene H hat bei der Klägerin bzw deren Rechtsvorgängerin von 1961 bis 1997 durchgehend in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden (zur Zurechnung von Beschäftigungszeiten in Fällen des Betriebsübergangs vgl zuletzt BSG SozR 4-4100 § 128 Nr 5 RdNr 16 ff mwN). Die Erstattungsforderung bezieht sich auf das H ab gewährte Alg bzw hierauf entfallende Beiträge und damit ausschließlich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen. Auch die Höchstdauer, für die eine Erstattung längstens in Betracht kommt, ist nicht überschritten. Im Gegenteil hat die Beklagte die Erstattungsforderung lediglich auf die Zeit von 624 Tagen (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 AFG) beschränkt, was den Endzeitpunkt erklärt.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ausnahmetatbestände nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 oder Nr 5 AFG (vgl inzwischen § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 4 und 5 SGB III) oder auch nach § 128 Abs 2 AFG nicht eingreifen. Gegen diese Beurteilung werden auch von der Klägerin, die ja den weitaus überwiegenden Teil der von der BA geltend gemachten Erstattungsforderung als rechtmäßig anerkannt hat, keine Einwendungen erhoben. Als sachgerecht anzusehen ist ebenfalls, dass das LSG die Frage offen gelassen hat, ob infolge des geschlossenen Auflösungsvertrages eine Sperrzeit eingetreten sein könnte; denn auch wenn dies der Fall gewesen wäre, würde dies unter Berücksichtigung der H insgesamt zustehenden Anspruchsdauer nichts daran ändern, dass H im streitgegenständlichen Zeitraum Alg zu Recht bezogen hat.

Nicht zu beanstanden ist schließlich die Auffassung des LSG, dass die Erstattungspflicht für die Zeit vom 24. bis nicht deswegen entfällt, weil der am geborene H zu dieser Zeit bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatte und ihm deswegen eine allerdings erst ab zahlbare Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 38 SGB VI in der 1999 geltenden Fassung zustand. Zwar tritt nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG ähnlich wie nunmehr nach § 147a Abs 1 Satz 2 SGB III die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitslose (ua) die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG (bzw § 142 Abs 1 Nr 2 bis 4 SGB III) genannten Leistungen - zu denen die Altersrente gemäß § 38 SGB VI zählt - erfüllt. Diese Ausnahmeregelung ist jedoch nach ihrem Sinn und Zweck so zu verstehen, dass die Erstattungspflicht nur für den Zeitraum entfällt, für den der Arbeitslose bei rechtzeitiger Antragstellung die Zahlung der anderweitigen Leistung erhalten kann.

Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der auf anderweitige Sozialleistungen abstellende Ausnahmetatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG wesentlich auf die Rechtsprechung des (BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) zurückgeht. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung die als Voraussetzung der Erstattungspflicht geforderte besondere Verantwortung des Arbeitgebers dann als nicht gegeben angesehen, wenn der ältere Arbeitnehmer Anspruch auf soziale Sicherung aus einem anderen Sozialleistungssystem als dem der Arbeitslosenversicherung hat oder jedenfalls bei entsprechender Antragstellung haben würde; in einem solchen Fall - so das BVerfG - trete nicht eigentlich Arbeitslosigkeit ein, sondern es realisiere sich ein Risiko, das vorrangig von anderen Systemen sozialer Sicherung abzudecken sei (vgl SozR 3-4100 aaO S 13). Es hat in diesem Zusammenhang auf die zugleich mit der Neufassung des § 128 AFG erlassene Vorschrift des § 1395b Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum geltenden Fassung (BGBl I 1306) verwiesen, wonach der Arbeitgeber, der zur Erstattung von Alg oder Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach § 128 AFG herangezogen wird, dem Träger der Rentenversicherung auch das dem Versicherten nach § 1248 Abs 2 RVO gezahlte Arbeitslosen-Altersruhegeld zu erstatten habe. Dort habe der Gesetzgeber das Problem des Verantwortungsbereichs des Arbeitgebers gesehen und dergestalt in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise gelöst, dass er § 1395b Abs 1 Satz 1 RVO die Einschränkung angefügt habe: "es sei denn, der Versicherte erfüllt auch die Voraussetzungen für eine andere Versichertenrente oder eine Knappschaftsausgleichsleistung". Nach dieser Regelung sei also nicht erforderlich, dass der Versicherte die andere Rentenart beantragt habe. Es reiche aus, dass die Voraussetzungen für die andere Rentenart dem Grunde nach vorlägen, was der Rentenversicherungsträger vor der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegen den Arbeitgeber von Amts wegen festzustellen habe (vgl SozR 3-4100 aaO S 14 unter Hinweis auf Verbandskomm, Stand: , Anm 4 zu § 1395b RVO/§ 117b Angestelltenversicherungsgesetz). Erfüllte der Versicherte erst zu einem späteren Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen für eine andere Versichertenrente, so entfiel die Erstattungspflicht des Arbeitgebers - wie der vom BVerfG zitierten Kommentar-Literatur zu entnehmen ist (vgl Verbandskomm, Stand: Januar 1987, Anm 4 zu § 1395b) - ab diesem Zeitpunkt, wobei sich gemäß § 1395b Abs 1 Satz 1 RVO der Zeitraum für die Erstattung nach vollen Kalendermonaten bestimmte und maßgeblicher Zeitraum für den Beginn des Erstattungszeitraums der Rentenbeginn war (vgl Verbandskomm aaO Anm 7).

Im Rückgriff auf diese rentenrechtliche Regelung hat es das BVerfG für verfassungsrechtlich geboten erachtet, § 128 AFG in entsprechender Weise einzuschränken. Daher müsse die Erstattungspflicht entfallen, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung erfülle, "bei deren Zuerkennung kein Anspruch auf Auszahlung von Alg oder Alhi bestehen würde". Entscheidend für das Nichtbestehen der besonderen Verantwortung des Arbeitgebers und damit für den Nichteintritt der Erstattungspflicht ist also, dass das sich realisierende Risiko anderweitig abgedeckt wird, sodass die Arbeitslosenversicherung nicht, wie es an sich Folge des Verlustes des Arbeitsplatzes wäre, eingreifen muss. Von einer anderweitigen Abdeckung des Risikos kann aber erst die Rede sein, wenn der Arbeitslose - einen ordnungsgemäßen Antrag unterstellt - auch wirklich die anderweitige Leistung erhalten kann.

Die somit nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebotene Auslegung des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG iVm § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG, dass vom Arbeitgeber Alg nur für den Zeitraum nicht zu erstatten ist, für den der Arbeitslose bei rechtzeitiger Antragstellung die Leistung erhalten kann, lässt sich eindeutig mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren. Denn unter Berücksichtigung der für den Gesetzgeber maßgebenden Rechtsprechung des BVerfG (vgl BT-Drucks 12/3211 S 24 ff) wird - entsprechend der Regelung des § 1395b Abs 1 Satz 1 RVO - mit der Formulierung, der Arbeitslose müsse "die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 genannten Leistungen" erfüllen, nur sichergestellt, dass die Erstattungspflicht grundsätzlich auch dann entfällt, wenn der Arbeitslose die Leistung nicht beantragt. Es ist also nicht - wie bei der Ruhensvorschrift in § 118 Abs 1 AFG (jetzt: § 142 Abs 1 SGB III) - erforderlich, dass die (beantragte) anderweitige Leistung "zuerkannt" ist (vgl Rolfs in Gagel, SGB III, § 147a RdNr 84; zum Begriff der zuerkannten Leistung vgl BSGE 70, 51, 52 = SozR 3-4100 § 118 Nr 3; BSGE 89, 13, 15 = SozR 3-4300 § 142 Nr 1). Zu einer Abdeckung des anderweitig abgesicherten Risikos genügt es vielmehr, dass - unabhängig davon, ob ein Antrag gestellt ist oder nicht - objektiv die Voraussetzungen für die anderweitige Leistung vorliegen oder - wie es das BVerfG (BVerfG SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 14) ausgedrückt hat - bei ihrer Zuerkennung kein Anspruch auf Alg bestehen würde (vgl Rolfs in Gagel, aaO; Wissing, NZA 1993, 385, 386). Da eine Rente aus eigener Versicherung gemäß § 99 Abs 1 SGB VI ab dem Monat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, geleistet wird, entfällt die Erstattungspflicht nicht schon mit Vollendung des entsprechenden Lebensjahres (hier: ab ), sondern erst mit dem darauf folgenden Monatsbeginn (vgl BSG SozR 3-2600 § 99 Nr 5, S 27; in diesem Sinne auch , SozR 3-4100 § 128 Nr 13 S 113, 116 und vom 16. Oktober 2003, B 11 AL 1/03 R, SozR 4-4300 § 147a Nr 1 RdNr 3; ebenso Pawlak in Eicher/Schlegel, SGB III, § 147a RdNr 164; Rolfs in Gagel, SGB III, § 147a RdNr 91).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen kann die Revision nicht mit ihrem Vorbringen durchdringen, es könne, wenn schon das Fließen der Leistung nicht erforderlich sei, erst recht nichts anderes gelten, wenn eine Rente auf Grund von § 99 SGB VI erst einige Tage nach der Vollendung des maßgeblichen Geburtstags tatsächlich gewährt werde. Denn auch für den Fall, dass der Antrag nicht oder nicht rechtzeitig gestellt wird, ist für den genauen Zeitpunkt des Nichteintritts der Erstattungspflicht die Möglichkeit des Erhalts der Leistung entscheidend. Hätte H also im vorliegenden Fall die Rente trotz der Erfüllung der Voraussetzungen des § 38 SGB VI nicht beantragt und folglich nicht ab erhalten, wäre die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG auch nicht etwa schon ab Vollendung des 60. Lebensjahres, sondern erst ab dem frühestmöglichen Rentenbeginn entfallen.

Für eine andere Auslegung des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG sprechen auch nicht die weiteren von der Revision angeführten Argumente, die im Wesentlichen den Entscheidungen des und S 13 AL 132/00, und im Anschluss daran dem Aufsatz von Lunk (NZA 2001, 648 ff) folgen. So kann ein Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG nicht mit der Erwägung begründet werden, die verzögerte Auszahlung der Rente gemäß § 99 SGB VI begünstige "den Staat" und dies könne nicht zu Lasten des "an diesem Vorgang prinzipiell unbeteiligten Arbeitgebers" gehen. Denn das BVerfG hat in der Entscheidung vom im Rahmen der Prüfung des Art 12 Abs 1 GG ausdrücklich - wie ausgeführt - auf den Gesichtspunkt der anderweitigen Abdeckung des Risikos abgestellt; insofern ist von der den tatsächlichen Rentenbeginn regelnden Vorschrift des § 99 SGB VI, für die Gründe der Verwaltungspraktikabilität sprechen, auszugehen (vgl auch § 1290 Abs 1 Satz 1 RVO, wonach die Rente "vom Ablauf des Monats" an zu gewähren war, in dem seine Voraussetzungen erfüllt waren). Im Übrigen ist ein Wertungswiderspruch zu § 41 Satz 2 SGB VI, wonach eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses uU als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen gilt, im Hinblick auf die korrespondierende Regelung in § 117 Abs 2 SGB III sowie den besonderen Zweck des § 41 SGB VI (vgl Gürtner in Kasseler Kommentar, § 41 SGB VI RdNr 3) nicht zu erkennen.

Die Revision bleibt somit ohne Erfolg. Soweit das LSG im angefochtenen Urteil am Ende seine Kostenentscheidung auf § 193 SGG stützt, handelt es sich nur um eine versehentlich unrichtige Bezeichnung und nicht um eine in der Sache falsche Entscheidung, sodass davon abgesehen werden kann, das Urteil insoweit zu ändern.

Die Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Fundstelle(n):
AAAAC-61406