Übergangsgeld eines Wahlbeamten nicht nach § 3 Nr. 10 EStG steuerbefreit
Leitsatz
Das einem nicht wieder gewählten Bürgermeister gem. § 47 BeamtVG gewährte Übergangsgeld war nicht nach § 3 Nr. 10 EStG steuerfrei. Da die Tätigkeit als Wahlbeamter wirtschaftlich betrachtet eine befristete Beschäftigung darstellt, greift § 3 Nr. 10 EStG ebenso wie bei anderen befristeten Beschäftigungsverhältnissen nicht schon wegen Ablaufs der Beschäftigungsfrist ein.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 9, EStG § 3 Nr. 10
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Ehegatten zum Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann, von 1991 bis 1999 Bürgermeister, erhielt, da er nicht wiedergewählt worden ist, Übergangsgeld nach § 47 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG), für das die Gemeinde Lohnsteuer einbehielt. Bei der Veranlagung begehrten die Kläger vergeblich, das Übergangsgeld nach § 3 Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei zu lassen. Einspruch und Klage hatten ebenfalls keinen Erfolg.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht auf Parallelen zu § 3 Nr. 9 EStG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zum Übergangsgeld bei Wahlbeamten nach früherem Recht (, BFHE 63, 250, BStBl III 1956, 292), zu Übergangsgebührnissen nach § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes (, BFHE 111, 516, BStBl II 1974, 490) und zum Übergangsgeld nach § 62 Abs. 1 des Bundes-Angestelltentarifvertrags —BAT— (, BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34) abgestellt. Die hier einschlägigen Vorschriften des § 47 BeamtVG und des § 132 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg (LBG) seien erst nach Ergehen der BFH-Entscheidung von 1956 entstanden. Zu ihnen gebe es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
§ 132 LBG und § 97 des Beamtenrechtsrahmengesetzes verwiesen für Beamte auf Zeit, die nach Ablauf der Dienstzeit nicht in den Ruhestand träten, bewusst auf die Entlassungsvorschriften, um deren Rechtsfolgen herbeizuführen. Dies gelte über § 134 LBG auch für Wahlbeamte. Werde der Beamte wieder berufen, gelte das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen (§ 132 Satz 2 LBG). Daraus werde deutlich, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses ausgehe und die Nichtwiederberufung als Ausnahme betrachte, die wie eine Entlassung behandelt werde. Demgegenüber ende das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit automatisch mit dem Ende der Dienstzeit (§ 54 Abs. 1 des Soldatengesetzes). Die Entlassung stelle hier einen anderen Grund der Beendigung des Dienstverhältnisses dar. Eine Regelung, nach der ein Soldat auf Zeit „als entlassen gilt”, bestehe nicht. In der Entscheidung in BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34 sei es um zeitlich befristete Dienstverträge und das Übergangsgeld nach § 62 Abs. 1 BAT gegangen. Auch hier gebe es keine Vorschrift, die ausdrücklich auf die Regelung zur Entlassung von Beamten verweise. Die genannte Entscheidung gebe also für die Fälle der §§ 132, 134 LBG und § 97 BeamtVG nichts her. Die diesbezüglichen beamtenrechtlichen Vorschriften ließen eine Auslegung dahingehend, die Nichtwiederberufung stelle sozusagen den Normalfall dar, nicht zu. Im Gegenteil betone § 132 Satz 2 LBG bei der Wiederberufung die Kontinuität des Beamtenverhältnisses, welches in jedem Fall als Einheitliches fortgesetzt werde.
Das Übergangsgeld solle eine Stütze für eine Übergangszeit darstellen, die auf das unfreiwillige Ausscheiden aus dem Amt folge. Dies werde daran deutlich, dass nur der Beamte Übergangsgeld erhalte, der nicht auf eigenen Antrag aus dem Amt scheide. Ein Beamter, der für seine Entlassung selbst verantwortlich sei, bekomme gemäß § 47 Abs. 3 BeamtVG kein Übergangsgeld. Dies —also die Gewährung von Übergangsgeld beim Ausscheiden auf eigenen Antrag— wäre der mit § 3 Nr. 9 EStG vergleichbare Fall einer Abfindung wegen einer nicht vom Arbeitgeber veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Beim Wahlbeamten, der einem anderen Bewerber unterlegen sei, könne nicht eine Eigenverantwortung unterstellt werden, die mit einem zur Kündigung eines Arbeitnehmers führenden Fehlverhalten gleichzusetzen wäre. Es sei Ausfluss des speziellen Dienst- und Treueverhältnisses, dass der Gesetzgeber für das Ausscheiden des Beamten auf Zeit die Vorschriften über die Entlassung zur Anwendung bringe. Dementsprechend sei im Hinblick auf das Übergangsgeld die Beendigung des Dienstverhältnisses als nicht vom Beamten veranlasst oder als Regelfall zu betrachten.
Die Kläger beantragen sinngemäß, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid insoweit aufzuheben, als in ihm für das bezogene Übergangsgeld Einkommensteuer festgesetzt worden ist.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Den Klägern stand die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 10 EStG in der damals geltenden Fassung nicht zu.
1. Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt bestimmte Befreiungsvorschriften, in denen für öffentlich-rechtlich gegenüber privat-rechtlich Beschäftigten Sonderregelungen getroffen werden, zur Vermeidung gleichheitswidriger Begünstigungen einheitlich aus (vgl. zuletzt , BStBl II 2007, 308, und vom VI R 53/04, BStBl II 2007, 536). In Übereinstimmung hiermit wurden die Steuerbefreiungen des § 3 Nr. 9 und 10 EStG dergestalt einheitlich ausgelegt, dass Übergangsgelder i.S. von § 3 Nr. 10 EStG nur angenommen wurden, wenn sie mit einer Abfindung i.S. von § 3 Nr. 9 EStG vergleichbar waren (BFH-Urteile in BFHE 63, 250, BStBl III 1956, 292; vom VI 15/65, BFHE 90, 108, BStBl II 1968, 2; Urteil in BFHE 111, 516, BStBl II 1974, 490; in BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34; BFH-Beschlüsse vom IX B 182/03, BFH/NV 2005, 1058, und vom XI B 144/06, BFH/NV 2007, 1122). Der Senat sieht auch keine Veranlassung, nach Entfallen der Vorschriften des § 3 Nr. 9 und 10 EStG diese Rechtsprechung nachträglich zu ändern.
2. Der genannten Rechtsprechung zufolge sind solche nach Beendigung eines Dienstverhältnisses bezahlten Entgelte nicht nach § 3 Nr. 10 EStG begünstigt, die nicht in unmittelbarer Beziehung zum sozialen Kündigungsschutz stehen. Danach greift die Steuerbefreiung nicht ein, wenn —wie hier— das Beschäftigungsverhältnis zeitlich befristet ist und nicht der Arbeitgeber die entscheidende Ursache für die Auflösung gesetzt hat. Dabei ist unbeachtlich, dass nach beamtenrechtlichen Vorschriften rechtstechnisch im Falle der Wiederwahl das Beamtenverhältnis nicht als unterbrochen gilt, während der nicht wiedergewählte Beamte entlassen wird. Wesentlich ist vielmehr, dass die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses unter dem Vorbehalt einer Wiederwahl steht und es ohne eine solche endet. Damit hängt die Dauer der Beschäftigung im Normalfall nicht von Entscheidungen des Arbeitgebers, sondern Dritter —der Wähler— ab. Insofern geht auch der Einwand der Kläger fehl, dem Ehemann könne nicht vorgeworfen werden, die Wahl nicht wieder gewonnen zu haben. Die Wahl bzw. Nichtwahl ist weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitnehmer vorzuwerfen, sondern begrenzt lediglich den Beschäftigungszeitraum. Da die Tätigkeit als Wahlbeamter wirtschaftlich betrachtet eine befristete Beschäftigung darstellt, greift § 3 Nr. 10 EStG ebenso wie bei anderen befristeten Beschäftigungsverhältnissen nicht schon wegen Ablaufs der Beschäftigungsfrist ein.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2110 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2110 Nr. 11
HFR 2008 S. 23 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2007 S. 4715
CAAAC-59782