BSG Beschluss v. - B 3 SF 1/07 R

Leitsatz

1. Für die Klage einer Krankenkasse gegen einen Apotheker auf Rückzahlung der Vergütung wegen Abrechnung gefälschter Arzneimittelverordnungen ist der Sozialrechtsweg eröffnet.

2. Der Streitwert für das Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde ist in der Regel auf ein Fünftel des Wertes der Hauptsache festzusetzen.

Gesetze: GVG § 13; SGG § 51; GKG J: 2004 § 52 ; SGB V § 69 S 1

Instanzenzug: SG Koblenz S 12 KR 539/06 vom LSG Mainz L 5 B 162/07 KR vom

Gründe

I

Streitig ist der Rechtsweg für die Klage einer Krankenkasse gegen einen Apotheker auf Rückzahlung der Vergütung für Arzneimittel, die aufgrund gefälschter Rezepte abgegeben worden sein sollen.

Die Klägerin hat dem Beklagten, der bis Ende Juli 2006 eine Apotheke in Koblenz betrieben hat, für im März 2004 und Februar 2005 erfolgte Lieferungen des Arzneimittels Norditropin SimpleXx 15 mg N1 in elf Fällen insgesamt 81.969,50 Euro gezahlt. Dabei handelt es sich um ein Wachstumspräparat, das vornehmlich bei Kleinwüchsigkeit von Kindern eingesetzt wird. In der Bodybuilder-Szene wird das Präparat indes zur Förderung des Muskelaufbaus benutzt, darf von den Vertragsärzten für diesen Zweck aber nicht verschrieben werden. Die Klägerin behauptet, alle elf "vertragsärztlichen Verordnungen" seien gefälscht gewesen, wie sich bei einer späteren Überprüfung der Abrechnungen herausgestellt habe. Die Fälschungen seien für einen Apotheker aufgrund mehrerer Auffälligkeiten ohne Weiteres erkennbar gewesen. Der Beklagte habe aber nicht nur fahrlässig, sondern nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sogar vorsätzlich gehandelt; denn er habe mit dem ihm bekannten Fitnessstudio-Betreiber und Bodybuilder C.W., der die gefälschten Rezepte vorgelegt und die Präparate zwecks Weiterverkaufs in der Bodybuilder-Szene erhalten habe, zu ihrem Nachteil zusammengearbeitet.

Mit der am beim Sozialgericht Koblenz (SG) erhobenen Klage macht die Klägerin gegen den Beklagten, gesamtschuldnerisch haftend mit C.W., einen Anspruch auf Zahlung von 81.969,50 Euro geltend. Sie stützt ihr Begehren auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen den Arzneiliefervertrag, auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung sowie auf ein "Rückforderungsverlangen wegen Zahlung ohne Rechtsgrund". Auf ihren Antrag, vorab über den zulässigen Rechtsweg zu entscheiden, hat das SG gemäß § 17a Abs 2 Satz 1 GVG nach Anhörung der Beteiligten, die beide den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für gegeben halten, diesen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das - bei Zulässigkeit des Zivilrechtsweges - sachlich und örtlich zuständige Landgericht Koblenz (LG) verwiesen (Beschluss vom ). Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen (Beschluss vom ). Es hat ausgeführt, für den Rechtsstreit sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG eröffnet. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen zivil- und sozialgerichtlichen Streitigkeiten sei die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch schwerpunktmäßig hergeleitet werde. Bei dem von der Klägerin in erster Linie geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung (§§ 823 ff BGB) handele es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten weder gemäß § 51 SGG noch durch spezialgesetzliche Zuweisung eröffnet sei. Zwar schließe der auf Landesebene geschlossene öffentlich-rechtliche Arzneiliefervertrag Vergütungsansprüche des Apothekers für die Abgabe von Arzneimitteln auf gefälschte Verschreibungen aus, sofern der Apotheker die Fälschung gekannt habe oder bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Das hieraus vertraglich allein resultierende (befristete) Taxbeanstandungsrecht der Krankenkasse, das auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch beruhe, sei aber nicht Gegenstand der vorliegenden Klage; ein sonstiger Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen den nicht vertragsgemäß handelnden Apotheker sei vertraglich nicht geregelt. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits liege daher nicht bei der Anwendung des öffentlich-rechtlichen Arzneiliefervertrages.

Mit der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassenen weiteren Beschwerde (§ 17a Abs 4 Satz 4 und 5 GVG) macht der Beklagte geltend, die Klägerin stütze ihr Klagebegehren im Schwerpunkt auf die - von ihm bestrittene - Verletzung von Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Arzneiliefervertrag und leite daraus Ansprüche auf vertraglichen Schadensersatz sowie einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch her. Damit handele es sich um eine den Sozialgerichten zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Daran ändere sich auch nichts durch die daneben geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB, weil diese ebenfalls auf den angeblichen Pflichtverletzungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Leistungserbringerverhältnisses beruhten. Der vorgetragene Sachverhalt sei deshalb für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Sozialrechts geprägt.

Der Beklagte beantragt,

die Beschlüsse des und des aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.

Die Klägerin hat sich weder zu der Beschwerde des Beklagten noch zu dessen weiterer Beschwerde geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

II

Die weitere Beschwerde, über die der Senat ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entscheiden konnte (§§ 12 Abs 1 Satz 2, 153 Abs 1, 165 SGG), ist nach den §§ 177 und 202 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 4 GVG statthaft, weil das LSG den Rechtsbehelf zugelassen hat und die Entscheidung für das Bundessozialgericht (BSG) bindend ist (§ 202 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 6 GVG). Sie ist auch fristgerecht erhoben worden, weil sie in entsprechender Anwendung des § 173 SGG sowohl beim LSG als auch beim BSG eingelegt werden konnte (BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 51 RdNr 61) und beim LSG innerhalb der Monatsfrist eingegangen ist.

In der Sache erweist sich die weitere Beschwerde auch als begründet. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen den ordentlichen Rechtsweg (§ 13 GVG) für eröffnet gehalten. Der Rechtsstreit ist öffentlich-rechtlicher Natur und gehört zum Zuständigkeitsbereich der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 SGG). Die Klägerin hat die Klage daher zu Recht vor dem SG Koblenz erhoben.

1. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmSOGB, BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2 = NJW 1974, 2087; GmSOGB, BGHZ 97, 312 = SozR 1500 § 51 Nr 39 und BGHZ 102, 280, 283 = SozR 1500 § 51 Nr 47; BSGE 72, 148, 151 = SozR 3-2500 § 15 Nr 1; BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BSG, SozR 3-8570 § 17 Nr 1; BGHZ 89, 250, 251). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 51 SGG. Diese Abgrenzung ist von der Sache her zu treffen. Ausgangspunkt für die Prüfung muss deshalb die Frage sein, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt ist (BSG aaO; BGH aaO). Die bürgerlich-rechtliche Natur eines Klageanspruchs kann sich demgemäß nicht schon daraus ergeben, dass das prozessuale Begehren, wie zum Teil hier, auf die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen der unerlaubten Handlung gestützt wird. Auch wenn ein Anspruch mit bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten begründet wird, kann es sich in Wahrheit um einen Anspruch aus öffentlich-rechtlichen Beziehungen handeln, für den der Zivilrechtsweg verschlossen ist. Deshalb ist entscheidend darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird (vgl BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BGHZ 89, 250, 252; BGHZ 103, 255, 256). Die in dieser Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das Streitverhältnis in diejenige Verfahrensordnung, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und bewirkt zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet sind (BGHZ 89, 250, 252).

2. Gemessen hieran ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (§ 51 SGG). Die Klägerin erhebt gegen den Beklagten den Vorwurf der unberechtigten Abrechnung des Arzneimittels Norditropin SimpleXx 15mg N1 in elf Fällen aufgrund "vertragsärztlicher Verordnungen", deren Fälschung er gekannt habe, zumindest aber bei pflichtgemäßer Überprüfung hätte erkennen können und müssen, sodass ein Vergütungsanspruch unter Berücksichtigung der Regelungen des zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz e.V. und den Landesverbänden der Krankenkassen Rheinland-Pfalz geschlossenen Arzneiliefervertrages vom (Landesvertrag) nicht entstanden sei. Nach § 3 Abs 1 Satz 5 und § 11 Abs 1 Satz 3 Landesvertrag besteht kein Anspruch auf Bezahlung von Arzneimitteln bei gefälschten Verordnungen, sofern der Apotheker die Fälschung erkannt hat oder bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Gleiches gilt bei Verordnungen mit missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern. Die Klägerin fordert die in Höhe von 81.969,50 Euro gewährte Vergütung zurück und begehrt damit die Rückabwicklung der streitigen Zahlungsvorgänge. Unabhängig von den Rechtsnormen, auf die eine Klage auf Rückzahlung erbrachter Vergütungsleistungen gestützt wird, gehört ein Rechtsstreit schon dann dem öffentlichen Recht an, wenn über die Rückabwicklung von Leistungen aus Rechtsverhältnissen gestritten wird, die dem öffentlichen Recht unterstellt sind. Auf Rückabwicklung gerichtete Ansprüche kehren die vermeintlichen Leistungsansprüche gleichsam um; dementsprechend teilen sie die Rechtsqualität des Anspruchs, den sie umkehren (BSGE 54, 286, 288 = SozR 3870 § 8 Nr 1; BSG, SozR 1200 § 31 Nr 1; BSGE 85, 92, 94 = SozR 3-1300 § 48 Nr 68; BVerwGE 84, 274, 276; BGHZ 71, 180, 182). Die streitigen Zahlungen sind hier im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vertragsbeziehungen erfolgt, die dem Sozialrecht zuzuordnen sind. Deshalb ist das Begehren auf Rückabwicklung der Leistungsverhältnisse den Sozialgerichten zugewiesen.

a) Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden sind seit der Neufassung des § 69 Satz 1 SGB V zum durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom (BGBl I 2626) ausschließlich dem öffentlichen Recht zugeordnet (vgl BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1). Die Vorschriften des BGB gelten nach § 69 Satz 3 SGB V (ab inhaltsgleich § 69 Satz 4 SGB V, vgl GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom , BGBl I 378) nur "entsprechend", soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem 4. Kapitel des SGB V (§§ 69 bis 140h) vereinbar sind. Demgemäß gilt die gesetzliche Einstufung der Rechtsbeziehungen als ausschließlich öffentlich-rechtlich nicht nur für den Landesvertrag nach § 129 Abs 5 SGB V vom , sondern auch für die - von den Beteiligten bisher nicht erwähnten - Kaufverträge, die bei der Belieferung der Versicherten mit den vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln zwischen dem Apotheker und der Krankenkasse jeweils abgeschlossen werden (vgl BSGE 94, 213, 215 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1 RdNr 9 ff; BSG, SozR 4-2500 § 129 Nr 1 RdNr 12, Nr 2 RdNr 20 und Nr 3 RdNr 10) und den Rechtsgrund (§ 433 Abs 2 BGB analog) für die von der Krankenkasse im Rahmen der monatlichen Abrechnung zu zahlende Vergütung für die im Vormonat abgegebenen Arzneimittel (§§ 19, 21 Landesvertrag) darstellen. Die im Vorfeld und bei dem Abschluss dieser öffentlich-rechtlichen Kaufverträge einzuhaltenden Prüfungs- und Sorgfaltspflichten sind im Landesvertrag konkretisiert. Ein Rechtsstreit um die Rückabwicklung solcher Kaufpreiszahlungen ist daher ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur.

b) Nicht entscheidend ist demgegenüber, auf welche Anspruchsgrundlagen die Klägerin ihr Rückzahlungsverlangen stützt und welche dieser Anspruchsgrundlagen am ehesten geeignet erscheint, der Klage zum Erfolg zu verhelfen. Die Auffassung des LSG, im vorliegenden Fall seien weder ein Schadensersatzanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag noch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ersichtlich, weil nach den Regelungen des Landesvertrages bei sachlicher Unrichtigkeit einer Abrechnung nur ein - hier nicht geltend gemachtes - besonderes Taxbeanstandungsrecht der Krankenkassen vorgesehen sei (§ 23 Abs 2 Landesvertrag), sodass allein zivilrechtlich zu beurteilende deliktische Schadensersatzansprüche (§§ 823 ff BGB) in Betracht kämen, kann daher nicht den Zivilrechtsweg begründen. Die Auffassung lässt außer Acht, dass sämtliche vorgetragenen Anspruchsgrundlagen allein dem Ziel dienen, die gezahlten Vergütungen zurückzuerlangen, es also der Sache nach um die Rückabwicklung öffentlich-rechtlicher Zahlungsvorgänge geht. Das Gericht hat dabei das Klagebegehren unter allen nach dem vorgetragenen Sachverhalt in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Ob das Rückzahlungsverlangen letztlich nach den Vorschriften über die Verletzung öffentlich-rechtlicher Verträge, nach Deliktsrecht oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs berechtigt ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, kann aber für die Einordnung des Rückzahlungsbegehrens als zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht maßgebend sein (vgl insoweit auch BGH, Agrarrecht 1995, 27 zur vergleichbaren Situation bei besonderen landwirtschaftsrechtlichen Zuständigkeiten).

3. Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15 und 27; BVerwGE 103, 26, 32; BGH, NJW 1993, 2541) beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in entsprechender Anwendung. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt und teils unterliegt. Der Beklagte hat die Beschwerde gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Koblenz durch den und die weitere Beschwerde gegen den diese Entscheidung bestätigenden allein eingelegt und ist mit dem Rechtsbehelf erfolgreich gewesen. Die Klägerin hat demgegenüber zu Recht die Klage beim SG Koblenz erhoben und auch keine Anträge auf Zurückweisung der Beschwerde und der weiteren Beschwerde gestellt. Beide Beteiligten waren damit - jeder auf seine Weise - in der Rechtswegfrage "erfolgreich". Ein "Unterliegen" eines Beteiligten ist nicht ersichtlich. Für eine solche Situation findet sich im Kostenrecht keine Regelung. Ein beiderseitiges "Obsiegen" ist jedoch am ehesten mit einer Entscheidung vergleichbar, in der die Beteiligten je zur Hälfte mit ihren gegensätzlichen Anträgen erfolgreich bzw erfolglos gewesen sind, sie also "in gleichem Umfang" Erfolg hatten. Deshalb erschien es angemessen, in Analogie zu § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO den Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Von der Möglichkeit, die Kosten gegeneinander aufzuheben, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil dies den Beklagten als alleinigen Beschwerdeführer mit Blick auf die dann von ihm allein zu tragenden außergerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten unangemessen benachteiligt hätte.

4. Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat das LSG auf 16.400 Euro (1/5 des Hauptsachewertes) festgesetzt. Diese Festsetzung ist für das vorliegende weitere Beschwerdeverfahren zu übernehmen. In der Rechtsprechung werden zum Beschwerdewert bei Rechtswegverweisungen unterschiedliche Positionen vertreten: voller Hauptsachewert (OLG Köln, OLG-Report 1993, 140, 141; LAG Köln, MDR 1993, 915); Bruchteil des vollen Hauptsachewertes in der Größenordnung von 1/2 (OLG Köln, OLG-Report 1997, 228; OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 776), von 1/3 (OLG Köln, VersR 1994, 498, 499; OLG Frankfurt a.M., OLG-Report 1994, 119; BayObLG, WoM 1999, 232) bzw 1/5 (OLG Naumburg, OLG-Report 1997, 356; OLG Rostock, OLG-Report 2005, 720); Orientierung am Kosteninteresse (OLG Karlsruhe, MDR 1994, 415; OLG Braunschweig, DAR 1993, 390, 391; zusammenfassende Darstellung des Meinungsstandes bei Schneider/Herget, Streitwertkomm, 12. Aufl 2007, RdNr 4673 - 4677). Der BGH hat diese Frage dahin entschieden, dass ein Bruchteil des Hauptsachewertes maßgeblich ist, wobei Schwankungen in einer Größenordnung von etwa 1/3 bis 1/5 denkbar sind (BGH, NJW 1997, 1636, 1637 und NJW 1998, 909). Der Senat schließt sich dem mit der Maßgabe an, dass in der Regel von 1/5 des Hauptsachewerts auszugehen ist. Hierfür ist insbesondere die Erwägung maßgebend, dass nach der Neugestaltung des Verweisungsverfahrens zum durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz vom (BGBl I 2809) die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht mehr zur Klageabweisung durch Prozessurteil führen kann. Vielmehr hat die Verweisung nach § 17a Abs 2 Satz 1 GVG von Amts wegen stattzufinden; ein Antrag des Klägers ist nicht mehr erforderlich (BAGE 83, 40 = AP Nr 1 zu § 2 ArbGG 1979). Deshalb ist es sachlich nicht gerechtfertigt, das Interesse des Rechtsbehelfsführers im Beschwerdeverfahren, den Rechtsstreit in dem seiner Meinung nach eröffneten Gerichtszweig zu entscheiden, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleich zu bewerten. Das Rechtsweginteresse ist vielmehr deutlich niedriger anzusetzen, wobei aus Gründen der Praktikabilität die Orientierung an einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu erfolgen hat (ebenso BGH, NJW 1997, 1636, 1637; OLG Köln, VersR 1994, 498, 500). Dabei reicht in der Regel und auch im vorliegenden Verfahren ein Streitwert am unteren Ende der Spanne von 1/3 bis 1/5 des Hauptsachewertes aus.

Fundstelle(n):
SAAAC-60415