Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nach den gezahlten Arbeitslöhnen und Verkauf von Betriebsstätten
Leitsatz
Der Regelzerlegungsmaßstab des § 29 GewStG ist auch dann anzuwenden, wenn der Gewerbeertrag insbesondere infolge der Auflösung der stillen Reserven im Zuge der Veräußerung des wesentlichen Teils des Geschäftsbetriebs erzielt wird und die Veräußerung am 2. Januar des Erhebungszeitraums erfolgt. Für die Anwendung des Regelmaßstabs ist unerheblich, wann oder wie lange die Betriebsstätte im Erhebungszeitraum bestanden hat. § 33 GewStG kann nicht die Funktion zugewiesen werden, die Folgen des ertragsteuerrechtlichen Realisationsprinzips und der Abschnittsbesteuerung bei der Zerlegung des Gewerbesteuer-Messbetrags auszugleichen .
Gesetze: GewStG § 29 Abs. 1, GewStG § 33
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags in der Situation eines Unternehmensteilverkaufs zu Beginn eines Erhebungszeitraums.
Die Beigeladene zu 1., eine GmbH, betrieb Verkaufsgeschäfte für Backwaren in verschiedenen Gemeinden; an ihrem Sitzort auf dem Gebiet der Klägerin, einer Stadt, befand sich die Unternehmenszentrale ohne Verkaufsgeschäft. Durch Unternehmenskaufvertrag veräußerte die GmbH den wesentlichen Teil ihres Geschäftsbetriebs zum . Die Verkaufsgeschäfte mit Standorten auf dem Gebiet der Beigeladenen und Revisionsklägerin zu 1., der Beigeladenen und Revisionsklägerin zu 2., und der Beigeladenen zu 2. bis 6., sämtlich kommunale Gebietskörperschaften, wurden zum unmittelbar von der Unternehmenskäuferin unter Eintritt in alle bestehenden Verträge mit den Angestellten und Arbeitern (§ 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) weiterbetrieben. Im streitigen Erhebungszeitraum (1996) erzielte die GmbH insbesondere infolge der Auflösung der stillen Reserven im Zuge des Unternehmensteilverkaufs einen Gewerbeertrag von 13 585 667 DM; der Personalaufwand (Geschäftsführer-Vergütung) in 1996 (1. Januar bis 31. Dezember) belief sich auf 40 711 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) führte eine Zerlegung des Gewerbesteuer-Messbetrages der GmbH nach dem Verhältnis des Personalaufwands 1996 und der in 1995 in den Verkaufsgeschäften angefallenen Arbeitslöhne auf die Klägerin, die Revisionsklägerinnen und die Beigeladenen zu 2. bis 6. durch.
Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat der gegen den Bescheid über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags gerichteten Klage durch Urteil vom 6 K 420/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1348) teilweise stattgegeben. Es nahm eine Zerlegung nach dem Verhältnis des Personalaufwands 1996 auf die Beteiligten vor; dabei wurde für die Zentrale die Geschäftsführer-Vergütung 1996 und für die Verkaufsgeschäfte (als von der GmbH geschuldeter Arbeitslohn) ein Betrag von 2/365 der in 1995 in den Verkaufsgeschäften angefallenen Arbeitslöhne in die Berechnung einbezogen.
Die Revisionsklägerinnen rügen eine Verletzung materiellen Rechts und beantragen, das Urteil des FG Baden-Württemberg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das FA und die weiteren Verfahrensbeteiligten haben keine Anträge gestellt.
II. Die Revisionen sind unbegründet und waren daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Revisionsklägerinnen können aufgrund des in § 29 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorgegebenen Zerlegungsmaßstabs keinen höheren Zerlegungsanteil beanspruchen; die Voraussetzungen einer Zerlegung in besonderen Fällen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG sind nicht erfüllt.
1. Sind im Erhebungszeitraum (dem Kalenderjahr, § 14 GewStG) Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, so ist der Steuermessbetrag gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. Zwar sollen die Gemeinden, in denen Betriebsstätten unterhalten werden, durch die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags einen finanziellen Ausgleich für diejenigen Lasten erhalten, die ihnen durch die Betriebsstätten erwachsen. Weil sich jedoch die tatsächliche Höhe dieser Lasten (wenn überhaupt) nur mit großem Aufwand und auch dann in der Regel nur ungenau ermitteln lässt, hat sich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 29 Abs. 1 GewStG bewusst für einen indirekten und groben Zerlegungsmaßstab entschieden.
Zerlegungsmaßstab ist gemäß § 29 Abs. 1 GewStG das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Dabei sind gemäß § 29 Abs. 2 GewStG die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden während des betreffenden Erhebungszeitraums erzielt oder gezahlt worden sind. Betriebsstätte in diesem Sinne ist jede feste Einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient (§ 12 Satz 1 der Abgabenordnung —AO—; vgl. auch , BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602, m.w.N.). Dazu gehören insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung sowie Ein- oder Verkaufsstellen (§ 12 Satz 2 Nr. 1, 6 AO). Unerheblich ist, wann oder wie lange die Betriebsstätte im Erhebungszeitraum bestanden hat (z.B. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 28 Rz 2; Hofmeister in Blümich, EStG/KStG/ GewStG, § 28 GewStG Rz 10; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 28 Rz 20 f.).
2. Das FG hat den Gewerbesteuermessbetrag auf dieser Grundlage ohne Rechtsfehler zerlegt.
a) Die GmbH hatte im Verlauf des Erhebungszeitraums neben der Stätte ihrer Geschäftsleitung Verkaufsstellen als Betriebsstätten auf dem Gebiet anderer Gemeinden unterhalten. Die Verkaufsstellen standen bis zur Übertragung auf die Erwerberin in ihrem zivilrechtlichen (und wirtschaftlichen) Eigentum. Dass die eigentliche Verkaufstätigkeit in den Verkaufsstellen bedingt durch den kalendarischen Feiertag nicht ausgeübt wurde, ändert daran nichts. Ebenso ist eine auf die Verkaufsstellen bezogene Veräußerungsabsicht unbeachtlich; Gegenstand der Unternehmensteilveräußerung war der auch in diesen Verkaufsstellen ausgeübte aktive Geschäftsbetrieb.
b) Das FG hat für die Zerlegung ebenfalls ohne Rechtsfehler auf den Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 und 2 GewStG zurückgegriffen. Für den streitigen Erhebungszeitraum konnten den einzelnen Betriebsstätten der GmbH Arbeitslöhne zugewiesen werden. Für die Zentrale war die Geschäftsführer-Vergütung des Erhebungszeitraums anzusetzen; für die Verkaufsstellen konnte auf der Grundlage des § 162 Abs. 1 AO auf die Vorjahreswerte der Arbeitslöhne zurückgegriffen werden, da entsprechende Veränderungen nicht festgestellt worden sind. Das FG hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die GmbH arbeitsrechtlich zur Zahlung des Arbeitslohns bis zum Übergang der Arbeitsverhältnisse verpflichtet war. Soweit das FG aus seinen den BFH im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zum Inhalt des Unternehmenskaufvertrags abgeleitet hat, dass eine entsprechende Pflicht für zwei Tage des Erhebungszeitraums bestand, ist dieser möglichen Auslegung zu folgen.
c) Da § 29 Abs. 1 GewStG auf die in den einzelnen Betriebsstätten des Steuersubjekts angefallenen Arbeitslöhne abstellt, kommt es im Streitfall nicht in Betracht, für die Verkaufsstellen der GmbH höhere Beträge (d.h. den Jahresbetrag der Arbeitslöhne) anzusetzen. Der Gesetzgeber hat zwar erkannt, dass Veränderungen im Laufe eines Erhebungszeitraums die sachgerechte Aufteilung des Messbetrags gefährden können. Insoweit hatte er sich dazu entschieden, den früher geltenden Stichtagsgrundsatz im Zerlegungsverfahren, bei dem es auf den Bestand an Betriebsstätten zum Beginn des Erhebungszeitraums ankam, zu verlassen. In der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuerrechts vom (BGBl I 1951, 996, BStBl I 1952, 2) ist darauf hingewiesen worden, dass der Bezug auf den gesamten Erhebungszeitraum zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Steuermessbetrags führen könne (BTDrucks I/2130, S. 18 f.). Weitere Differenzierungen mit Blick auf die zeitliche Dauer, in der eine Betriebsstätte unterhalten wird, stehen dem der Regelung innewohnenden Vereinfachungszweck entgegen. Dies ist im Grundsatz auch sachgerecht, da eine Beteiligung am Gewerbesteuermessbetrag des Unternehmenserwerbers nach dem Zeitpunkt des Unternehmenserwerbs sichergestellt ist. Dass im Streitfall der Höhe nach auf die übertragenen Verkaufsstellen bei der Unternehmenserwerberin im Erhebungszeitraum kein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag entfällt, ändert an dieser grundsätzlichen Sachlage nichts.
d) Die gesetzgeberische Entscheidung, für den Regelfall auf die Höhe der jeweiligen Arbeitslöhne zurückzugreifen (§ 29 Abs. 1 GewStG), hat zugleich zur Folge, dass andere Kriterien zurücktreten. Dies bezieht sich z.B. in der Situation des Erzielens von Veräußerungserlösen, die in den Gewerbeertrag eingehen, auf die Frage, ob und inwieweit die realisierten stillen Reserven den jeweiligen Betriebsstätten wirtschaftlich zuzuweisen wären.
3. Eine von dem Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG abweichende Zerlegung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG kommt im Streitfall nicht in Betracht.
a) Der Gewerbesteuermessbetrag ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG unter der Voraussetzung, dass die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Allerdings rechtfertigt nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus dem Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG ergibt, eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab, sondern nur eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht (, BFHE 171, 304, BStBl II 1993, 679; vom I R 102/04, BFH/NV 2007, 270).
b) Die Revision beruht im Kern auf der Überlegung, dass es unangemessen sei, dass der auf den Veräußerungserlös entfallende Gewerbeertrag —bedingt durch die Situation des Unternehmensteilverkaufs und den Veräußerungszeitpunkt— im Wesentlichen der Klägerin zugewiesen wird. Dass der Regelmaßstab „Arbeitslöhne” die sachgerechte Verteilung von zeitpunktbezogenen Veräußerungserlösen nicht leisten kann, ist dem Maßstab indes immanent. Ebenso ist die unternehmerische Entscheidung zur Veräußerung und die Möglichkeit der Wahl des Veräußerungszeitpunkts kein ausreichender Grund, der das Abweichen vom Regelzerlegungsmaßstab offenbar erforderlich erscheinen lässt. § 33 GewStG kann nicht die Funktion zugewiesen werden, die Folgen des ertragsteuerrechtlichen Realisationsprinzips und der Abschnittsbesteuerung bei der Zerlegung des Gewerbesteuer-Messbetrages auszugleichen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2, 5 FGO. Für eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6., die im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt haben, besteht kein Anlass (§ 139 Abs. 4 FGO). Entsprechendes gilt für die Klägerin (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz 174, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2346 Nr. 12
EStB 2007 S. 449 Nr. 12
GmbH-StB 2007 S. 335 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 13
CAAAC-60053